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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

und munter verfolgten; sie war zwar auf dem Sacate-Grase ziemlich deutlich sichtbar, würde sich aber ohne Hunde nicht so leicht haben verfolgen lassen. Nach einem halbstündigen Laufe erreichte man endlich den Fuß einer sandigen Höhe, wo die frische Spur nicht mehr zweifeln ließ, daß die vierfüßigen Räuber ganz in der Nähe waren. Die kleinen Hunde wurden in das Dickicht zurückgetrieben und zur Ruhe verwiesen, und die Jäger erstiegen hierauf so schnell wie möglich die Höhe. Auf dem Gipfel angelangt, sahen sie in einer Entfernung von ungefähr dreißig Schritten einen großen männlichen Panther, ein Weibchen und ein starkes Cachorro, die sich auf dem Sande herumwälzten und von ihrem blutigen Schmause reinigten.

Das Weibchen und das Junge flüchteten sich augenblicklich nach dem jenseitigen Dickicht, jeder der beiden mit Flinten bewaffneten Jäger feuerte auf das Weibchen, aber es verschwand in dem Gebüsche. Der männliche Panther benahm sich anders; er bot den Verfolgern die Stirne und ging ihnen wüthend brummend aber ruhig und entschlossen entgegen, bis ihm, als er ungefähr noch zehn Schritte von ihnen entfernt war, die Ladung des dritten Laufes in den Hals gefeuert wurde; aber der Schuß traf den Hals etwas zu nahe an der Brust, als daß er hätte eine augenblickliche Wirkung haben können, und der Panther, noch keineswegs entmuthigt, duckte sich plötzlich nieder und machte mit einem doppelten Gebrüll, das sich nicht recht beschreiben läßt, aber viel Ähnlichkeit mit zwei kurzen Donnerschlägen hat, einen furchtbaren Sprung. Er sprang, wie unter zehn seines Gleichen neun zu springen pflegen, mit weit geöffneten Vorderbeinen als hätte er etwas umfassen wollen, und fast in demselben Augenblicke drang die Lanze des Tigrero wenigstens vier Fuß tief in seinen Körper. Die Spitze hatte sich gerade in die Mitte der Brust gebohrt und den Panther vollkommen aufgespießt, aber mit einem einzigen Schlage seiner mächtigen Vorderpfote zerbrach er die Lanze dicht an seinem Körper so leicht, als wäre sie ein Strohhalm gewesen; da man ihn aber in seinem Sprunge aufgehalten hatte und die Jäger auf die Seite gesprungen waren, so konnten sie ihn jetzt mit ziemlicher Sicherheit beobachten, da er nicht im Stande war, sich umzuwenden und ihnen zu folgen. Er war keine zehn Ellen von den Jägern entfernt, welche die Gelegenheit benutzten, aufs Neue zu laden; aber seine Kraft war gebrochen und langsam und mit Mühe sich fortschleppend, suchte er den Schutz eines in der Mitte des Gipfels befindlichen Busches zu gewinnen, wo er sich sehr langsam und bedächtig niederlegte, denn jede Bewegung mußte ihm sehr großen Schmerz verursachen. Nachdem er sich jedoch vollständig unter dem Busche verborgen hatte, stieß er von Zeit zu Zeit ein eigenthümliches Geschrei aus, welches mit seinem gewöhnlichen Gebrüll keine Aehnlichkeit hatte, sondern, wie der alte Indianer sagte, ein Hülferuf war, durch welchen er sein Weibchen herbeirufen wollte; aber es kam nicht und aus gutem Grunde, denn hätte es seinen Hülferuf gehört, so würde es ohne Zweifel herbeigeeilt sein. Das Blut floß aus Maul und Nüstern des Panthers; sein Geschrei wurde schwächer und schwächer; er versuchte es, sich zu erheben, aber es gelang ihm nicht, seine Kraft war dahin, wenn auch das Leben noch einige Augenblicke ausdauerte, und endlich legte er seinen Kopf zwischen die Vorderpfoten, stieß noch einige halberstickte Seufzer aus und hatte geendet. Sein erstarrender Körper hätte in dieser Lage ein schönes Modell für einen Bildhauer abgeben können.

Nachdem man dem gefallenen Panther einen zweiten Speer durch den Leib gestoßen hatte, wurden die kleinen Hunde herbeigerufen und auf die Fährte der Pantherin und des Jungen gewiesen; als man jedoch an den Eingang des Dickichts kam, sah man sie todt in dem Gebüsche liegen, sie war von einem der beiden Schüsse, die man auf sie abgefeuert hatte, tödtlich getroffen worden, wie eine dicht am Kopfe befindliche Halswunde zeigte, und hatte daher dem Hülferufe ihres Männchens allerdings nicht folgen können; wäre sie am Leben gewesen oder hätte sie nur eine schwere Wunde gehabt, so würde sie ihn nicht haben vergebens rufen lassen. Das Cachorro wurde bis zum Anbruch der Nacht gesucht, aber weder Hunde noch Jäger konnten seine Spur entdecken. Wahrscheinlich hatte es sich in einen hohlen Baum geflüchtet.




Ein Brief von Ida Pfeiffer aus Californien. Die berühmte, kühne Weltreisende, welche gewissermaßen in ihrer Person den kosmopolitischen Drang Deutschlands leibbaftig darstellt, hat ihrem nächsten Werke über Californien Privatbriefe vorausgeschickt, so auch folgenden an unsern berühmten Landsmann, Herrn A. Petermann in London, der uns zur Veröffentlichung zugegangen ist. Er kam in Herrn P.’s Hände am 22sten December und ist datirt:

St. Franzisko, 30. Oktober 1853. 

     Bester Herr Petermann!

Ich kann mir das Vergnügen nicht versagen, mich manch kleinen Augenblick mit Ihnen zu unterhalten. Aus den Zeitungen werden Sie zwar häufig ersehen, auf welchen Plätzen der Welt ich mich herumtreibe, aber das Wie? Warum? u. s. w. fällt dabei weg. Als ich London verließ, hatte ich den festen Entschluß, Australien zu besuchen. Ich war diesem Welttheile ziemlich nahe, als ich mich im Indischen Archipel herumbewegte, und dennoch kam ich nicht hin! Die Entdeckung des Goldes, der europäische Durst und Heißhunger danach waren Ursache, daß ich meinem Plane entsagte. Die Theuerung in diesem Lande stieg so ungeheuer, daß nur ein Goldsucher oder Millionair dahin wandern konnte, aber nicht Leute, deren Seckel mehr als bescheiden gefüllt und deren Streben nach Insecten und Reptilien geht. Ich mußte also diesem Wunsche entsagen und eine andere Fährte aufsuchen – und wo führte diese mich hin? – auch in ein so verwünschtes Goldland – das ist doch seltsam! Allein die Ueberfahrt kostete mich nichts, ein Amerikaner nahm mich umsonst mit. Wir hatten eine glückliche Fahrt – 79 Tage bis San Franzisko. Aber obgleich ich 60 Tage nichts als Himmel und Wasser gesehen, machte die Küste Californiens doch keinen freundlichen Eindruck auf mich: nichts als kahle Sandhügel, hier und da mageres Gebüsch, düstere Bäume mit dürren, kleinen, schmutzig-grünen Blättern. – Die Stadt St. Franzisko ist in ihrer Art ein Wunderwerk, aber nicht alle Wunderwerke sind reizend und bezaubernd. Die Stadt ist seit 5 Jahren 6 mal abgebrannt und wurde 1851 zweimal gänzlich in Asche gelegt – und beutzutage prangt sie mächtig, als hätte sie nie Feuer gesehen. Die steilsten Sandhügel tragen Häuser und Hütten bis in die höchsten Spitzen. Die Bucht wurde 1/2 Meile zurückgedrängt, mit Sand aufgefahren und so ein ebenes Fleckchen wenigstens für den Mittelpunkt der Stadt gewonnen. Da herrscht nun ein Leben, gleich dem in der City von London; da wird gefahren, geritten, gelaufen mit einer Hast, als gäb’ es kein Morgen mehr. Ueberall werden mit der größten Eile die prächtigsten Ziegelhäuser gebaut, so daß eine Straße nach 1 – 2 Monaten gar nicht wieder zu erkennen ist. Der Luxus in Einrichtung und Lebensweise ist so groß, wie nur immer in Paris und London; dabei herrscht aber ein Schmutz, eine Unsauberkeit auf den Straßen, daß selbst Constantinopel dagegen als Muster an Reinlichkeit aufgestellt werden kann. Ein Staub- und Sandlager von 1/2 Fuß Dicke deckt den Boden. Aller Unrath der Häuser wird auf die Straße geworfen. Kisten und Fässer, Reifen und Flaschen, Kleider, Wäsche, alte Schuhe, todte Hunde und Ratten liegen wie Kraut und Rüben durcheinander. Ein Gang durch die Stadt ist eine Buße, ein Gang außerhalb derselben Höllenpein. Ihr Fuß ermüdet im tiefen Sande, Ihr Auge in dem kahlen, leb- und laublosen Einerlei. Freilich die Bucht ist hübsch, sie bildet mannichfaltige Einschnitte in das Land, und der Hafen ist reich mit Fahrzeugen aller Nationen belebt. In der Regenzeit soll auch das Land eine ganz andere Gestalt annehmen; ein Ueberreichthum von Gras und Blumen bekleidet dann den nackten Sand. Leider werde ich es nicht in seinem Schmucke sehen, denn die Blüthezeit beginnt im December und ich will schon im November fort – nach Mexiko, der Stadt, vielleicht auch dem Lande, dann nach Vera-Cruz, Havannah, den vereinigten Staaten u. s. w. Ohne den Wasserfall von Niagara gesehen zu haben, kann ich nicht nach Europa kommen. O daß ich nur 10 Jahre jünger wäre, wie wollte ich meine Reisen noch mehr ausbreiten! Ueberall kommt man mir so hilfreich entgegen, daß ich wahrlich nicht viel brauche, um recht viel zu sehen. Schiffsgelegenheiten, sonst wahre Gelddiebe, bekomme ich meist umsonst, ebenso in den Städten oft auch freie Wohnung. – Von Californien habe ich noch die neu entstandenen Städte Sacramento und Marry’s Ville gesehen und auch Ausflüge in die Quarz-Minen und mehrere Goldgruben gemacht. An allen diesen Orten herrscht die größte Sicherheit des Eigenthums. Die Leute gehen an ihre Arbeit; kein Mensch wird zur Bewachung ihrer Zelte und Hütten zurückgelassen, und nie soll man von Entwendung des Goldes hören.

Nun Gott befohlen, vielleicht sehe ich Sie doch im nächsten Jahre.

Mit Achtung 
Ihre ergebene  
I. Pfeiffer. 




Höhere Industriestreiche. Unter den vielen Pastetenbäckerläden in London machte vor Kurzem besonders einer in der City gute Geschäfte, so daß, als der Besitzer starb, der gegenüberwohnende Bäcker um die Hand der Wittwe diesen blühenden Geschäfts anhielt. Sie gab ihm aber eine Kiepe d. h. einen Korb. Der Bäcker, statt in unglücklicher Liebe zu verschmachten, buk Rache d. h. er machte auch Pasteten und alle noch einmal so groß, als die der Wittwe gegenüber, so daß diese sehr bald bedeutend zurückkam. Der Bäcker buk mit Schaden, bis er das Geschäft der Wittwe todt gemacht haben würde, wie dies oft der Fall ist im concurrirenden Kapitalgeschäftskriege. Die mit unverkauften Pasteten beladene Wittwe bekam eines Tages Besuch von einem Freunde ihres Verstorbenen, dem sie bitterlich ihr Leid über den Bäcker gegenüber klagte. „Well, well, hm, hm!“ sagte der Gast, „ich denke, wir wollen dem Liebhaber drüben das Geschäft legen.“ – Eines Morgens nun, als der Laden des neuen Pastetenbäckers voll von Kunden war, kömmt ein schäbiges Subject herein, wirft zwei todte Katzen auf den Ladentisch und verschwindet wieder mit den Worten: „das ist nun die 35ste und 36ste diese Woche, macht zusammen 15 Schillinge. Sagen Sie dem Meister, morgen würde ich mir das Geld holen.“ Die Gäste stoben auseinander, übergaben sich und stürzten in einen benachbarten Branntweinstempel. Von diesem Augenblicke an ruhte ein Fluch auf den Pasteten des Rache-Bäckers und er kam nie wieder auf, wohl aber die Wittwe, die natürlich ihren Erretter heirathete.




Literarisches. Wie es im Buchhandel jetzt eine Masse Bücher giebt, die nur des hübschen Einbandes wegen gekauft werden, so giebt es wiederum andere, die bei gewissen Leuten um ihrer gewissen Richtung willen stets großen Anklang finden, einerlei ob diese Bücher literarischen Werth haben oder nicht. Ein Beispiel liefert der sentimental-frömmelnde Redwitz, der Dichter des Amaranth. Noch ehe sein neuestes Buch Siglinde erschienen war, sah sich der Verleger durch die einlaufenden festen Bestellungen gezwungen, mit der ersten kontraktlich auf 3000 Expl. festgestellten Auflage eine zweite ebenso starke im Druck aufzugeben und wie wir hören, ist auch diese zweite Auflage, jetzt 4 Wochen nach Erscheinen der ersten und zweiten, bereits ihrem Ende nahe. Das ist ein ungeheurer Erfolg, der mit den bekannten (besonders Berliner) Schwindelauflagen anderer deutscher Dichter in gar keinen Vergleich zu bringen ist. Und doch ist Publikum und Kritik darüber einig, daß diese Siglinde ein durchaus verfehltes Produkt sei, ohne dramatischen und poetischen Werth, eine Faselei, die nur bei Jenen Anklang findet, die kräftig-gesunde Speise nicht vertragen können.

E. K. 



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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