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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Helsingfors und Sweaborg.

Diese beiden Festungen Finnlands – das nordische Gibraltar genannt, liegen sehr imposant in granitner Romantik, etwa 32 Meilen von Kronstadt und würden der Schlüssel zu dem Landwege nach Petersburg sein. Zuerst müßte Sweaborg genommen werden, welches den nach Helsingfors führenden Kanal schützt. Sweaborg besteht im weitesten Sinne aus sechs granitnen Inseln, die im Umfange einer deutschen Meile vor Helsingfors liegen und von denen drei durch Brücken verbunden sind. Letztere bilden die eigentliche Festung, die drei andern Vorwerke. Die starken Festungswerke sind theils aus dem natürlichen Granit zurecht gehauen und gesprengt, theils durch Kunst ergänzt und aufgethürmt, so daß die sechs bis zehn Fuß dicken Mauern, stellenweise 48 Fuß hoch, aus denen 800 Kanonen und 20,000 Mann hervorarbeiten können, sich ziemlich sicher fühlen mögen. Der Weg für große Schiffe nach Sweaborg ist wegen der hier umhergestreuten kantigen kleinen Scheeren-Inseln ungemein gefährlich, zumal da die Lage einiger auf den meisten Karten nicht genau angegeben ist. Wir fügen eine kleine Karte bei, die für die genaueste und richtigste gehalten wird. Es war einst der Schlüssel zu Schweden und es that stets seine Pflicht, Rußland auszuschließen, bis im Kriege 1808–9 der Kommandant durch Aussicht auf russisches Gold die granitne Festung weich machte, so daß die Russen gemüthlich hineinmarschiren und den Schweden den Frieden dictiren konnten. Die Russen bekamen so Finnland, der Kommandant aber gar nichts, was zwar sehr Unrecht, aber ihm ganz Recht war. Er hatte für seine Arbeit nicht mehr verdient.

Ob „Karlchen“ es mit Gold oder mit Kanonenmetall versucht, wissen wir nicht. Viel Vertrauen scheinen die Russen auch nicht zu haben, obgleich Sweaborg für schlechterdings uneinnehmbar gilt (ausgenommen mit dem weichen, dehnbarsten Metalle). Die Finnen mußten voriges Frühjahr von Sweaborg bis Kronstadt einen Weg durch’s Eis hacken, auf welchem die unter den Batterien liegenden Schiffe sich nach Kronstadt flüchteten. Bekäme „Karlchen“ Sweaborg mit Waffengewalt, könnte er sich rühmen, schon die zweite uneinnehmbare Festung ohne Gold erobert zu haben. Bekanntlich nahm er sich vor einigen Jahren das uneinnehmbare St. Jean d’Acre. Da aber 12,000 Franzosen nach Finnland unterwegs sind, wird er sich wohl nicht leicht allein mit Ruhm bedecken können.

Helsingfors ist eine der imposantesten neurussischen Städte, obgleich sie blos 16,000 Einwohner zählt, auch eine der lebendigsten und gebildetsten durch Fabrikation von Segeltuch, Leinewand (aus dem feinsten Flachse) u. s. w. und Handel mit Holz und Getreide, durch eine bedeutende Universität, eine große Bibliothek und manche gelehrte Gesellschaften, eben so als Residenz des Gouverneurs von Finnland und des Senats. Das Holz von Helsingfors gilt als das beste für Schiffsbau. Die Stadt breitet sich um den großen tiefen Hafen sehr weit aus und gewährt mit den sich dahinter trotzig erhebenden granitnen Höhen- und Gebirgszügen einen gar respektvollen Anblick. Die Straßen haben einen modernen, freundlichen und architektonisch oft schönen Charakter.

Sweaborg ward von dem berühmten Grafen Ehrensward gebaut. Die der natürlichen Fortification hinzugefügte Kunst wird von Festungsverständigen als eins der genialsten Meisterwerke bezeichnet.

Die Finnen gelten als sehr russen-, aber auch als sehr englandfeindlich, da die Flotte neuerdings ihren großen Reichthum von Holz, Schiffen u. s. w. verbrannt hat, so daß die jetzt auf dem Kriegstheater beinahe allmächtigen Franzosen mit ihren 12,000 Mann auch im baltischen Meere und besonders in Finnland durchaus das große, entscheidende Wort führen würden. Von Helsingfors würde der Feind auf dem Wege nach Petersburg nur noch auf zwei Städte von einiger Bedeutung stoßen: Frederikshamm und Wiborg. Borgo und Lowisa sind klein, obgleich letzteres durch die Seefestung Svartholm nach dem Meer hin groß und stark genug sein soll. Von Wiborg bis Petersburg ist die ganze Gegend öde, schlammig und trostlos, so daß sie der jetzigen geheimen Stimmung in den höchsten Regionen Englands entsprechen mag.




Blätter und Blüthen.

Ein feiner Betrug. In einer vornehmen Gesellschaft zu Paris kam unlängst die Rede darauf, mit welcher täuschenden Aehnlichkeit jetzt die Diamanten nachgemacht würden.

„Die Kunst ist nicht so neu, als man glaubt,“ sagte ein Fremder, über dessen Landsmannschaft man nicht recht einig werden konnte, „wenn sie auch erst in neuerer Zeit allgemeiner bekannt und verbreitet wurde. Den Beweis für meine Behauptung liefert dieser Ring, der mir als Erbstück sehr werth ist, obgleich mir ein Juwelier dafür nichts geben würde, da die Steine unächt sind, so täuschend sie auch ächten ähnlich sehen.“

Bei diesen Worten zog der Fremde einen alterthümlich gefaßten Ring vom Finger und reichte ihn, zum Belege seiner Worte, einem Herrn, der ein besonderer Liebhaber und Kenner von Diamanten zu sein schien. Kaum hatte dieser das Kleinod erblickt, als er voll Entzücken ausrief.„Die Steine sind ächt, oder es hat niemals ächte gegeben. Dieser Solitär ist von eben so reinem Feuer als Wasser. Wollen Sie mir den Ring für 8000 Franks lassen, so können Sie augenblicklich über das Geld disponiren.“

„Sie irren,“ entgegnete lächelnd der Fremde; „der Ring ist, ich wiederhole es nochmals, unächt; aber dennoch müßte ich Ihr Gebot zurückweisen, denn hat der Ring auch keinen wirklichen Werth, so ist doch der, den er für mich als Andenken besitzt, ungleich größer.“

„Wollen Sie mir ihn auf einige Minuten erlauben, daß ich ihn meinem Juwelier zeige ?“ fragte der Juwelenliebhaber.

„Mit dem größten Vergnügen,“ entgegnete der Fremde, und Jener eilte mit dem Kleinod hinweg. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück, gab dem Eigenthümer seinen Ring wieder und sagte, schlau lächelnd: „Mein Juwelier meinte, die Steine schienen ihm ächt zu sein, und auf diesen Schein hin, biete ich Ihnen nochmals 8000 Franks für den Ring.“

„Ich bitte, nicht weiter in mich zu dringen,“ sagte der Fremde zögernd; „ich machte mich gegen mich selbst so wie gegen Sie eines Unrechts schuldig, wenn ich das Gebot annähme, und dennoch ist dasselbe so lockend, daß es mich verführen könnte, da ich in jüngster Zeit von einigen harten Verlusten betroffen wurde.“

Diese Worte gaben dem Liebhaber Hoffnung; er drang eifriger in den Besitzer des Ringes, und nachdem er bis zu dem Preise von 10,000 Franks gestiegen war, zog jener das geliebte Andenken mit trüber Miene und einem schmerzlichen Seufzer vom Finger und übergab es dem Käufer, indem er sagte: „Es wäre in meinen Verhältnissen Wahnsinn, Ihr Gebot nicht anzunehmen; empfangen Sie daher den Ring, wobei ich indeß die sämmtlichen anwesenden Herren zu Zeugen nehme, daß ich Ihnen die Steine als unächt verkauft habe.“

„Schon gut! Schon gut!“ sagte der Käufer freudig; „lassen Sie das meine Sorge sein!“

Dann gab er über die Kaufsumme eine Anweisung auf seinen Banquier und eilte davon. Der Verkäufer verließ unmittelbar nach ihm die Gesellschaft ebenfalls.

Kaum war eine Viertelstunde verflossen, da stürzte bleich und athemlos der Käufer des Ringes herein.

„Wo ist der Herr, von dem ich den Ring kaufte?“ rief er außer sich; und noch ehe man ihm antworten konnte, fügte er hinzu: „Er hat mich schändlich betrogen! Die Steine sind unächt und keine 20 Franks werth.“

„Er sagte Ihnen ja selbst, daß sie nicht ächt wären,“ bemerkte ein schadenfroher Spötter, „und wir sämmtlich sind seine Zeugen, wie Sie wissen.“

„Verdammt!“ rief der Angeführte und stürmte zu seinem Banquier, wo möglichst die Auszahlung der angewiesenen Summe zu verhindern: Fünf Minuten vorher hatte der Fremde sie in Empfang genommen. – Er stellte eine Klage an und wurde abgewiesen und in die Kosten verurtheilt, da sämmtliche Zeugen zu Gunsten des Verkäufers sprachen. Der Betrogene machte nun seinem Juwelier die bittersten Vorwürfe, dieser aber antwortete, stolz im Bewußtsein seiner Kennerschaft:

„Der Ring, den Sie mir zuerst zeigten, war ächt, dafür stehe ich Ihnen; der aber, den Sie kauften, ist unächt und nur dem ersten täuschend ähnlich nachgemacht. – Sie haben es mit einem feinen Betrüger zu thun gehabt, der sich schlau den Rücken zu sichern wußte.“




Die Sultanin Valide. Die Großmutter des jetzigen türkischen Kaisers ist eine geborne Französin, eine Creolin von der Insel Martinique, und gleich ihrer Landsmännin, der Kaiserin Josephine, soll auch ihr in früher Jugend die hohe Stellung prophezeiht worden sein, die sie einst einnehmen sollte, ohne daß sich ihr allem Anschein nach dazu die geringste Aussicht eröffnete.

Als sie noch beinahe ein Kind war, erzählt man sich, saß sie eines Tages an dem Ufer des Meeres, und betrachtete mit Entzücken das Schauspiel eines prachtvollen Sonnenaufgangs. In ihre Betrachtungen versunken,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_403.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)