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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

durch die Gesteine hindurch sickernde wird von ihr in Bewegung gesetzt. Das fließende Wasser hat aber an der Veränderung der Erdoberfläche einen viel größeren Theil als man früherhin glaubte. Die älteren Geologen ließen durch gewaltsame vulkanische Erdrevolutionen die Umänderungen der Erdoberfläche erfolgen, die auch in der That bisweilen stattfanden. In neuerer Zeit hat man sich dagegen auf das Sicherste überzeugt, daß das fließende Wasser und namentlich auch das ganz langsam durch die Gesteine hindurch sickernde bei Weitem großartigere Veränderungen der Erdoberfläche zu Stande gebracht hat. Denn die Kleinheit dieser Wirkungen summirt sich durch unendlich lange Zeiträume zu ganz erstaunlichen Größen. Nicht minder steht die Atmosphäre unter dem Einfluß der Schwere und die Größe aller Witterungseinflüsse, welche ebenfalls einen sehr großen Antheil an der Oberflächengestaltung der Erde haben, hängt von der Größe der Schwerkraft ab. Auch auf die Culturzustände des Menschen hat die Schwerkraft einen gewaltigen Einfluß ausgeübt. Alle Transportmittel würden sich z. B. ganz anders gestaltet haben, wäre die Schwerkraft an der Erdoberfläche etwa sechsmal geringer als sie wirklich ist, also so wie sie an der Oberfläche des Mondes stattfindet. Würde bei uns die Schwerkraft mit einem Male so viel Mal geringer, so würde man unter den gegenwärtigen Verhältnissen, also unter Annahme derselben Muskelkraft der Menschen und Thiere, derselben Straßen und Eisenbahnen, derselben Festigkeit aller Körper u. s. w., sechs Mal größeren Effekt bei allem Transport hervorzubringen im Stande sein. Was für gewaltige Aenderungen würde das in allen menschlichen Verhältnissen hervorbringen! Eine Aenderung der Schwerkraft ist zwar niemals möglich, aber wir können uns durch solche Betrachtungen klar machen, daß alle menschlichen Verhältnisse zum größten Theil ein Produkt dieser und anderer Naturkräfte sind, indem sie sich denselben anpassen mußten. Hieraus erkennt man zugleich wie albern die Bestrebungen sind, wenn man über das Leben auf anderen Himmelskörpern Erörterungen anstellen will. Man hat z. B., als nach den großartigen Verbesserungen der Fernröhre in diesem Jahrhundert die Oberflächengestaltung des Mondes uns aufgeschlossen wurde, sich verleiten lassen, Kunstprodukte der dortigen Bewohner aufzusuchen oder vielmehr gewisse räthselhaft erscheinende Gegenstände als Kunstprodukte zu deuten. Man hat aber dabei ganz außer Acht gelassen, daß eben solche Dinge ein Produkt der dort wirkenden Naturkräfte sind; da aber nun die Naturkräfte auf der Oberfläche des Mondes ganz andere Wirkungsgrößen besitzen, so werden auch die Kunstprodukte ganz andere Formen annehmen müssen, nicht zu gedenken, daß ja auch die ganze Gestaltung des dortigen organischen Lebens, wenn’s überhaupt ein solches giebt, himmelweit von dem unserigen verschieden sein muß.

Eben so einflußreich als die Schwerkraft ist die Wärme. Wir können sie aber im eigentlichen Sinne keine Kraft nennen. Was wir als Wärme wahrnehmen, ist eine periodische Aufeinanfolge von unendlich kleinen Schwingungen. Wenn aber Körper erwärmt werden, so treten noch andere Erscheinungen auf, unter denen die auffälligste die Ausdehnung der Körper ist. Diese Ausdehnung geschieht namentlich bei luft- und dampfförmigen Körpern mit großer Gewalt und in Folge dessen wird die Wärme die Quelle einer bewegenden Kraft. Wir erinnern nur an die Dampfmaschine, an die neuerdings construirte heiße Luftmaschine. Wir können also die Wärme insofern, als sie die Körper auszudehnen und dadurch Bewegungserscheinungen hervorzubringen vermag, als eine Naturkraft bezeichnen, die nicht blos von den Menschen zum Betriebe der Maschinen und anderen Dingen benutzt worden ist, sondern deren sich die Natur selbst vielfach zur Erreichung ihrer Zwecke bedient.

In ähnlicher Weise werden Bewegungen hervorgebracht, wenn gewisse Körper in den Zustand treten, den wir electrisch und magnetisch nennen. Wir können also in diesem Sinne Electricität und Magnetismus ebenfalls als Naturkräfte bezeichnen, obschon wir über die eigentliche Natur dieser Potenzen noch nicht vollständig aufgeklärt sind, auch noch nicht einmal alle Erscheinungen namhaft zu machen wissen, bei welchen sie ihre Hand im Spiele haben. Daß sie z. B. auf das organische Leben einen großen Einfluß ausüben, ist mehr als wahrscheinlich; aber welchen? davon sind wir noch weit entfernt. Sie zum Betriebe von Maschinen zu benutzen, hat man angefangen, aber noch lange nicht zur Vollendung geführt.

Die Naturkräfte wirken nur selten einzeln, in der Regel mehrere in Gemeinschaft. Dadurch wird die Erscheinung sehr zusammengesetzt, bisweilen in solchem Grade, daß es schon zu einer sehr schweren Aufgabe wird, die Erscheinung selbst richtig zu erkennen. Wo nun die Thatsachen der Beobachtung, d. h. die Wirkungen der Kräfte noch nicht mit Sicherheit festgestellt sind, kann man selbstverständlich noch nicht daran gehen, die wirkenden Kräfte aufzusuchen. Die Erscheinungen des Lebens z. B. sind in allen ihren Punkten noch lange nicht vollständig bekannt; es giebt hier noch manche nur sehr oberflächlich beobachtete Parthien. Daher ist es sehr voreilig, schon nach den hier wirkenden Kräften und baarer Unsinn, nach einer Lebenskraft suchen zu wollen.

Wenn wir oben sagten, Kraft sei das, was Bewegung hervorbringen könne, so ist damit über das eigentliche Wesen, über die Natur der Kraft noch durchaus kein Aufschluß gegeben. Es ist das von Seiten des Physikers auch nicht möglich und kann höchstens eine Frage für den Philosophen sein. Die Antworten aber, welche von dieser Seite her erfolgen, sind für den Physiker von wenig Belang; ihm ist es für seine Forschungen genug, wenn das seinem Wesen nach unbekannte Etwas, welches er durch Kraft bezeichnet, ein strenges Gesetz befolgt, und sich durch seine Wirkungen genau messen läßt. Der Astronom kennt das Gesetz und die Größe der Anziehungskraft, welche die Himmelskörper nöthigt, ihre Bahnen um einander zu beschreiben, und ist dadurch in den Stand’ gesetzt, den Ort der Himmelskörper für jede beliebige Zeit genau zu bestimmen. Was nun eigentlich diese Kraft ist, weiß er nicht, wie überhaupt Niemand. Aber wenn er es auch wüßte, so würde dadurch die Astronomie um keinen Schritt weiter geführt.

Was zur Anstellung einer mathematischen Rechnung nöthig ist, weiß man und etwas Weiteres verlangt der Astronom nicht. Wie hier in diesem einzelnen Falle, ist es bei allen physikalischen Forschungen. Was die Kraft eigentlich ist, danach fragt der Physiker niemals, wenn er nur ihr Gesetz kennt, um die Sache auf mathematischen Grund und Boden versetzen zu können.




Die asiatische oder epidemische Cholera.

Was wissen die Aerzte von der Cholera, von ihrem Wesen, ihrer Ursache und Heilung? So gut wie gar nichts! Nur das ist augenscheinlich, daß bei dieser Krankheit das Blut äußerst schnell einen großen Theil seines Wassers nach dem Darmkanal und Magen hin verliert und dadurch in seinem Laufe und seiner Thätigkeit, vorzüglich in Bezug auf die Absonderungen und Wärmeentwickelung, sehr bedeutend gestört wird. Alle Erscheinungen bei der Cholera, wie Brechen, Durchfall, Kälte, Trockenheit und bläuliche Färbung der Haut, Harn- und Pulslosigkeit u. s. w., lassen sich hieraus erklären.

Ansteckend ist die Cholera nicht, d. h. sie ist von Person zu Person nicht übertragbar, wohl scheint sie aber bisweilen (aber nicht immer) unter gewissen, uns noch unbekannten Bedingungen verschleppbar zu sein, so daß ein oder mehrere von der Ferne hergekommene Cholerakranke in einer von dieser Krankheit noch nicht heimgesuchten, wahrscheinlich aber dem Entstehen der Cholera günstigen Gegend dieselbe veranlassen können. – Uebrigens befällt die Cholera Menschen jedes Alters und Standes, Gesunde wie Kranke, am Häufigsten aber Personen, welche unregelmäßig leben (besonders Säufer) und solche, die sich nicht schonen können (Arme). – Vorboten hat diese Krankheit gar nicht, höchstens stellt sich vor ihrem Ausbruche Appetitlosigkeit, Uebelkeit, Neigung zum Durchfall, leichte Diarrhöe (Cholerine), allgemeines Uebelbefinden und veränderte Gesichtsfarbe ein.

Die Krankheitserscheinungen bei der Cholera sind die folgenden: Der Durchfall ist wohl stets das erste Symptom und dieser, gewöhnlich schmerzlos, zeigt sich häufig zuerst in der Nacht, meistens nach Mitternacht. Das Entleerte wird hierbei sehr bald

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_413.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)