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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Die Deutschen in Australien.[1]
Ankunft in Port Adelaide. – Geschichtliches über die ersten deutschen Einwanderer. – Ihre verbesserte Lage seit Auffindung der Goldlager. – Stellung der Deutschen. – Deutsche Gelehrte. – Täglich einen Thaler Ersparniß.

Nachdem wir unter dem herrlichsten Wetter den Hafen von London verlassen und unter so manchen schönen unauslöschlichen Erinnerungen den atlantischen und indischen Ocean durchschnitten hatten, erreichten wir endlich nach einer vier Monate langen Seereise mit großer Spannung und Erwartung das Ziel unserer Wünsche und kamen glücklich in Port Adelaide, dem Hafen Südaustraliens, vor Anker. Unter rührenden und herzlichen Worten löste sich das engere Band einer kurzen aber innig geschlossenen Freundschaft zwischen Gliedern dreier Nationen, die sich früher nie gesehen, während der langen Reise treulich Freud und Leid getheilt, in der neuen Heimath sich die verschiedensten Ziele ihres Wirkens vorgestreckt hatten, und bald nach allen Richtungen hin in der Kolonie zerstreuten.

War es nun mein eifrigstes Bestreben vor Allem Denjenigen meine Aufmerksamkeit und mein Interesse zuzuwenden, die mir als Deutschem in diesem fremden und neuen Welttheile am Nächsten standen, so fand ich in Kurzem Gelegenheit diesem innern Drange eine baldige Befriedigung zu gewähren, indem mir schon am ersten Tage nach unserer Landung ein biederer deutscher Landsmann und alter Ansiedler in der Provinz Südaustralien „Willkommen im Lande des Segens“ mit dem Ausdruck der Herzlichkeit zurief und mich auf meinen Ausflügen in die verschiedensten deutschen Ansiedelungen der Umgegend von Adelaide begleitete.

Freundlich, zufrieden, herzlich und innig, wie ich es nur je in dem engsten Familienkreise meiner alten verlassenen Heimath gefunden, traten mir die einzelnen deutschen Familien in ihren einfachen und netten Häuschen, ihren blühenden Gärten und Fluren in ungeheuchelter Freude entgegen und erweckten ein Gefühl, das ich eben nur empfinden, nicht aber in Worten wiederzugeben vermochte. Allseitig zog ich Erkundigungen über ihr Ergehen ein, persönlich überzeugte ich mich unter den verschiedensten Ständen und Gewerben von deren Betriebsamkeit und dem daraus hervorgegangenen Wohlstande.

Wenn ich nun durch eigene Anschauung so wie durch Schilderungen glaubwürdiger und achtbarer Personen in den Stand gesetzt wurde, mir ein umfassendes Urtheil über die Zustände und Verhältnisse unserer Landsleute so wie über das Land selbst bilden und somit auch eine allgemeine Schilderung entwerfen zu können, so dürfte eine in diesen Blättern gegebene kurze Mittheilung für Manchen der Leser nicht ganz ohne Interesse sein.

Das Festland Australien, oder auch Neuholland genannt, welches nur 1/5 kleiner als Europa ist, wird gegenwärtig von circa 200,000 Eingebornen (Papuan-Negern) und 500,000 Europäern, und zwar von Engländern, Schottländern, Irländern, Deutschen, einigen Holländern und Franzosen, sowie von einzelnen Chinesen und Malayen theils im Innern, theils an den Küsten bewohnt, worunter die Zahl der Deutschen ungefähr 20,000–22,000 Seelen beträgt.

Erwägt man, daß diese Bevölkerung, welche nur 1/3 so groß als die des an Flächeninhalte so kleinen Königreiches Sachsen ist, bis jetzt einen ganzen Erdtheil bewohnt, der so unermeßlichen Reichthum an Mineralien, namentlich an Gold, Kupfer, Eisen, Blei u. s. w. enthält – dem großentheils eine überaus üppige Vegetation des Weidelandes eigen ist – der vor Allem aber im östlichen, südlichen und westlichen Theile ein so überaus gesundes Klima, eines der gesundesten auf der Erde, besitzt, so läßt sich keinen Augenblick verkennen, welches große Feld des Schaffens dem Eingewanderten dort offen steht, welche Geldmittel, geistige sowie physische Anstrengungen aber auch von Seiten der deutschen Colonisten dazu gehören würden, um mit den ihnen nicht nur an Zahl, sondern auch an baarem Gelde, Speculationsgeist und Ausdauer in allen Unternehmungen weit überlegenen englischen Colonisten einigermaßen Concurrenz halten zu können.

Die ersten Deutschen wanderten zuerst in namhafter Zahl zur Begründung der Provinz Südaustralien auf Veranlassung der dort sich gebildeten südaustralischen Compagnie unter Anführung des Pastor Kavel aus Klemzig in der Neumark im Jahre 1838 nach Australien aus, ihnen folgte im Jahre 1840 unter dem Geleite des Pastor Fritzsche aus Schlesien ein zweiter Zug, die sich sämmtlich in der Nähe von Adelaide, in Angas-Park und den Thälern des Barossa-Gebirges sowie im Mount-Barker-Distrikte niederließen und verschiedene kleine deutsche Plätze wie: Klemzig, Angaston, Bethanien, Langmeil, Hahndorf, Lobethal u. s. w. gründeten. Es bestanden diese ersten ausgewanderten Gemeinden aus Alt-Lutheranern, deren Motiven, aus denen sie ihr Vaterland verlassen zu müssen glaubten, mehr eingebildete als factisch vorhandene Beeinträchtigungen ihrer Glaubensfreiheiten waren. Sie hatten in ihrer alten Heimath größtentheils in den drückendsten Verhältnissen gelebt, unter denen sie selbst bei der härtesten Arbeit ihr Leben kaum fristen konnten.

Diesen ersten Uebersiedelungen folgten bald mehrere. So gingen im Jahre 1842 eine Anzahl Weinbauer aus Nassau nach dort, die sich in der Grafschaft Camden und an den Ufern des Hunterflusses in der Provinz Neu-Süd-Wales niederließen, ferner eine Anzahl deutscher Schweizer, die sich zu gleichem Betriebe des Weinbaues in der Nähe von Geelong in der Victoria-Provinz ansiedelten.

In kleinen Zwischenräumen folgten ihnen seit dem Jahre 1844 größere Auswanderungszüge, von denen sich die Meisten nach Südaustralien wendeten; die politischen Zerwürfnisse Deutschlands in den Jahren 1848 und 1849, sowie vor Allen die im Jahre 1851 entdeckten Goldlager Australiens trieben abermals bedeutende Züge von Deutschen, namentlich aus Hannover, Hamburg, Lübeck, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Brandenburg, Schlesien, Westphalen u. s. w. jener fernen neuen Heimath zu.

Freilich hatten die ersten deutschen Ansiedler kein beneidenswerthes, oft sogar ein bedauerliches Loos. Ohne recht zu wissen, was sie in der neugesuchten Heimath thun sollten, aus ihren bürgerlichen Verhältnissen heraus und in das fremdartige Leben eines beinahe noch ganz wüsten Landes geschleudert, auf dem sie damals nicht nur alle und jede Bequemlichkeiten, sondern auch manche dringende Bedürfnisse zu entbehren, ja sogar noch mancherlei Kämpfe mit den Eingebornen zu bestehen hatten, war ihre Lage wirklich eine trübe, deren Hülflosigkeit bei Vielen wesentlich noch dadurch erhöht war, daß sie der englischen Sprache fast gar nicht mächtig waren und keinerlei Geldmittel in den Händen hatten, um sich mit Vortheil eine eigene Existenz gründen zu können. Da waren es, wie auch in Amerika, die Urbarmachung von Ländereien sowie der Betrieb des Acker- und Gartenbaues im Kleinen, zu denen sie die Zuflucht nehmen mußten, um mit ihren so geringen pecuniären Mitteln Dasjenige zu erzeugen, was ihnen die nöthigsten Bedürfnisse des Lebens bot und eine allmälige Gelegenheit des Emporkommens dem bemittelten Engländer gegenüber in Aussicht stellte.

Und unter diesen beschränkten und einfachen Verhältnissen erbauten sie doch nach und nach kleine Städte und Dörfer, die sie mit deutschen Namen, bisweilen mit denen ihrer verlassenen Heimath, belegten und schufen aus Wäldern, wüsten Stätten die üppigsten Aecker und blühendsten Fluren. Unwillkürlich bewunderten die Engländer den enormen Fleiß und die rastlose Thätigkeit ihrer deutschen Mitcolonisten und fühlten recht wohl – eingedenk dessen, daß der riesige Aufschwung der nordamerikanischen Staaten den wesentlichsten Hebel in der Verbindung deutscher und englischer Kräfte gefunden, – daß auch in Australien nur durch Hülfe der Deutschen und nur ein vereintes Wirken beider Nationen zu einem allseitigen und baldigen Gedeihen der Colonien führen konnte.

Denn während sie selbst der Sprache mächtig und mit den dortigen Verhältnissen vertrauter waren, um durch allseitige Associationen sowie durch Handel und Speculationen ihre mitgebrachten Fonds zu vervielfachen, blieben allerdings den guten braven Deutschen die schweren und mühseligen Arbeiten im Urbarmachen und Cultiviren des Bodens.


  1. Der Verfasser dieser ersten Skizze, welcher bald noch mehre folgen werden, ist sächsischer Arzt und erst vor einigen Wochen aus Australien zurückgekehrt, wo er mehrere Jahre lebte, und wohin er wahrscheinlich auch zurückkehren wird.
    Die Redaktion.
     
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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_487.jpg&oldid=- (Version vom 27.1.2022)