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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

„O, ich kann Alles versprechen, denn dieser Fall wird nicht eintreten;“ rief der Major.

„Sie machen mich erröthen, mein Herr! Sie dehnen Ihre Galanterie bis zu einem Grade aus –“

„Wie Sie ihre Bescheidenheit und Gutherzigkeit, theuere Josephine! Bei meiner Ehre,“ fügte er feurig hinzu und indem er ihre Hand ergriff, „gleicht Philipp’s Frau Ihnen, so soll er sich über mich nicht zu beklagen haben, denn ich finde seine Leidenschaft erklärlich. Und da Sie doch einmal meine Universalerbin sind – denn das Testament spricht nur von einer Frau – so gebe ich Ihnen Vollmacht, die jungen Leute zu bedenken. Aber finden sich Makel, ist sie eine Verschwenderin –“

„Sie selbst sollen urtheilen, mein Herr! Doch sorgen wir zunächst, daß wir die Dame kennen lernen. Und bis dahin bitte ich, jede weiter Feststellung aufzuschieben, denn ich möchte den Tag, der mir auf immer die Achtung und Liebe eines Ehrenmannes sichert, durch einen Akt der Milde und Versöhnung weihen. Ich kann Ihr Vermögen nicht annehmen, bevor ich nicht weiß, daß keine Thräne darum fließt. Dies mag die erste Bitte Ihrer Braut sein –“

„Und ich gewähre sie, obgleich mein Glück verzögert wird!“ rief der Major, indem er ihr einen Ring an den Finger steckte.

„Den meinigen erhalten Sie an dem Tage der Entscheidung, und bis dahin bleiben Sie in Leipzig, damit sich das angeknüpfte Band fester schlinge.“

Der entzückte Liebhaber bat um einen Kuß, und Josephine, tief erröthend gewährte ihn. Man besprach nun die einzuleitenden Schritte, um die Erben zu ermitteln, und über ihren Charakter Forschungen anzustellen. Nach einer halben Stunde schied der Major mit der Versicherung, daß er noch an demselben Tage seinem Correspondenten in Berlin schreiben würde. Kaum hatte er sich entfernt, als Philipp in den Saal stürzte.

„Josephine,“ rief er überwältigt, „jetzt begreife ich Dich! Verzeihe mir, denn ich sündigte gegen Dich, weil ich Dich bis zur Anbetung liebe!“

Sie hing sich an seinen Hals und flüsterte unter Thränen:

„Ich habe Dir nie gezürnt, Philipp, weil ich Dein Herz kenne! Du leistest meinetwegen Verzicht auf das Vermögen Deines Onkels – ich erachtete es für Pflicht, es Dir zu erhalten. Das Geheimniß, das ich bewahrte, war Dein eigenes, und ich würde es preisgegeben haben, hätte ich den Erfolg meines kleinen Kunststücks voraussehen können. Dies wirst Du ohne Zweifel der Eitelkeit zu Gute halten, von der keine Frau frei ist.“

„Wie aber hast Du erfahren, daß ich überhaupt einen Onkel habe, und auf welchem Fuße ich mit ihm stehe?“

„Der Zufall ward zum Verräther Deiner großmüthigen Discretion gegen mich. In meinem Zimmer in Berlin verlorst Du den letzten Brief Deines Onkels, der mir völligen Aufschluß über die obwaltenden Verhältnisse gab. Er kündigte Dir selbst seine bevorstehende Verheirathung an. Da ich wußte, daß es Dir Kummer machen würde, wenn mir das Urtheil Deines Onkels über mich bekannt würde, so verschwieg ich Dir den Fund und verschloß den Brief. Nun machtest Du die Reise, um Dein Gut zu verkaufen. In dieser Zeit wurden mir durch einen Advokaten heimlich Heirathsanträge gemacht, und man beschrieb mir die Person des Majors von Wildau, Deines Onkels. Mein Plan war sofort gefaßt, ich verließ Berlin, um von hier aus mit dem Heirathskandidaten in Correspondence zu treten, meldete Dir meine Ortsveränderung, und suchte Dich zu bewegen, unsere Heirath ferner geheim zu halten. Den Erfolg meiner kleinen List hast Du gesehen – jetzt ist es an Dir zu handeln.“

„Josephine, den letzten Akt des Drama’s werde ich ausführen!“

Nach Tische verließ Philipp seine Gattin.




VII.

Um drei Uhr betrat der junge Mann die Wohnung des Magisters. Elias, der ihn lange nicht gesehen, empfing ihn freudig und führte ihn in das Stübchen des Herrn von Bornstedt. Der Greis colorirte Bilderbücher, eine Arbeit, die ihm der Magister verschafft hatte. Anna war mit Stickereien beschäftigt; erröthend erhob sich das hübsche Mädchen, und begrüßte in dem Gaste den Fürsprecher bei Madame Lindsor. Philipp nahm keinen Anstand, sich zu entdecken; er übergab dem freudig bestürzten Manne die für das Gut erhaltene Kaufsumme in Wechseln und Staatspapieren, und entzog sich rasch dem Danke der weinenden Menschen. Der kleine Magister, der die Unterhaltung belauscht hatte, stand wie eine Salzsäule auf dem Vorsaale. Philipp ging mit ihm in sein Arbeitsstübchen.

„Kennen Sie die Wohnung des Mannes, dem Sie[WS 1] ein Gedicht an Madame Lindsor gefertigt haben?“

„Ja, mein Herr!“ stammelte der bewegte Novellist.

„Ueberbringen Sie ihm diesen Brief.“

„Gern, lieber Herr!“

„Wenn er nach dem Absender fragt, so sagen Sie ihm, er sei ein armer verheiratheter Schriftsteller, und Ihnen befreundet. Durch Sie habe er die Adresse des Herrn Majors von Wildau erfahren. Als Lohn für diesen Weg werde ich Ihnen den Druck Ihrer Novelle besorgen, und ein doppeltes Honorar vermitteln. Antwort bringen Sie mir nur dann, wenn Sie den Adressaten nicht zu Hause getroffen haben.“

Philipp verließ eilig das Haus, daß Elias nicht einmal nach seiner Wohnung fragen konnte. Fünf Minuten später schritt der Magister mit seinem Briefe über die Straße dem Hotel de Bavière zu. Er traf den Major in seinem Zimmer, gab den Brief nach der erhaltenen Vorschrift ab, und entfernte sich wieder. Kaum hatte der Empfänger die wenigen Zeilen gelesen, als er einen Lohndiener kommen und sich von ihm nach der bezeichneten Wohnung Philipp’s führen ließ.

„Das trifft sich gut!“ murmelte er, als er die schmale Treppe hinanstieg. „Der Bursche ist also so verarmt, daß er meine Mildthätigkeit anflehen muß. Die gute Josephine hat sich für ein leichtsinniges Weib verwendet, das ist klar. Wollen sehen, wer die saubere Huldgöttin meines Neffen ist.“

Er traf Philipp in einem einfachen, freundlichen Zimmer. Die gegenseitige Begrüßung läßt sich denken.

„Vortrefflich, Herr von Martern,“ rief der Onkel, „es ist also meine Prophezeihung eingetroffen! Man heirathet eine leichtsinnige Person, um an den Bettelstab zu kommen. Ich hätte Deinen Brief unberücksichtigt lassen sollen; da es mich aber drängt, Deine liebenswürdige[WS 2] Gattin zu sehen – –“

„Sie werden sie kennen lernen,“ sagte Philipp, der vor Aufregung zitterte. „Darum bitte ich, Ihr Urtheil so lange zu verschieben.“

Der Major setzte sich auf einen Stuhl, und betrachtete Philipp mit Inquisitormienen.

„Du kennst meine Offenheit, Philipp,“ begann er nach einer Pause, „und darum theile ich Dir zunächst mit, daß ich nach Leipzig gekommen hin, um mich zu verheirathen. Hieraus ermiß die Ansprüche, die Dir von Rechtswegen an mein Vermögen bleiben. Willst Du Dir mein Wohlwollen erhalten, so verhehle mir nichts. Du hast Dich für Deine Frau ruinirt?“

„Nein!“

„Halt Du gespielt?“

„Auch das nicht!“

„Beim Teufel, was hast Du denn mit Deinem Vermögen angefangen? Lüge nicht, Philipp, es wird Dir nicht gelingen, meine Meinung von Deiner Frau umzugestalten!“ rief aufbrausend der Major.

„Und dennoch muß ich es, lieber Onkel, weil Sie die Wahrheit von mir fordern!“ antwortete ruhig der junge Mann, indem er sich dem Onkel gegenüber niederließ. Ich leugne nicht, daß meine Frau allein die Schuld an meiner gegenwärtigen Lage trägt, und daß ich auf ihre Veranlassung um mein Vermögen gekommen bin.“

„Ah, das wollte ich wissen!“ rief befriedigt der Major „Aber was sind das für Widersprüche?“

„Ein Zufall setzte meine Frau von dem unglücklichen Prozesse in Kenntniß, durch den mein Vater das Gut des Herrn von Bornstedt erhielt.“

„Ja, das war ein Prozeß, der noch heute zum Himmel schreit!“ murmelte der Major. „Gott habe meinen Schwager selig; aber ich schäme mich, wenn ich seiner gedenke!“

„So sprach auch meine Frau, die sich ihres Mannes schämte, weil er wissentlich ein unrechtmäßiges Eigenthum besaß. Sie brachte eine völlige Umwandlung in mir hervor. Fuhr ich in meinem glänzenden Wagen, so fragte mich eine Stimme: gehören

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: sie
  2. Vorlage: liebenswüdige
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_460.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)