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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Am nächsten Morgen ging eine Jagdparthie aus, um das Wildpret zu holen und wo möglich das Canoe über die Strecke des Falles zurück zu tragen. Wir fanden jedoch, daß es so viel Schaden erlitten hatte, daß es den Transport nicht mehr verlohnte. Ich hatte daher noch das Vergnügen, mich mit dem alten Indianer über das Boot abfinden zu müssen, was nicht leicht war, aber nach überstandener Gefahr war das Erlebniß reichlich auch dieses Opfers werth.




Die Geschichte des Bieres.

Cerevisiam bibunt homines,
Animalia cetera fontes.

     Altes Studentenlied.


Weiter und immer weiter dringt aus dem Baierlande König Gambrinus vor. Nach Westen und nach Norden hin wächst sein Reich, und immer wahrer wird die Behauptung, daß, während die romanischen Völker Weintrinker und die slavischen Verehrer des Branntweins sind, der deutschen Nation das Bier beschieden ist, immer dringender damit aber auch die Anforderung, daß man sich über dieses Geschenk der Vorsehung bewußt werde, und dazu beizutragen, ist Bestimmung des nachfolgenden cerevisiologischen Aufsatzes.

Nach dem Wasser, der Milch und dem Weine ist das Bier das älteste und verbreitetste Getränk. Schon die Hieroglyphen der Pyramiden am Nil erzählen von ihm, und selbst die Neger der Goldküste wissen es zu bereiten, indem sie es aus Mais brauen und den Hopfen durch eine bittere Wurzel ersetzen. Ja sogar die alten Mexikaner kannten ein Bier aus Mais, Honig und Aloe. Bier brauten auch die alten Griechen, wenn auch selten. Eigentliches Nationalgetränk jedoch war es nur bei unsern Urvätern, den Bewohnern der nordischen Wälder. Das älteste Bier wurde nur aus Gerstenmalz ohne Zusatz von Hopfen bereitet, und zwar braute jede Haushaltung für sich. Seine Vervollkommnung ist eine der Segnungen, welche wir den Klöstern verdanken. Die eigentliche Bierbrauerei aber bildete sich erst im 14. Jahrhunderte und zwar in den deutschen Städten aus und erlangte erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts den höchsten Grad der Vollkommenheit.

Wie entwickelt die edle Kunst der Bierbereitung damals schon war, zeigt Doctor Heinrich Knaust’s 1575 erschienenes Buch: „Fünf Bücher von der Göttlichen und Edlen Gabe, der Philosophischen, hochtheuren und wunderbaren Kunst Bier zu brauen“ – eine Schrift, von der wir im Folgenden nach Gustav Klemm’s Kulturwissenschaft einen Auszug mittheilen.

Der Verfasser beschreibt zunächst die Art, wie Bier gewonnen wird, und zählt sodann die verschiedenen Sorten der in Deutschland gebrauten Biere auf. Als das beste aller weißen (d. h. Weizen)-Biere, preist er das von Hamburg. „Es giebt,“ sagt er, „gute und gesunde Feuchtigkeit, macht gut Geblüthe, man kriegt auch davon eine schöne Farbe, denn man findet und suchet zu Hamburg täglich nicht allein gar schöne und feine Frauen und Jungfrauen von Farben, sondern auch gar herzliche und wohlgestaltete feine Junggesellen und Männer.“ Man wendete dieses Bier auch als Arzenei an, indem man es mit friesischer Butter gemischt genoß. Doch sagt derselbe Schriftsteller, daß es, im Uebermaß getrunken, schade und das Gesicht verunziere. Andere norddeutsche Weizenbiere waren das Lübecker, „Israel“ genannt, nach Doctor Knaust’s Geschmack nicht so stark als das von Hamburg, aber stark nach Danzig sowie nach Kopenhagen und andern Städten Dänemarks verführt. Das Bier von Stade, fährt der Verfasser fort, ist ebenfalls weniger gut als das hamburgische. Allein die von Stade rühmen dasselbe dennoch und lassen kein fremdes Bier in ihre Stadt. Sie nennen’s aber seiner Natur nach „Kater“; denn „es kratzet wie ein Kater den Menschen, der sein zu viel getrunken hat, des Morgens im Kopfe.“

Ferner gelobt wird dagegen das Bier von Buxtehude und das weiße Bier von Lüneburg, welches den Namen „Benichen“ führte, und „dessen man sich auch gar wohl satt trinken“ konnte. Englisches Bier, das heißt wohl Ale, wurde in den Niederlanden, in Preußen, Schweden und Dänemark fleißig getrunken. In Braunschweig braute man neben der Mumme, von der später zu reden sein wird, auch ein treffliches Weißbier. Dem Weißbiere von Magdeburg hatte man den wunderlichen Namen „Filz“ gegeben. Das Bier der Bergstadt Goslar am Harze heißt gleich wie das Flüßchen, das durch die Stadt fließt, „Gose.“ Doctor Knaust sagt davon, es sei anfangs süß, werde aber später wie das hamburgische weinsäuerlich. Mehrere Orte, von denen das Buch Quedlinburg, Halberstadt, Blankenburg, Aschersleben, Wernigerode und Osterwick lobend namhaft macht, ahmten die Gose nach. Das dörnburger Weißbier, nach Art der Gose gebraut, hatte den Beinamen „Störtenkerl“, d. h. Stürz den Kerl, weil es den, der zu viel trank, niederwarf. „In Hannover, heißt es ferner, „braut man ein köstlich gut Bier von Weizen, „Broihane“ genannt, süßes Geschmacks, starker Substanz und gutes Nutriments, was auch in umliegenden braunschweigischen Landen häufig gebraut wird. Es ist aber ein Broihane, das ist, von wegen seiner Natur so heiß, daß man einen Hahnen darinnen auf Sächsisch broien, auf gut Meißnisch brühen möchte, und glaube, daß es den Namen daher habe. Etliche aber wollen, daß der erste Brauer und Erfinder dieser neuen Bierart also geheißen habe.“[1] Aehnliches Broihane-Bier wurde auch in Hildesheim und in Göttingen gebraut. In Nordheim, Alfeld und Gronau braute man Gose, in Boitzenburg dagegen ein außerordentlich starkes Bier, welches „Bindenkerl“ oder „Bintenkerl“, d. h. beiß den Kerl hieß. In dem Lande zu Polen, versichert Doctor Knaust, hat es auch gar gute Biere und sonderlich weiße oder Weizenbiere, die man des weinigen Geschmacks wegen gern trinkt. Sodann rühmt das Buch das prager Bier, das von Colberg, welches weit versendet wurde, das von Breslau, „Schöps“ genannt, endlich das von Zittau.

Damit haben wir aber erst die Rundschau der im Jahre 1575 beliebten deutschen Weißbiere vollendet. Von den rothen oder Gerstenbieren ist dem Verfasser das von Danzig, „der anderen Prinzessin, die Oberhand und Regierung hat, und deren Hofgesind die andern deutschen Biere sind,“ bekannt. Es hat „eine gute schöne Farbe, guten Geruch, guten Geschmack, gute Substanz und durchaus ein gut Temperament, ist vollkommen, giebt ein gut Nutriment und Nahrung dem menschlichen Leibe, macht gutes Geblüt und gute Farbe. Im Uebermaß genossen aber bringt es rothe Augen, Podagra und Gichtbruch.“ Der Autor lobt dieses Bier aus eigener Erfahrung. Nach dem „Dantzscher“ Biere läßt er das von Elbingen folgen, und als die besten pommerschen Sorten werden das von Stralsund und das von Stettin angeführt. Ferner loben die Pommern sehr das Bier „Pasanelle“, welches in Pasewalk gebraut wird, sowie das von Stargard, Anclam, Greifswald und Demmin. In Mitteldeutschland kennt er als gute „rothe Biere“ das breslauer, das von Bautzen („Klotzmilch“ genannt), das von Görlitz, Cottbuß, Lübben, Lauben, Bischofswerda, Kamenz und Zittau. In Berlin, fährt er fort, wird gutes rothes Märzbier gebraut (der jetzige Lieblingstrank der Philister des Brennpunkts der Intelligenz, das moussirende Weißbier, ist deshalb spätern Ursprungs), desgleichen in Frankfurt a/O. und in Bernau. Von dem Biere von Ruppin sagt der wackere Doctor, daß „ein Mensch davon nicht unlustig, schwach, noch krank werde, es sei vielmehr eine halbe Arzenei, wie etliche Biere mehr sind.“ Als gute Biere dieser Art gelten ihm sodann die von Gardelegen, Soltwebel und Stendal, so wie das von Brandenburg, welches „der Alte Claus“, und das von Angermünde, welches „Kuhschwanz“ hieß. Das Sommer- und Winterbier von Rostock wurde weit nach Norden verschickt. Geringer war das von Wismar und Schwerin, etwas besser das von Güstrow. Das rothe Bier von Lüneburg war geachtet, Bremen braute neben einem guten weißen auch ein geschätztes rothes, und das rothe lübecker Bier wurde weit nach Osten und Westen in fremde Länder verschifft. Besondern Ruhmes endlich


  1. Diese etlichen hatten Recht; denn der Erfinder dieses Bieres, welches noch jetzt in den genannten Städten und außerdem in Halle und Dessau, in Köthen und Blankenburg vorkommt, hieß Conrad Broihan.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_604.jpg&oldid=- (Version vom 27.7.2023)