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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

ebensoviel Chlorcalcium, etwas Chlormagnesium und Spuren von Brom vorkommen. Dieses Wasser gelangt unmittelbar aus den Gruben in einen unterirdischen, überwölbten, mit feuerfesten Ziegeln ausgemauerten, 150 Fuß langen Kanal, in welchen die glühenden Gase mehrerer Koaksbrennöfen eingeleitet werden können. Bis dahin hat man diese Gase, die sich beim Brennen der Koaks aus Steinkohlen in großer Menge entwickeln, frei und unbenutzt in die Luft entweichen lassen. Dabei hat man nicht allein einen großen Verlust an brauchbarer Hitze, sondern zugleich wird auch die Atmosphäre mit schädlichen Gasen erfüllt und förmlich verpestet. Anstatt nun die nützliche Hitze und die schädlichen Gase nach oben entweichen zu lassen, hat Herr Fikentscher seine Koaksöfen so eingerichtet, daß die frei werdenden Gase nach unten in den gemauerten Siedecanal ausströmen müssen und dann erst aus einer hohen Esse entweichen können. In diesem Canale dampft bei so heftiger Gluth das dünne Grubenwasser mit solcher Schnelligkeit ein, daß täglich wenigstens 1000 Centner Wasser in Dampf übergehen, welcher mit den Gasen durch die Esse entfernt wird. In kurzer Zeit ist dann das Wasser concentrirt genug, um in einen Bottich gehoben werden zu können, in welchem man es mit etwas frisch gelöschtem Kalke versetzt. Die aus den Koaksöfen entweichenden glühenden Gase enthalten nämlich stets etwas schweflige Säure und Schwefelsäure, welche von der Salzlauge aufgenommen, aber durch Zusatz von Kalk wieder vollständig entfernt werden. Hat sich die Salzlauge im Bottich geklärt, so läßt man sie klar in eine nahe stehende eiserne Siedepfanne abfließen, welche ebenfalls durch die heißen Gase aus einem Koaksbrennofen geheizt wird. Hier scheidet sich das reine Kochsalz aus, wird herausgeschaufelt und nachdem die Mutterlauge, in welcher das im Grubenwasser vorhandene Chlorcalcium noch gelöst ist, davon abgeflossen, wird es aus den warmen, über dem Abdampfcanal befindlichen Boden zum Trocknen ausgebreitet. Herr Fikentscher gewinnt täglich 10 Centner reines, blendend weißes Kochsalz, welches er ausschließlich wieder in seiner chemischen Fabrik, besonders zur Glaubersalzfabrikation verarbeitet, da es ihm nicht einmal gestattet ist, dasselbe auch zu seinem häuslichen Gebrauche zu verwenden. Die Mutterlauge, welche, wie schon erwähnt, Chlorcalcium enthält, wird ebenfalls noch eingedampft, da das Chlorcalcium auch wieder zu verschiedenen Zwecken benutzt werden kann.




Blätter und Blüthen.


Duell mit einem Vollblut-Bulldogg. Der Vollblut-Bulldogg ist das brutalste und stupideste Thier unter allen Vierfüßlern. Seine zusammengepreßte Stirn, die schweren, herabhängenden Unterkiefern, die blutunterlaufenen Augen, die allein stark ausgebildeten Freß- und Beißwerkzeuge, das alles vereinigt sich zum Ausdruck wüthender, grausamer Brutalität, deren sich die Spanier gegen die Eingebornen Amerika’s bedienten, welche die Negereinfänger in den republikanischen Staaten Amerika’s noch allein cultiviren und nach Stunden, Tagen und Zahl der Thiere dem Sclavenbesitzer, der ihre Dienste miethet, berechnen. Der Vollblut-Bulldogg ist im Uebrigen selten geworden. Sein Hauptgeschäft beschränkt sich sehr auf Dienste „zur Aufrechterhaltung der Republik“ in Amerika, dessen ganzer Süden — d. h. der herrschende Theil — in Zeitungen, Broschüren und von den Kanzeln das neue Evangelium predigt, daß die Republiken nur durch Aufrechterhaltung der Sclaverei und Ausdehnung derselben auf arme Weiße zu halten seien. Der echte Bulldogg ist auch gezähmt keines Menschen Freund und selbst der gütige Herr kann sich nicht auf seine Unterwürfigkeit verlassen. Die grausame Wuth des Bulldoggs ist so blödsinnig und rücksichtslos, daß er zuweilen Alles angreift und zerreißt, was ihm in den Weg kommt. Nur einige Sonderlinge und Kraftmenschen in Amerika halten sich diese Bestie noch echt, aber dann blos an den stärksten Ketten.

So brachte auch unlängst ein englischer Capitain ein echtes Exemplar mit in den Hafen einer amerikanischen Stadt auf der Californienseite drüben, ein so grausames Ungeheuer, daß er Stunden lang von dessen Heldenthaten erzählen konnte, während die Gäste auf seinem Schiffe in ehrerbietiger Entfernung auf den Rasenden starrten, der sich stets beinahe den ganzen Tag in höchster Wuth an seiner riesigen Kette zu ersticken suchte, um loszukommen und sich auf Jeden zu stürzen, der ihm in die Augen fiel. Unter den Neu- und Schauergierigen war auch ein Indianer, seines Gewerbes ein Kunstschütze, der davon lebte, daß er mit Pfeil und Bogen ein hundert Schritt weit ausgestecktes Stück kleinster Kupfermünze abschoß und dafür größere Kupfermünzen einbettelte. Sobald der Bulldog den Indianer in die Augen bekam, raste und wüthete er, wie noch nie, so daß mehrere Zuschauer erblassend zurückwichen. Die Bestie bäumte sich hoch in die Luft und spannte oft die schwere Kette wie eine geradlinige Eisenstange. Dabei hustete und leuchte er erstickend; die blutrothen Augen füllten sich mit dunklerer Wuth und quollen zum Kopfe heraus. Weißer Schaum stürzte aus dem Rachen und ward von den kratzenden und springenden Pfoten umhergespritzt. Der braune, magere Indianer hatte große Freude daran und reizte ihn mit gefletschten Zähnen und verdrehten Augen nach Kräften, so daß selbst der Herr des Hundes, dem diese Scene erst Spaß machte, Besorgniß fühlte, die Bestie möchte sich in ihrer Wuth verzehren oder ersticken. An ein Loskommen war nicht zu denken, da Kette und Halsband mit zwei Pferden probirt worden waren. Der Capitain sagte also dem Indianer, er möge gehen. Dieser gab seinen Spaß ungern auf und erklärte in seinem gebrochenen Englisch, daß er den Hund mit bloßen Händen und Zähnen zur Vernunft bringen wolle, falls er an der Kette bleibe. Das war etwas für den Capitain und Kraftmenschen seiner Art.

„Für fünf Dollars,“ setzte nun der Indianer hinzu.

„Gut, sollst die fünf Dollars haben.“

Das Duell ward sofort arrangirt. Der Hund wurde auf’s Land gebracht und an einen starken Pfosten gebunden. Unzählige Zuschauermassen bildeten einen Kreis, auf welche der Hund ringsum fortwährend zuwüthete. Als aber der Indianer hervorkroch, machte er einen Satz, daß er über sich selbst hinwegstürzte und lange husten mußte, ehe er wieder zu Luft und aus die Beine kam. Der Indianer kroch auf allen Vieren um ihn herum und trieb ihn so im Kreise umher. Manchmal bellte und japste er mit ihm um die Wette und hielt seinen Kopf so dicht an die schäumende Schnauze des Hundes, daß sich beide bis auf ein Haar berührten. Dann hielt er ihm seine nackten Arme hin, daß er sie mit der Zunge erreichen konnte u. s. w. Nachdem die entsetzliche Pantomime so eine Zeit lang gespielt hatte, kauerte sich der Indianer wieder dicht mit dem Kopfe vor die Zähne des wutherschöpften Thieres und faßte dann plötzlich des Hundes Unterlippe mit seinen Zähnen, riß ihn mit sich in die Höhe, schüttelte ihn wie die Katze eine Maus, ließ ihn dann fallen und ging auf ihn zu bis auf den Mittelpunkt. Der Hund heulte fürchterlich, und mit dem Schwanze zwischen den Beinen kauerte er sich zitternd an die äußerste, ihm erreichbare Grenze. Der Indianer faßte ihn an, streichelte ihn, reizte ihn, ohne daß der bestialische Held die geringste Miene machte, den Kampf wieder aufzunehmen. Er zitterte und heulte fort unter der Berührung des Siegers und gab so den dramatischsten Beleg für die Feigheit und Unbeholfenheit des bloßen physischen, thierischen Muthes gegenüber moralischer Kraft und der Strategie der Intelligenz in simpelster, indianischer Form.




Folter in Neapel. Unter diesem Titel brachte auch die Gartenlaube in Nr. 15. einen Bericht und eine Abbildung der „Mütze des Schweigens“ nach einem englischen Blatte. Die englische Presse ist in westlicher Civilisation ganz besonders entrüstet über diese Tortur, welche die Engländer in Indien noch viel grausamer anzuwenden wissen (Vergl. Gartenl. 1855. Nr. 48.). Das Schlimmste aber ist, daß diese „cuffia di silenzio“ eine englische, noch jetzt in englischen Gefängnissen angewendete Erfindung und viel vollkommener ist, als die italienische. Der Oberinspector französischer Gefängnisse, Moreau Christophe, beschreibt diese englische Mütze des Schweigens aus eigener Anschauung in dem Gefänqnisse New Bailey of Salford (Manchester) in seinem 1839 erschienenen Werke über die englischen Gefängnisse u. s. w., und der berühmte französische Gefängniß-Humanitätsreisende Appert beschreibt dieselbe englische Mütze des Schweigens, wie er sie in Old Bailey zu London fand. Die englische Mütze des Schweigens ist vollkommener, grausamer, als die sizilianische. Letztere ist der englischen ganz ähnlich, aber der neapolitanische „Erfinder“ war menschlischer, als die englischen Gesängnißdirectoren, welche diese Mütze mit einem Gebiß anwenden. Dieses Gebiß besteht in einem Stück Eisen, welches in den Mund hinein gestoßen wird und bis zum Gaumen reicht, so daß die Zunge ganz festgedrückt und kein Laut möglich ist. Die Sache ist wohl der Mühe werth, sie in den Werken Moreau Christophes und Appert’s selbst aufzusuchen und die betreffenden Schilderungen zu veröffentlichen. Wer die Grausamkeiten und barbarischen Quälereien in den englischen Gefängnissen recht im Einzelnen ausführlich kennen lernen will, muß das Werk von Mayhew: „Die große Welt Londons“ („The Great World of London“) studiren. Einige Gefängnisse sind wahre Paradiese in Einrichtung, aber andere martern noch heute ihre Opfer thatsächlich zu Tode.




Für Gartenfreunde. Beim Beginn der schönen Jahreszeit, die in großen und kleinen Gärten eine lebhafte Thätigkeit hervorruft und Alt und jung zum Genusse der Gartenfreuden auffordert, glauben wir, die Leser der Gartenlaube auf ein in Lieferungen erscheinendes Werk aufmerksam machen zu müssen, das gleich lehrreich für den schaffenden Gartenkünstler ist, wie für Jeden, der mit Geschmack entweder einen neuen Garten anlegen oder den schon vorhandenen nach den Grundsätzen der Landschaftsgärtnerei sich zu einem genußreichen Aufenthalte in seinen freien Stunden umschaffen will. Es sind dies die bei Friedrich Voigt in Leipzig erschienenen: „Ideen zu kleinen Garten-Anlagen,“ nebst praktischer Anleitung über die Verwendung der Blumen zur Ausschmückung der Gärten, mit Angabe der Höhe, Farbe, Form, Blüthezeit und Cultur derselben. Mit colorirten Garten-Plänen und den nöthigen Erklärungen dazu von R. Siebeck: das Werk empfiehlt sich bei seiner eleganten Ausstattung noch durch den billigen Subscriptionspreis von 20 Ngr. für jede Lieferung von 2 colorirten Plänen und Text.



Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_296.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2022)