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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

der zahmen Hühner. – Die Florekins halten sich in hohem Grase auf natürlichen Wiesen, am Rande von Seen und Teichen auf; deshalb hat ihr Fleisch Aehnlichkeit mit dem der wilden Ente und des Fasans; das Fleisch von Brust und Flügeln ist braun, das der Schenkel weiß, das gesammte Fleisch aber in hohem Grade zart, saftig und schmackhaft, wie man es selten bei anderem Geflügel findet, weshalb man auch gern Jagd darauf macht. Die Höhe des männlichen, bengalischen Florekin ist, wenn er steht, vom Boden bis auf den Rücken vierzehn Zoll und bis zum Kopfe, wenn er ihn aufrecht hält, siebenundzwanzig Zoll.

Waldschnepfen gibt es im südlichen Asien nirgends. Unter den Wasserschnepfen, von denen viele verschiedene Gattungen vorkommen, gibt es namentlich eine Art, welche man die „bemalte“ nennt und welche größer ist, als alle übrigen, und die Waldschnepfe völlig ersetzt. –

Derjenige Theil der Jagdgesellschaft, welcher nicht auf Wildpret schießen oder sich erholen will, vertreibt sich die Zeit mit Fischen, sowohl mit der Angel wie verschiedenen Arten von Netzen; viele Mitglieder der Partie begnügen sich aus Liebhaberei mit der Nachstellung von Hasen, Reihern, Kranichen, Störchen mittelst abgerichteter Falken. Für die Rebhühner und das kleinere Geflügel gebraucht man den Finkenfalken, oder andere kleinere Falkenarten. Einige Damen schließen sich immer der frühen Jagd an, und wenn es gilt, einer beabsichtigten Falkenjagd beizuwohnen, so besteigen sie kleine, äußerst gut abgerichtete Elephanten, die auf ihrem Rücken bequeme, mit Vorhängen und Dach versehene Sitze tragen; manche englische Damen besteigen auch selbst ein Pferd, die größere Zahl der Damen folgt in ihren Palankeen’s, unter deren Dachzelte und Vorhängen die aufgejagten Vögel und kleinen Füchse, gleichwie unter den Bäuchen der Elephanten und Pferde, Schutz und Rettung suchen, wenn sie von Falken oder Hunden gehetzt oder verfolgt werden. Im Allgemeinen aber stehen die Damen nicht so früh auf, um die Jäger schon bei Tagesanbruch zu begleiten, und sie zeigen sich in der Regel erst der Gesellschaft, wenn es Zeit zum Spazierenfahren oder Reiten ist.

Die Waffen, welche bei diesen Jagdpartien gewöhnlich gebraucht werden, sind mehr und mehr die der europäischen, namentlich englischen Jagd geworden. Während vor funfzig Jahren die Spieße und Flinten alter Construction, sowie Reiterpistolen gewöhnlich waren, bediente man sich allmählich der verbesserten Waffen. Man versieht sich mit Jagdflinten, Kugelbüchsen, Sattelpistolen, daneben aber auch noch mit leichten Lanzen, schweren Speeren und Wurfspießen. Jeder Jäger wird von einem Bedienten begleitet, der einen Säbel und einen Karabiner mit Bajonnett trägt, woraus vierlöthige Kugeln geschossen werden, für den Fall, daß man etwa Tigern, Hyänen, Bären oder wilden Büffeln begegnen sollte. Einige der Jagd beiwohnende Damen tragen wie Thalestris oder Hippolyta, im Dianenstyle Bögen und leichte Köcher, um damit kleines Wild zu erlegen.

Die Hunde, welche man zu der Jagd benutzt, sind Wachtel- oder Hühnerhunde, sowie persische und englische Windhunde und grimmige, starke Saufänger.

Die Treibjagd ist immer eine der hervorragendsten Vergnügungen solcher Jagdpartien. Alle Jäger zu Pferde, die Elephanten, die Bedienten, die militairischen Wachen (Seapoys), sowie alle möglichen Bauern, die man aufbieten oder miethen kann, werden in eine große, gerade Linie aufgestellt; in dieser Linie werden in abgemessenen Entfernungen weiße, auf sehr hohen Stangen flatternde Flaggen getragen, als Richt- und Gesichtspunkte, damit kein Theil der Jagdlinie rascher vorschreite, als der andere, und dadurch die gerade Richtung verloren gehe; alsdann rückt die ganze Linie in gleichmäßigem Schritte vorwärts und treibt alles Wild, das sich in diesem Bezirke befindet, vor sich her.

Wenn die Jungle (das hohe Gras) oder das Buschrevier, wodurch der Marsch geht, sich auf eine freie Ebene öffnet, wie es sein soll und vorher wohl ausgemittelt ist, dann gibt es ein äußerst interessantes und lebhaftes Schauspiel, indem man die Menge und die Verschiedenheit der Thiere beobachtet, die nun aufgescheucht aus ihren Verstecken hervorbrechen; einige werden wider ihren Willen herausgetrieben, andere kehren mit Gewalt in das Gebüsch zurück. Während dieser Scene von Unordnung, Flucht und Verwirrung des verschiedenen Wildes wird ein bedeutendes Gemetzel unter ihm durch Jäger und Falconiers gemacht, und die Bauern nebst ihren Kindern fangen die jungen Rebhühner, Hasen, Frischlinge und anderes junges Wild, das sich in das Gebüsch zurückgeflüchtet hat, entweder lebendig, oder schlagen sie mit Stöcken und Zaunpfählen todt.

Es ereignet sich auch wohl, daß die Einwohner eines Dorfes die Herren einer größeren Jagdgesellschaft dringend bitten, einen Tiger zu tödten, der vielleicht schon längere Zeit ihren Bezirk verheert, ihre Heerden und Hirten zerrissen und sie selbst in fortwährender Angst erhalten hat. Obgleich ein solches Unternehmen immer ein kühnes und gefährliches Wagestück ist, das die Zager bei ruhigem Blute ablehnen würden, so schlagen sie es doch bei solchen Gelegenheiten und in der muthigen Stimmung des einmal begonnenen Jagdlebens selten ab. Der Wunsch, sich in Gegenwart des schönen Geschlechts auszuzeichnen, war überhaupt den Engländern stets eigen; die Aufmunterung des Augenblicks und die Gefühle des Mitleids, welche die geängstigten Dorfbewohner anregen, bestimmen gewöhnlich den raschen Entschluß; man rüstet sich zum Kampfe gegen das blutgierige Raubthier, während die zitternden Dorfbewohner sich ferne von der Gefahr halten.

Wenn eine solche Tigerjagd mit Ueberlegung und Vorsicht geführt wird, namentlich von den Seapoy’s eine militairische Unterstützung findet, so wird dieselbe gewöhnlich schnell und glücklich beendigt und die Jäger bringen das erlegte Thier, unter dem Beifalle der Damen und den Dankäußerungen der befreieten Landleute, nach den Zelten, wo es als Trophäe dient; wenn die Jäger aber ihre Geistesgegenwart verlieren, den Kampf übereilen oder unnöthiger Weise verlängern, oder wenn sie mit Unvorsichtigkeit handeln, das erbitterte Thier in Unordnung oder mit Tnmult angreifen, so endet die Begebenheit nicht selten sehr unglücklich, indem der Tiger den Einen oder den Andern ergreift und zerfleischt, und seine Wuth an den Verfolgern nicht eher endigt, bis er entweder erlegt oder in die Flucht gejagt ist. Ich werde nachher noch einige Tigerjagden näher beschreiben. –

Es kommt auch vor, daß die Einwohner eines Dorfes eine in ihrer Nähe lagernde Jagdgesellschaft aufrufen, sie und die Gegend von wilden Büffeln zu befreien, die ihre Felder verwüsten, oder sie bitten, die großen Teiche und Landseen der Gegend von Krokodilen zu reinigen, die ihre Fische verschlingen und auch auf dem Lande Schaden und Schrecken anrichten. Solche Unternehmungen sind bei Weitem nicht so gefährlich, wie die Jagden auf Tiger und werden gewöhnlich von der Jagdgesellschaft gern und glücklich ausgeführt.

Auf solchen Jagdpartien gibt eine Trommel und eine über dem Speisezelte aufgezogene Flagge das Versammlungszeichen für die Gesellschaft, daß die Zeit des Speisens gekommen sei. Ein höchst angenehmes und fröhliches Mahl ist das Frühstück. Die Jäger kehren zurück, frisch, muthig und mit gutem Appetite. Der Anblick der Damen in einfachem und leichtem Morgenanzuge, im weißen, feinsten Mousselingewande mit fliegenden Bändern, und in leicht geordneten Haaren, erfreuet das Auge des heimkehrenden Jägers ebenso sehr, wie alle Arten kalter Speisen nach englischer, französischer, italienischer und holländischer Küche, Fleisch und Fisch, Salate und Früchte, Milch, Kaffee, Thee und Chocolade den Gaumen erfrischen, und eine allgemeine heitere Laune das Mahl und die Stunde angenehm würzt.

Nach eingenommenem Frühstücke werden Fuhrwerke jeder Art vorgeführt, um eine Spazierfahrt zu machen, aber das geschieht nicht nur allein in der Absicht, frische Luft zu genießen, sondern um gemeinschaftlich irgend eine nahe gelegene Natur- oder Kunstmerkwürdigkeit, oder eine Manufactur in Augenschein zu nehmen; gewöhnlich ist das Ziel solcher Lustfahrten eine merkwürdige Stadt in der Nachbarschaft, eine berühmte Pagode oder Moschee, oder Dirga, oder ein Mausoleum, oder irgend ein heiliger Wald, der Aufenthaltsort von Fakiren, oder die Spitze rauher Klippen, die über See oder Fluß hängen und eine reizende Aussicht gewähren.

Nach Beendigung solcher Lustfahrten werden die noch übrigen Stunden bis zu einem frühen Mittagessen auf verschiedene Weise, nach Laune und Belieben angewandt; Einige von der Gesellschaft spielen Fangball, Andere zielen nach Wurfscheiben, wieder Andere üben sich im Springen oder Fechten, lassen ihre Pferde wettrennen, schießen nach vorgesteckten Zielen, oder schwimmen in nahen, von Wald und Feld versteckten Gewässern. Wieder andere der Gesellschaft suchen eine große Freude darin, kleinere Thiere, namentlich Vögel, Fische, Schlangen etc. lebendig zu fangen, zu welchem Zwecke sie eine große Mannichfaltigkeit von Geräthschaften bei sich führen,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 447. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_447.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)