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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

No. 33. 1857.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen.   Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


In guter und böser Zeit.
Dorfgeschichte aus Franken von H. Nordheim.
(Schluß.)

„Ich weiß nicht, wie’s zugegangen ist, aber wie sie aufgehört hatte, schon lang’, lief mir das Wasser immer noch die Backen herunter, daß meine Hände und meine Kappe pudel-patsch-naß waren. Das ist gut, wenn einem in der innerlichen Brunnenstube einmal das Wasser bis an den Hals steigt. Nichts macht den Menschen so rein, als so eine Wäsche mit Salzwasser. Ich meine damit aber nicht die Sorte, die wie die Muscheln immer im Salzwasser liegen; die werden nur fett oder hart davon, aber nicht gesund. Mir war der Anne ihr Salzwasser gesund. Ich konnte mich nicht von der Stelle rühren und vergaß Alles um mich her. Nur an eins mußte ich denken, und das waren in meinen Gedanken die Ricke und die Anne neben einander; die Eine, wie sie half den Tempel Gottes schänden, die Andere, wie sie in einer elenden Bauernstube den Tempel Gottes aufbaute. Ich stand und stand, da war die Stubenthür schon eine ganze Weile aufgegangen, ehe ich’s merkte; meine Eltern standen vor mir und hinter ihnen die Anne. Mein Vater hatte schon lang’ gesagt, er könnte die Ricke nimmer ersehn, aber ich hatte immer noch nicht von ihr lassen können, wenn ich mir’s auch sagen mußte, daß sie in Grund und Boden hinein nichts taugte.“

„Habt Ihr denn aber,“ fragte der Pfarrer, „nicht schon früher gemerkt, daß nichts an ihr war?“

„Ach, Herr Pfarr, merkt denn Einer so was, wenn er sein Herz und sein Bißle Vernunft nur in seine verliebten Augen gelegt hat? Die Ricke war eine Blitzhexe und wenn nicht endlich der Spielsatan verrathen hätte, was hinter der schönen Fratze steckte, so wär’ ich in’s Unglück hinein gerennt. Es geht Manchem nicht anders. Ich ging aber von da an nimmer zu ihr und Abends, wenn das Gebet läutete, rannte ich heim. Die ersten Male traute ich mich nicht in die Stube zu treten, ich blieb davor stehen; aber endlich ging ich dazu und zuletzt war mir’s, als könnte ich keine Ruh’ finden, wenn ich nicht den Spruch gehört hatte.

„Wie’s die Ricke merkte, daß ich im Ernst von ihr blieb, machte sie sich noch mehr mit dem Wehner zu schaffen und der war froh. Er dachte, ich wäre ein rechter Narr, daß ich das Glückskind aufgab, und griff mit allen Händen zu. Sie waren bald einig; ich war ihr schon lang nimmer recht, weil ich nicht in ihr Horn blies. Sie hat ein paar Jahre darauf den Wehner genommen, und sie sind nach Waldeck gezogen, dort hatte er sein Gütle. Sie hatten noch lang Glück im Spiel; aber mit Eins schlug’s um; wie sie erst gewonnen hatten, so verloren sie nun. Je mehr sie aber verloren, je toller spielten sie. So geht’s immer, man denkt, man müßte, was verloren ist, wieder gewinnen. Wie die Alten hier kurz nach einander starben, war schon das hiesige Hab und Gut zum Guckuck. So ging’s auch bald in Waldeck. So trieben allerhand anrüchiges Gewerbe – und heute – hat sich nun der Wehner davon gemacht.“

„Haben denn die Kirchenschänder ihre Strafe bekommen?“ fragte der Pfarrer.

„Ja wohl, haben sie das, nur der Wehner wischte durch; es ging wie immer, die Kleinen hängt man und die Großen läßt man laufen. Nun, es ist ihm doch zu Haus und Hof gekommen, wir haben’s ja gehört. Er log sich damals heraus; die Andern kamen auf zwei Jahre in’s Zuchthaus.“

„Nun, Valt, müßt Ihr mir aber auch noch erzählen, wie Ihr endlich mit der Anne zusammen gekommen seid.“

„Ja, Herr Pfarr, das soll ein Wort sein, aber heut nicht, ich bin müd’; die alten Zeiten haben mich ordentlich wirbelig im Kopf gemacht; aber morgen erzähl ich’s Ihnen, und der Martin soll die Kätter dazu holen; weil sie doch in’s Haus kommt, so soll sie auch wissen, wie’s die Alte vor ihr gemacht hat.“

Es wurde so fest gemacht, und der Pfarrer ging heim. Wie er am Sonntag Abend wieder kam, war die Kätter da. Sie und der Martin hatten sich gern, aber ihr Vater wollte nicht eher leiden, daß sie ihn nähme, bis er sein sechsundzwanzigstes Jahr hinter sich hätte, weil da sein Vater und auch sein Großvater schon blind geworden waren. Der Martin hatte aber sein Lebtag nichts an den Augen gehabt, und es war eigentlich närrisch vom Claus, denn sonst hatte er nichts gegen ihn. Die Kätter hatte den Martin so gern, daß sie keinen andern genommen hätte; er war erst fünfundzwanzig, sie erst zwanzig Jahre alt, da konnten sie dem Vater seinen Willen thun.

Wie die Valt’s am Sonntag zu Nacht gegessen, sagte der Veit zur Anne:

„Nu, Mutter, nun fang’ ich an, über Dich zu schimpfen, willst Du nicht wieder die Thür hinter Dir lassen?“

„Ich werd’ mich hüten,“ sagte die Frau und lachte, „ich mein’s zu gut mit mir.“

„Nun, Herr Pfarr, so will ich’s Ihnen erzählen: Ehr ich mich’s versah, ich weiß selber nicht, wenn’s zuerst angefangen hat, war ich närrisch in meine Alte da verschossen, und ich war der ordentlichste Bursche im Dorfe geworden, denn – ich blieb immer daheim. Bei ihr ging’s nicht so hurtig, es sah wenigstens so aus. Aber wie ich sie einmal Abends in den Stall hatte gehen sehen, um die Küh’ zu melken, ging ich ihr nach. Der eine Eimer war

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 450. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_449.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)