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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Streifereien in Nord- und Südamerika.
Aus den Tagebüchern eines früheren schleswig-holsteinischen Hauptmanns.
Mitgetheilt von Julius v. Wickede.
IV.
Der Verkehr mit Indianern. – Wie man in Californien arbeiten muß. – Lebensweise auf der Reise. – Ueberfall eines Bären. – Guter Verdienst. – Abreise nach Chili. –

Es ist bei den Yankees Mode, den größten Theil der in Californien begangenen Raubanfälle und Mordthaten den Indianern aufzubürden, meiner Ansicht nach aber mit großem Unrecht. Ich bin sehr häufig auf meinen Reisen größeren und kleineren Indianer-Trupps begegnet, habe wiederholt allein, als auch mit meinen Leuten in der Nähe derselben geschlafen und niemals ist mir die mindeste Unannehmlichkeit von ihnen geschehen. Im Gegentheil, ich fand größtentheils ehrliche, offene Burschen, die große Gefälligkeit und Uneigennützigkeit zeigten – in Californien sonst leider nur zu seltene Eigenschaften – unter diesen Indianern, und dieselben sind mir stets ungleich lieber gewesen, wie diese Yankees oder gar Mexicaner. Schade nur, daß man die Indianer niemals an langanhaltende regelmäßige Arbeiten gewöhnen kann und dieselben daher als Gehülfen bei meinem Geschäft unbrauchbar sind. Wiederholt habe ich es versucht, Indianer als Mauleseltreiber in meine Dienste zu nehmen, aber es ging nicht, ich mußte stets zu den Mexicanern zurückkehren. Hatte sich dagegen ein Maulesel oder Pferd verlaufen, so waren sie vortrefflich zum Wiedereinfangen desselben zu gebrauchen und liefen für einen Dollar Belohnung den ganzen Tag umher, um den Flüchtling zu suchen. Auch zum Treiben der Rinderheerden sind dieselben gut zu gebrauchen. So hatte ich einst in Sacramento 150 Stück halbwilde Rinder gekauft, um dieselben nach Danielville treiben zu lassen, und zu diesem Geschäft zehn Indianer angenommen, die für jedes Rind, was glücklich in Danielville ankam, einen Dollar Belohnung erhielten. In neun Tagen trieben sie die Thiere dahin und kein einziges derselben ging verloren, obgleich der Weg durch die Felsenschluchten theilweise sehr gefährlich war. Ich verdiente bei diesem Handel an 3000 Dollars, verlor aber bei der nächsten Trift über 2000 Dollars wieder, da die Thiere von einem Schneesturme überrascht wurden und fast sämmtlich dabei zu Grunde gingen. Auch Maulesel verunglückten oft, indem sie in den stillen Schluchten Fehltritte machten und in den Abgrund stürzten oder auf andere Weise verloren gingen. Wären alle dergleichen Unglücksfälle, die häufig vorkamen, nicht gewesen, hätte ich bei meinem Transportgeschäft oft in einem Monate mehrere tausend Dollars reinen Gewinn haben können. So ging freilich ein guter Theil des Verdienstes wieder fort, doch hatte ich noch immer ansehnlichen Gewinn und konnte in rein pekuniärer Hinsicht schon zufrieden sein. Manchen verarmten Goldgräbern, die sich in ihren Erwartungen getäuscht sahen, habe ich übrigens nach besten Kräften geholfen und häufig einen Beutel mit 25 Pfund Mehl, oder Pökelfleisch, oder eine Flasche Branntwein gegeben, wenn ich auch wußte, daß ich nie eine Bezahlung dafür erhielt. Doch hatte ich es mir zum festen Grundsatz gemacht, nur Deutsche zu unterstützen und mich um Fremde, und besonders um Yankees, niemals zu bekümmern. Allen Armen konnte ich doch mit dem besten Willen nicht helfen, und so war ich der Ansicht, daß die Deutschen, und besonders die Schleswig-Holsteiner, wohl mehr Anrecht auf meine Hülfe hätten, wie diese Yankees, die bei jeder Gelegenheit nur die Deutschen verhöhnen und zu betrügen suchen. Den persönlichen Verkehr mit allen Deutschen vermied ich aber, so viel ich konnte, und ließ meine Unterstützungen stets durch Hansen vertheilen. Zum geselligen Umgang suchte ich mir womöglich die Franzosen und die Spanier auf, denn Erstere waren die lustigsten, Letztere aber die äußerlich anständigsten, und man ward auch am wenigsten durch rohe Sitten von ihnen beleidigt. Uebrigens hatte ich wenig Zeit, geselligen Umgang zu pflegen, denn mein Geschäft nahm mich sehr in Anspruch und ließ mir Tag und Nacht keine Ruhe.

Ich habe in Californien wirklich viel gearbeitet und alle meine Kräfte auf das Aeußerste angestrengt, dies Zeugniß muß ich mir selbst geben. Fünf Tage in der Woche war ich durchschnittlich fast auf der Reise und dann vom frühen Morgen bis Abends spät im Sattel, während ich die Nächte abwechselnd mit meinen beiden deutschen Gehülfen, die Büchse im Arm, den Revolver im Gürtel, Wache hielt, da ich weder vor meinen eigenen mexikanischen Treibern, noch vor den fremden Wegelagerern sicher war. Die Tage, die ich nicht mit dem Transport auf dem Wege verbrachte, mußte ich mich mit dem Einkaufen der Lebensmittel und sonstigen Waaren und der Aufsicht beim Auf- und Abladen der Packthiere, wobei ich selbst häufig mit Hand anlegte, herumplagen. Diese Tage in den Städten, bisweilen in Sacramento, häufiger aber, besonders in der letzten Zeit, in Marysville, wo ich die Waaren einkaufte, waren mir stets die unangenehmsten. Dies stete Handeln und Feilschen, dies ewige Aufpassen, um nicht betrogen zu werden, ekelte mich an und doch war es dringend nothwendig, wenn ich bei meinem Geschäfte Gewinn und keinen Verlust haben wollte. Am wohlsten war mir stets, wenn ich meine Einkäufe gemacht, meine Maulesel sämmtlich beladen hatte und mich auf meinem muthigen Hengste an der Spitze meines Zuges, auf der freien Prairie, welche vor den Gebirgen liegt, befand – sobald das Wetter nicht zu schlecht war. Hatte man aber in den Ebenen unaufhörliches Regenwetter, was dann im Gebirge sich schon mitunter in Schneegestöber verwandelte, dann war so eine fünftägige unausgesetzte Reise, bei der man nie unter Dach und Fach kam und stets im Freien bivouakiren mußte, wirklich ungemein anstrengend, besonders wenn sich dies Vergnügen Woche für Woche immer und immer wiederholte. In einem ordentlichen Bette habe ich während der sechzehn Monate, die ich in Californien war, nur die letzten fünf Nächte vor meiner Abreise geschlafen, außerdem sonst regelmäßig unter Gottes freiem Himmel auf dem bloßen Erdboden, oder in einem Stalle mit den Maulthieren und Pferden, oder in einem Zelte oder einer kleinen Erdhütte, wie es nun eben kam, zugebracht. Ich war dies Schlafen auf dem Erdboden, den Sattel als Kopfkissen, und dann, je nachdem es regnete oder kalt war, eine oder zwei große dicke Wollendecken zum Einwickeln, schon so gewöhnt, daß ich die ersten zwei Nächte gar nicht wieder in einem Bette schlafen konnte, so beengt kam es mir in demselben vor. Dank sei es der harten Jugenderziehung, die mir mein seliger Vater, dieser alte Soldat Friedrich des Großen, gegeben hat; ich bin, seitdem ich mich in Europa einschiffte, noch nicht einen Tag innerlich krank gewesen und habe mich bei allen Strapatzen und Entbehrungen körperlich wohl befunden. Uebrigens aß und trank ich stets gut und viel, und wenn ich auch jede Unmäßigkeit vermied, so ließ ich mir doch sonst nichts abgehen.

Die Lebensweise, wenn wir uns auf der Reise befanden, war folgende. Mit dem Frühmorgen wurde aufgestanden und die Maulesel, die mit gefesselten Beinen, damit sie sich nicht verlaufen konnten, in der Nähe weideten, eingefangen und beladen, was stets eine langwierige Arbeit war, da auf ein gutes Laden und Verpackung sehr viel ankommt. Während wir uns nun hiermit beschäftigten, bereitete einer meiner deutschen Gehülfen, gewöhnlich der frühere preußische Soldat, der die meiste Kochgeschicklichkeit besaß, an den Kohlen unseres Bivouakfeuers unser erstes Frühstück. Dies bestand aus sehr starkem Kaffee, der immer in reichlicher Quantität, aber auch ohne Milch und Zucker getrunken wurde, warmem Maiskuchen und frisch in der Pfanne gebratenem Speck. Gegen sechs Uhr Morgens setzte sich dann der Zug in Bewegung und es wurde bis gegen elf Uhr ohne Unterbrechung die Reise fortgesetzt. Voran ich auf meinem Rosse, ein anderes Pferd, was bei der Rückreise mit Goldstaub oder Goldkörnern, bei der Zureise in die Minen mit anderen, besonders werthvollen Waaren, namentlich auch feinen Weinen, Liqueuren u. s. w. beladen war, an der Hand führend. Meinem Rosse folgte der Zug der Maulesel, gewöhnlich zwischen zwölf bis zwanzig an der Zahl; bei je vier Thieren immer ein mexikanischer Treiber und zuletzt meine beiden deutschen Gehülfen, die auch noch einen bis zwei Maulesel, welche mit unserem Proviant, den Kochgeräthschaften, Decken u. s. w. beladen und auch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_491.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)