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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Sobald er sich jedoch körperlich erst ganz wieder erholt hatte, widmete er sich mit der ihm eigenen Kraft und Ausdauer seinem neuen Beruf, sehnte sich aber zugleich nach einem Familienleben, wie er es in früheren Jahren zu Lebzeiten der Eltern in den Räumen seines Schlosses lieb gewonnen hatte. Bald kehrte er auch von einer Reise nach Stuttgart als glücklicher Ehegatte zurück, nachdem er mit Freifräulein Charlotte von Seckendorf ehelich verbunden worden war. Die beiden Eltern wurden durch die Geburt von zwölf Kindern, von denen gegenwärtig noch zehn leben, erfreut und lebten glücklich und zufrieden in ländlicher Abgeschiedenheit auf ihrer Burg.

Einem strebsamen und wissenschaftlich gebildeten Manne, wie Aufsess, konnte es nicht genügen, seine Zeit blos mit der äußeren Verwaltung des Gutes auszufüllen; sobald es sich unter seiner Leitung wieder gehoben hatte und jene Mängel beseitigt waren, die er bei der Uebernahme vorgefunden hatte, setzte er die in früheren Jahren mit Liebe getriebenen juristischen Studien wieder fort und erwarb sich namentlich durch einige gediegene Abhandlungen auf dem Gebiete des Lehn- und Kirchenrechts die Anerkennung der Fachmänner.

War auch Freiherr von Aufsess im Laufe des Tages durch geschäftliche Angelegenheiten in Anspruch genommen, so saß er doch gewiß schon während der frühesten Morgenstunden und Abends beim Scheine der Lampe im Studirzimmer vor seinen Büchern. Die deutsche Rechts- und Adelsgeschichte studirte er mit Gründlichkeit, ordnete sein reichhaltiges Hausarchiv und ließ, nachdem er dasselbe durch Urkunden und Actenauszüge ergänzt hatte, seine Familiengeschichte im Druck erscheinen. Die zu diesem Zwecke in verschiedenen Staats- und Privatarchiven angestellten Forschungen leiteten Aufsess zunächst darauf hin, auch fremde, von ihm mit Schwierigkeit benutzte Quellen nach einem bestimmten System geordnet zu sehen.

In natürlicher Consequenz entwickelte sich hieraus bei ihm die Idee, daß das Material, was er für sich zum Studium ordnete und vorbereitete, anderen Gelehrten ebenfalls dienlich sein könne, und daß ein Austausch dieser geistigen Arbeitsapparate von unvergänglichem Vortheil für spätere Forscher sein müsse. Sein Plan zur Gründung einer großartigen Anstalt, welche das gesammte Quellenmaterial der deutschen Geschichte vereinigen und in Originalen wie Copieen sammeln solle, fand auf diese Weise die erste Anregung. Er erkannte zwar sehr wohl die enormen Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens, wurde aber durch die vom König Ludwig an ihn gerichtete Aufforderung zur Gründung eines deutschen Museums ermuthigt, Schritte zur Ausführung dieses Planes zu thun. Daß sich derselbe im Laufe der dreißiger Jahre nicht vollständig realisiren ließ, wurde bereits früher mitgetheilt. Aufsess kehrte nach längerem Aufenthalte von Nürnberg wieder auf sein Gut zurück, lebte mehrfach als Landtagsabgeordneter in München und betheiligte sich außerdem mit Interesse an allen Versammlungen deutscher Geschichtsforscher. Hierdurch trat er mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten, von denen er später eine Unterstützung seines Projectes erwarten durfte, in schriftlichen und mündlichen Verkehr.

Waren auch die Bewegungen des Jahres 1848 der Erfüllung seiner Wünsche in jeder Hinsicht entgegen, so schritt er doch sicher, wenn auch langsam, auf der betretenen Bahn vorwärts, um endlich im Jahre 1852 auf der Versammlung zu Dresden das zu erreichen, was er seit 22 Jahren mit Ausdauer angestrebt hatte. Unter dem Vorsitze eines deutschen Fürsten war nunmehr der definitive Beschluß zur Gründung eines Germanischen Museums gefaßt worden. Daß eine solche Anstalt nach vielem Ringen und Kämpfen in’s Leben trat, dazu hatte es eines Mannes, wie Aufsess, bedurft, der, ohne zu den Reichen des Landes zu gehören und trotz einer zahlreichen Familie, Kraft, Zeit und einen beträchtlichen Theil seines Vermögens einer großen Idee geopfert hatte.

Die patriotischen Gefühle, die einen einzelnen Mann gehoben und getragen haben, ein weitgreifendes Unternehmen zum Besten der deutschen Nation in’s Leben zu rufen, sie mußten von Seiten der Fürsten und des Volkes die rechte Würdigung und Unterstützung finden. In wie weit das Germanische Museum solche verdient hat, davon wird sich Jeder am besten überzeugen, der beim Besuche der alten ehrwürdigen Noris seine Schritte auch nach dem Karthäuserkloster lenkt, um hier die Schöpfungen des Museums persönlich in Augenschein zu nehmen.

Freiherr von Aufsess hat noch eine große Aufgabe zu lösen, er hat sie mit Geschick begonnen und wird auch den Bau des Ehrendenkmals der deutschen Nation glücklich weiterführen, wenn ihm ferner die Hülfe zu Theil wird, wie man sie mit Recht von dem deutschen Volke erwarten kann.

Möchten daher recht viele deutsche Stammesgenossen, deren Herzen von patriotischen Gefühlen erfüllt sind, dem Germanischen Museum ein Scherflein zuwenden und dadurch das Bewußtsein gewinnen, wenigstens nach besten Kräften ein Unternehmen gefördert zu haben, das von der Mit- und Nachwelt als ein schönes Zeugniß von Deutschlands geistiger Kraft und Größe anerkannt werden muß. –




Berliner Polizei.

(Fortsetzung.)


III.

„Ich bleibe doch dabei, meine Gemahlin,“ sagte der Baron von Goddentov zu seiner Gemahlin, „daß der Graf Schimmel mir nicht Uhr und Börse gestohlen hat.“

„Wie könnte ein Graf ein Dieb sein, lieber Baron?“

„Richtig, und ich glaube, zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß am Ende die Polizei in Berlin nicht klüger ist, als die Berliner Diebe. Wie hätte sonst jener Polizeihauptmann – ? – Aber mein Gott, Verehrteste, was fällt mir da ein?“

„Was fällt Dir ein?“

„Wenn dieser Polizeihauptmann selbst ein Dieb, wenn er doch der Dieb meiner Sachen gewesen wäre!“

„Aber, mein theurer Gemahl, bedenke, alle diese Gensd’armen, Schutzmänner und so weiter gehorchten ihm.“

„Das können lauter verkleidete Spitzbuben gewesen sein.“

„Aber diese Frechheit, mein theurer Baron, wäre zu groß.“

„Ja, ja, eben frech sind die Berliner Diebe! Und ich möchte beinahe darauf schwören! Wir lassen uns kein X für ein U vormachen. Der Mensch war in unserer Nähe. Du selbst warntest mich vor seinen Spitzbubenaugen. Wir waren im dichtesten Gedränge. Alle jene Helfershelfer waren um ihn!“ Er ließ diesen neuen Gedanken nicht fahren. „Ich werde morgen mit dem Polizeipräsidenten darüber sprechen,“ fuhr er fort. „Fahren wir jetzt aus, uns die Stadt zu besehen, ob es denn wirklich der Mühe werth ist, von diesem Berlin so viel Wesen zu machen. Stolpe und Cöslin sind schöne Städte!“

Der Baron und die Baronin von Goddentov waren des Morgens um elf Uhr in Berlin eingetroffen. Sie waren im Gasthofe zur Stadt Rom unter den Linden abgestiegen. Das britische Hotel war damals noch nicht Mode für die Hinterpommern in Berlin. Da sie längere Zeit in der Residenz sich aufhalten wollten, so hatten sie gleich nach ihrer Ankunft einem Commissionair den Auftrag gegeben, ein Quartier für sie zu miethen.

„Nur nicht zu ebener Erde,“ hatte der Baron ihm empfohlen; „denn die Berliner Diebe sind sehr frech und könnten da zu einem einsteigen. Aber auch nicht zwei Treppen hoch; das wäre nicht nobel.“

Der Commissionair hatte ihm ein schönes Quartier, Bel-Etage, am Gensd’armenmarkte besorgt. Der Baron und seine Gemahlin hatten es besichtigt; es hatte ihnen gefallen und sie hatten sofort Besitz davon genommen. Sie waren dann zu dem Gasthofe zurückgekehrt, hatten dem Bedienten und der Kammerjungfer den Befehl ertheilt, die Sachen in das neue Quartier zu schaffen, sich dabei aber ja vor den frechen Berliner Dieben zu hüten, und fuhren nun mit einem Lohnbedienten aus, um sich die Stadt zu besehen.

Der Bediente und die Kammerjungfer schafften die Sachen in das neue Quartier. Sie hatten zwei Droschken dazu nöthig.

Mamsell Justine, die Kammerjungfer, war hager, häßlich, schon einige dreißig Jahre alt, und keifte und commandirte; der Bediente, Monsieur Joachim, hatte grobe Knochen, war fett und träge und gehorchte, aber schläfrig; Alles, wie es in einem Hause von gutem Adel in Hinterpommern sein muß.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_110.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2023)