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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Namen, wie auch jede anders geformt ist, damit ja keine Verwechselung stattfinden kann, was die Schiffer nur irre führen und die Strandungen, anstatt sie zu verhindern, befördern würde. So gibt es an und innerhalb der gegen fünf Meilen breiten Elbmündung die Kugel- oder Strengenflü-Baake, die Norder- und Ostbaake und die Scharhörnbaake auf dem großen gefahrvollen Sande Scharhörn, welcher von der kleinen Insel Neuwerk sich weit in die Nordsee hinaus erstreckt. Die Wesermündung wird durch die Jungfernbaake, die drei Baaken und die große Bremer Baake auf dem hohen Wege markirt.

Alle diese Zeichen müssen dem ansegelnden Schiffer in einer gewissen, stets sehr genau angegebenen und jedem Seemann bekannten Stellung erscheinen, wenn er einen ebenfalls bestimmten Punkt auf See erreicht hat, der sich durch nautische Instrumente und seemännische Berechnungen mit Hülfe des Compasses und vorgenommener Peilungen[1] unschwer bestimmen läßt. Nach diesen Stellungen der Seemarken hat der ansegelnde Schiffer zu steuern, um das sichere Fahrwasser aufzufinden. Bei Nebelwetter sind diese Marken natürlich nicht zu erkennen, und es bleibt dann dem Schiffer nichts übrig, als Anker zu werfen, vorausgesetzt, daß die Gegend des Meeres, wo er sich befindet, und die Beschaffenheit des Windes dies gestattet, oder, was nicht selten vorkommt, die Nähe der gefahrvollen Küste zu verlassen und wieder die hohe See zu suchen, wo die größere Tiefe des Meeres ihm das Segeln erleichtert.

Schwieriger als am Tage ist das Einlaufen großer Schiffe in schwer zu passirenden Fahrrinnen in der Nacht. Zu möglichster Erleichterung der Schifffahrt hat man deshalb an allen Küsten, und namentlich an und in den Mündungen großer, stark befahrener Ströme die Leuchtfeuer erfunden.

In früheren Zeiten behalf man sich häufig durch das Anzünden wirklicher Feuer, die in hohen Lohen auf besonders dazu errichtetem Mauerwerk aufschlugen, und so den Seefahrern theils als Warnungszeichen, theils als Leitsterne dienten. Die fortgeschrittene Wissenschaft erfand zweckmäßigere Einrichtungen, erbaute hochragende feste Leuchtthürme, und unterhielt auf deren Höhen in eigenthümlich construirten Laternen während des Nachts fortdauernd brennende Lichter. Neuerdings hat man auch diese vielfach verbessert und dadurch eine Erleuchtung der Gestade des Meeres erzielt, die sich vollkommener kaum denken läßt, wenn die Zahl der aufgestellten Leuchtthürme überhaupt groß genug ist, was freilich von den Nordseeküsten noch nicht behauptet werden kann.

Einer der am vollkommensten eingerichteten Leuchtthürme innerhalb der Gewässer, welche die deutschen Küsten bespülen, ist unbedingt der Bremer Leuchtthurm, in dessen Laterne zuerst seit December 1856 die weithin strahlenden Lampen angezündet wurden.

(Schluß folgt.)




Berliner Bilder.

Von E. Kossak.
3. Der Mann mit der schwarzen Mappe.

Wer aus dieser allerdings sehr unheimlichen Überschrift auf eine bösartige Geschichte von räthselhaften und geheimnißvollen Menschen, etwa im Style der Novelle vom Manne mit der eisernen Maske, schließt und sich vorsorglich in seinem Lehnstuhle zurechtsetzt, bereit, die nach und nach auftauchenden Schaudergefühle zu genießen, dem rathen wir, das Blatt aus der Hand zu legen, da wir weit davon entfernt sind, thörichte Hoffnungen täuschen zu wollen. Die Geschichte vom Manne mit der schwarzen Mappe streift nicht im mindesten an geschichtliche Probleme und Criminalgeschichten, sie paßt nicht in das berühmte Buch von den zweifelhaften Menschen, nicht in den neuen Pitaval; sie ist eine einfache, etwas constitutionelle Skizze. Aber wenn sie nicht den Vorzug besitzt, haarsträubend und schauderhaft zu sein, so erwirbt sie sich vielleicht einen kleineren Kreis von Freunden durch die harmlose Eigenschaft, einige Komik zu entwickeln und in der Gegenwart zu spielen.

Es ist noch nicht allzulange her, daß in dem Königreiche Preußen ein sehr hartes Regiment herrschte. Namentlich waren über die Spree-Athener so strenge Vögte gesetzt, wie sie nur das erste Capitel des zweiten Buches Mose in der Charakteristik der egyptischen Zustände und der Epigonen Joseph’s schildert. In dieser Zeit lebte in Berlin ein Mann, der nichts war, aber Geld und mithin die nöthige Muße besaß, sich vom Morgen bis in die sinkende Nacht mit Murren zu beschäftigen und über die mögliche Verbesserung der staatlichen Sachlage nachzudenken. Als Rentier und Hausbesitzer war er nicht unbekannt mit den schweren Pflichten der Herrschaft, und allmählich reifte in ihm die Ueberzeugung, daß am Ende auch der Staat nur ein höher organisirtes Hauswesen sei, und ein begabter Mann, der mit Berliner Miethern fertig werde, durch Uebung wohl dahin kommen könne, auch die Insassen der verschiedenen Stockwerke einer Monarchie in Ordnung zu halten, sie zur pünktlichen Zahlung der vierteljährigen Steuern zu veranlassen und an die Hausordnung zu gewöhnen.

So trug es sich zu, daß in ihm jene schreckliche Krankheit entstand, welche nur von den kräftigsten Naturen ohne den Ruin der gesammten Persönlichkeit überstanden wird; er verfiel in einen schweren chronischen politischen Ehrgeiz. Allerdings war es leichter, auf dem Exercirplatze vor dem Halleschen Thore zu ertrinken, als unter dem Ministero Manteuffel diese wilde Leidenschaft zu befriedigen, allein der politische Ehrgeiz wuchert, wie die Liebe, um so höher empor, je weniger zärtliche Pflege Beide empfangen und je ärger sie von den Gegenständen ihres Verlangens mißhandelt werden.

Herr Müller, diesen etwas ungewöhnlichen Namen trägt der merkwürdige Mann, von dem wir reden, überlegte lange, welche Wege er einschlagen solle, um sich den zeitigen Machthabern angenehm zu machen, und durch dieses nicht seltene Verfahren vielleicht ein General-Consulat oder eine bequeme Stelle in dem Ministerium zu erlangen, im glücklichen Falle auch wohl zu einem Ordensbande zu kommen. Etwas Ungewöhnliches mußte es sein, was aus dem Gehirn dieses seltenen Mannes hervorging, und er verbrauchte eine beträchtliche Anzahl seiner Lebenstage, um die Menge seiner Ideen zu ordnen und zu Papier zu bringen. Lange schwankte er zwischen zwei Projecten, welche er für besonders annehmbar in den Augen einer starken Regierung hielt. Das eine bestand in einem Auswanderungsentwurf gewaltsamer Art für alle der Demokratie verdächtigen Personen, nach gewissen, von allen Bequemlichkeiten und verdaulichen Nahrungsmitteln entblößten Ostseebädern, das andere in einem kühnen Plane zur Anwerbung einer geheimen Schutzmannschaft behufs Beobachtung des Privatlebens, mit der Tendenz, allmählich alle Staatsbürger in Schutzmänner zu verwandeln, und so ein neueres goldenes Zeitalter und eine holde Uebereinstimmung der Meinungen herbeizuführen.

Leider dachte Herr Müller zu lange nach. An einem Morgen ersah er aus der Zeitung, daß sein politischer Abgott das Staatsruder aus den Händen verloren habe und mit dem Packen der Koffer und Deponiren seiner Werthpapiere beschäftigt sei. Sein erstes Gefühl war eine gänzliche gedankliche und seelische Zerschmetterung. Ihm war zu Muthe, wie dem ersten Napoleon, als er die Uebergabe von Paris und den Kriegsüberdruß seiner Generäle erfuhr, denn Herr Müller war bereits so weit vorgeschritten, die genannten beiden genialen Pläne zu vereinigen. Langsam faßte sich endlich der große Mann und überlegte, welche Wendung die innere Politik seines Vaterlandes nehmen könne. Schon daß der Tourist von Olmütz einfach vom Schauplatz abtrat, sagte ihm, daß eine freisinnigere Richtung zu erwarten stehe, da ein reactionairerer Minister-Präsident so wenig gefunden werden könne, wie unter den vorhandenen dunklen Erdgeborenen ein schwärzeres Geschöpf, als ein Mohr oder ein Schornsteinfeger. Herr Müller sagte zu sich selbst mit dem unnachahmlichen Freimuth, von dem alle in das Rad der Geschichte greifenden Männer einen Antheil besitzen, daß jetzt die Zeit gekommen sei, nicht mehr in Reaction, sondern in Reform Geschäfte zu machen. Die Ereignisse gaben dieser speculativen Ansicht Recht, denn in Berlin trat jener großartige Umschwung der Meinungen ein, von welchem die sich sonst um Alles bekümmernde Presse so auffallend wenig Notiz genommen hat. Männer, die bis dahin nie

  1. Messungen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_232.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2023)