Seite:Die Gartenlaube (1859) 617.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Ferdinand Freiligrath.



dann wurden sie still und geschäftig, furchtbar geschäftig. Der Baron Benzing saß wieder ruhig. Aber neben seinem Sitze stand sein Gewehr. Es war eine Büchse und mit einer Kugel geladen für die Eberjagd. Er nahm sie in die Hand, spielend. Sein Gesicht war noch blaß, aber der Schweiß stand nicht mehr auf seiner Stirn, auch kein Schreck, keine Angst mehr. Seine Lippen waren fest zusammengepreßt; seine Augen glüheten; ein Entschluß reifte in ihm, ruhig und kalt. Sein glühender Blick fiel auf die geschäftigen Hunde, dann auf ihren unheimlichen Herrn. Seine Hand nahm das Gewehr fester. Was er vorhatte, wer konnte es wissen? Aber ein Entschluß der Verzweiflung schien es zu sein, der in ihm reif werden wollte.

Der Baron Lauer erzählte weiter, auch ruhig und kalt. „Auf dem anmuthigen, einsamen Platze ließ er die Leiche nieder. Er suchte die versteckteste Stelle des Platzes aus. Er grub eine Grube, in die Grube legte er den Leichnam, und deckte das Grab wieder zu. Es ist bis auf den heutigen Tag unberührt geblieben – wenn nicht – – Herr von Benzing, nehmen Sie sich mit Ihrem Gewehr in Acht, Sie könnten ein Unglück anrichten. Meine Erzählung hat Sie angegriffen.“

Die Augen Aller wandten sich auf den Baron Benzing. Er war weißer geworden, als der Schnee, der an den Zweigen der alten Tannen hing. Aber seine Lippen waren noch fest zusammengepreßt; seine Augen glüheten noch dunkel; seine Hand hielt das Gewehr krampfhaft. Die glühenden Blicke fielen auf den unheimlichen Mann, der ihm gegenüber saß. Er erhob die Hand, in der er das Gewehr hielt. Der Unheimliche sah ihn ruhig an.

„Wenden Sie dorthin Ihre Blicke, Herr von Benzing. Auch Sie, meine Herren.“ Er zeigte nach jener Stelle an den Felsen, an der die Schweißhunde geschäftig waren.

Alle sahen unwillkürlich hin, auch der Baron von Benzing. Wer einmal hingesehen hatte, konnte den Blick nicht wieder zurückwenden. Wie die Thiere in rasender Eile zu der Stelle hingestürzt waren, so arbeiteten sie jetzt in rasender Eile. Sie warfen den Schnee, der den Boden bedeckte, hoch in die Höhe, Es war eine leichte Arbeit. Dem Schnee folgte das dunkle Moos. Unter dem Moose war die Erde gefroren. Die harte Kruste wollte den Thieren Widerstand leisten; es war eine wilde Wuth, mit der sie sie aufrissen. Den Klauen mußten die Zähne helfen. Die gefrorne Kruste war nur eine dünne. In der lockeren Erde scharrten und schaufelten und wühlten die Thiere, daß die Schollen weit umherflogen. Und je weiter die Arbeit der Thiere vorrückte, desto wilder wurde ihre Wuth der Arbeit. Aber keinen Laut gaben die Thiere von sich. Es war eine furchtbare Geschäftigkeit; es war ein furchtbarer Anblick.

„Aber was ist das?“ fragte man unwillkürlich.

„Es wird ein Grab geöffnet,“ antwortete der Baron Lauer.

Der Baron Benzing hatte hingestarrt wie die Andern, aber wie in einer Betäubung des Wahnsinns. Sein Gesicht war völlig entstellt. Der Mann konnte nicht mehr denken, nicht mehr wollen. Auch die Verzweiflung konnte ihm keinen Entschluß mehr bringen, ihn zu keiner That mehr treiben. Die Antwort des Unheimlichen schreckte ihn aus seiner Betäubung auf. Noch einmal wollte er die Hand mit dem Gewehr heben; er vermochte es nicht mehr. Seine Kraft wurde gebrochen. Die Hunde hatten ein tiefes Loch gescharrt. Sie warfen keine Erde mehr in die Luft; sie ruheten. Dann stießen sie wieder ein wildes, kurzes Gebell aus. Es war ein Geheul, ein rasendes Geheul der Freude, Es durchbebte die Nerven der kräftigsten Jäger.

Der Jäger, der die Thiere geführt hatte, war ihnen gefolgt.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 617. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_617.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)