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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

mystischen Geistern gewöhnlich die Haupttriebfeder ihrer Handlungen. Man frage nur einen Professor der Physik oder einen berühmten Mechaniker oder einen Irrenarzt, wie oft ihnen der Fall vorgekommen ist, daß Menschen, die früher in glücklichen Verhältnissen gelebt haben, in geistig und materiell zerrüttetem Zustande zu ihnen gekommen sind und sie von der endlichen Ausführung des Perpetuum mobile unterhalten haben. Im gewöhnlichen, geräuschvollen Strome des Lebens hört man freilich wenig von diesen stillen, unglücklichen Menschen, und eben weil die Krankheit, von der sie befallen sind, eine so heimliche ist, die sich ihre Opfer lautlos holt – gewöhnlich aus der Classe der Schuhmacher, Schneider oder kaufmännischen Speculanten – daß man nicht allemal den einzelnen Fall bekämpfen kann: wollen wir durch eine Darlegung der wissenschaftlichen Grundprincipien, die bei der Darstellung eines Perpetuum mobile in Frage kommen müssen, zur Ausrottung dieses Spukes das Unsere beizutragen versuchen. Wir werden zu diesem Ende auf einige Fragen aus der Mechanik geführt, deren Beleuchtung uns aber wenig Zeit kosten wird.

Wenn wir einen gleicharmigen Hebel in seinem Schwerpunkt aufhängen, so wird die an einem Endpunkte wirkende Kraft eine an dem andern Ende wirkende Last von gleicher Größe zu heben im Stande sein. Wirkt in einem Mühlrade das fallende Wasser, so muß, wenn ein an die Welle des Rades aufgehängtes Gewicht von einem Centner um einen Fuß gehoben werden soll, mindestens ein Centner Wasser um einen Fuß fallen.

Ist der Weg kleiner, den die Kraft beschreibt, so muß die Kraft größer sein; beispielsweise (da wir uns dieselbe hier als eine durch die Anziehungskraft der Erde wirkende, schwere Masse vorstellen), soll das Wasser nur einen Weg von ½ Fuß zurücklegen, so muß dafür die doppelte Menge in das Rad fallen; dafür wird aber auch die halbe Kraft, wenn sie den doppelten Weg zurücklegt, eben so viel wirken. Das Product aus dem Wege in die Kraft muß immer gleich sein dem Producte des Weges, den die Last zurücklegt, in die Last selbst.

Man mag nun entweder gleich an dem Umfange des Wasserrades die Last, welche allemal nur eine entgegengesetzte Kraft darstellt, wirken lassen, oder die Arbeit durch dazwischengelegte Maschinen übertragen: das Verhältniß und der eben ausgesprochene Satz bleibt derselbe. – Jeder Körper, der sich mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt, wird diese, wenn er gegen einen widerstehenden Körper trifft, verlieren und dadurch einen Druck hervorbringen, der einer gewissen Arbeit entspricht, die in ihrer Größe von der Masse des bewegten Körpers und seiner Geschwindigkeit abhängt. Das Product dieser beiden Factoren nennt man die dem Körper innewohnende lebendige Kraft. Eine Büchsenkugel, die ein Loth schwer ist und mit einer Geschwindigkeit von 500 Fuß fliegt, hat ebensoviel lebendige Kraft in sich und wird bei der Hergabe derselben ebensoviel Arbeit leisten, als eine Kanonenkugel von 5 Pfund Schwere, die nur eine Geschwindigkeit von 45 Zoll für die Secunde hat. Genau soviel – nicht mehr und nicht weniger. Es ist dasselbe Verhältniß, wie bei dem im Wasserrade wirkenden Wasser. Läßt man eine Kugel in einer kreisförmigen Rinne herablaufen, so wird sie, wenn sie den tiefsten Punkt erreicht hat, eine Geschwindigkeit erlangt haben, vermöge welcher sie auf der andern Seite eben so hoch wieder würde hinauflaufen können, wenn keine Reibung vorhanden wäre. Ein Pendel fällt vor und zurück, und beschreibt immer gleiche Bogen; ein Springbrunnen kann nur so hoch sich erheben, als das Wasser, welches er ausspeit, vorher in seinen Röhren gefallen ist. Beim Rückfalle wiederholt sich dasselbe Spiel. Es könnte, wenn keine Reibung vorhanden wäre, die einen Theil der Kraft aufzehrt, allerdings ewig dauern, allein eine andere Arbeit als die der Unterhaltung dieser Bewegung würde unmöglich damit geleistet werden können. Man hatte aber trotzdem mancherlei Versuche gemacht, ein Perpetuum mobile auf diesem Wege zu construiren. Bis vor dem Brande des Dresdner Zwingers konnte man dort eins aufgestellt finden, welches seiner vorzüglichen Ausführung wegen, die die Reibung sehr vermindert hatte, eine sehr lange Zeit sich in Bewegung erhielt. Es bestand aus einem Rade, das ähnlich wie ein Wasserrad an seinem Umfange Kapseln hatte. Darüber war eine Rinne angebracht, die in einer schiefen Ebene aufwärts stieg und sich auf der anderen Seite wieder senkte, der Art, daß eine Kugel, welche von den Kapseln des Rades mitgeführt werden konnte, auf der einen Seite dem Rade abgenommen wurde und, nachdem sie die Rinne durchlaufen hatte, auf der andern wieder in eine Kapsel des Rades fiel. Bekam das ruhende Rad nun durch den Fall dieser metallnen Kugel einen Stoß, welcher es hinreichend in Drehung versetzte, daß es die Kugel in die Rinne speien konnte, und daß sie in diese zugleich Geschwindigkeit mitbrachte, welche für das Durchlaufen der schiefen Ebene, in der die Rinne lag, zureichte: so war der Stoß, den das Rad durch den darauffolgenden Fall der Kugel erhielt, nur um die Größe geringer, welche zur Überwindung der Reibung der Kugel in der schiefen Ebene und der Friction des Radzapfens verbraucht worden war. Gab man also der Kugel anfänglich einen Vorrath an Geschwindigkeit mit auf den Weg, so wurde dieser nur sehr allmählich von der auf ein Minimum reducirten Reibung aufgebraucht, und es hatte eine Zeit lang allerdings den Anschein, als erhielte sich wirklich die Maschine durch sich selbst in Bewegung. Wartete man es aber ab, so blieb das Ganze doch endlich stehen, da sich, weil die Reibung dieselbe blieb, die Kraft mit jeder Umdrehung verringerte.

Genau in derselben Weise geben auch alle elastischen Körper nur so viel (im allergünstigsten Falle) an Kraft wieder her, als zu ihrer Spannung verwendet wurde. Eine Stahlfeder schnellt höchstens ebensoweit zurück, als sie vorgebogen wurde, ein Gummiball, dem man durch den Fall von einer Höhe eine Kraft mittheilt, wird beim Wiederaufwärtsspringen nie die ursprüngliche Höhe wieder erreichen. Die innersten Theilchen müssen sich aneinander reiben und consumiren dabei jedesmal eine gewisse Kraftmenge, und je weniger derartige Körper elastisch sind, um so größer wird diese innere Reibung und um so größer das Quantum der verloren gehenden Kraft.

Alle Kraft wirkt nur durch Bewegung. Wir können bewegte Massen gewissermaßen als Sparbüchsen ansehen, in denen sich kleine Kraftmengen, die in fortdauernder Aufeinanderfolge sich wiederholen, niederlegen lassen und die man später in ihrer Summe auf einmal verbrauchen kann. Ein kleines Kind kann eine große Glocke durch einen einzigen Stoß nicht zum Schwingen und Anschlagen bringen, sondern die Bewegung, welche die kindliche Kraft dieser großen Masse mitzutheilen im Stande ist, wird kaum hinreichen, sie um einen Zoll aus ihrer Lage zu bringen. Wiederholt aber das Kind, wenn die Glocke aus der geringen Schwingung zurückgekehrt ist, jenen Stoß und setzt dasselbe Spiel fort, so wird die Glocke immer größere Bogen beschreiben und in ihren Schwingungen eine lebendige Kraft repräsentiren, welche viel größer werden kann, als die, welche ein kräftiger Mann auf einmal in ihr hervorzubringen vermocht hätte. Es ist aber dabei an Kraft nichts gewonnen worden. Wenn die Kraft, mit der das Kind jedesmal die Glocke anstieß, hingereicht hätte, ein Pfund um einen Zoll zu heben, so wird die schwingende Glocke im Stande sein, ebensoviel Pfunde, als sie Stöße erhalten hat, um einen Fuß aufwärts zu heben, aber durchaus nicht mehr, man mag Hebel oder Federn anlegen, so viel man will. Soll die Hubhöhe oder, was dasselbe ist, die Geschwindigkeit sich vergrößern, so muß sich die Last entsprechend verringern, und umgekehrt. Eine gespannte Feder, eine comprimirte Luftmenge geben, wenn sie ihre Spannung verlieren, nur das wieder her, was sie erhalten haben. Haben sie, wie die Glocke, ihren Vorrath an Kraft nicht auf einmal, sondern nach und nach aufgenommen, wie es etwa auch die Windbüchse thut: so kann ihr Effect, wenn die angesparte Kraft auf einmal verbraucht wird, allerdings ein sehr großer sein, er ist dann aber auch ein sehr kurzer. Alle Versuche, ein Perpetuum mobile herzustellen, unter alleiniger Benutzung der rein mechanischen Kräfte, der Schwere, Elasticität, Druck der Gase und Flüssigkeiten, sind also danach als fruchtlose zu bezeichnen. Da durch dazwischen gelegte Maschinen, Zahnräder, schiefe Ebenen, Keile, Schrauben, Getriebe, Hebel oder Rollen keine neue Kraftquelle eingeführt wird, so ist auch kein Uhrwerk und kein Hebelwerk im Stande, die Leistung in einer gewissen Zeit zu vermehren, im Gegentheil wird dadurch nur die Reibung vermehrt und der Nutzeffect an mechanischer Kraft entsprechend verringert werden.

Außer den mechanischen Bewegungskräften gibt es aber noch eine Anzahl von Naturkräften, von denen man die Lösung des Problems erwarten könnte.

Wärme, Licht, Elektricität, Magnetismus, chemische Verwandtschaftskräfte – alle diese sahen wir schon im Leben mechanische Kraftäußerungen hervorbringen.

Die Windmühlen, die Wassermühlen, die Dampfmaschinen werden durch Wärme in Bewegung gesetzt und sie wandeln die Wärme in mechanische Kräfte um, denn die Wärme der Sonnenstrahlen ist

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 621. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_621.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)