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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

wie Sie. Ich mochte dem mich nicht fügen; er kündigte, gerade so wie Sie und – nach drei Monaten war er ein todter Mann. Hören Sie weiter. Ich zog aus und wohnte in dem Marais. Doch kaum war ich auch da ein wenig warm geworden, als der Hauswirth ebenfalls die Miethe steigern wollte. Ich weigerte mich und mußte ausziehen. Der Wirth war ein junger gesunder Mann gewesen, aber nach drei Monaten war er – eine Leiche. Er wurde gerade an demselben Tage begraben, da ich sein Haus verließ.“

„Sehr sonderbar!“ murmelte gedankenvoll der Wirth.

„O, ich habe noch mehr zu erzählen,“ fuhr der Musiker fort. „Ehe ich hierher zog, wohnte ich in dem Hause des Monsieur B., den Sie, wie ich glaube, kennen. Er war ein Handelsmann, hatte sich aber zur Ruhe gesetzt.“

„Ja, ja! ich kannte ihn; er starb am letzten März.“

„Richtig, und gerade nach drei Monaten, nachdem er mir gekündigt hatte, weil ich die von ihm erhöhte Miethe nicht bezahlen wollte und konnte. Sie sehen doch wohl ein, daß das ein eigenthümliches Geschick ist. Sind Sie abergläubisch? Ich muß Ihnen gestehen, ich bin es und weiß, daß starke Geister meistens Fatalisten sind. Ich zweifle, sag’ ich Ihnen, keinen Augenblick, Sie sind ein Mann des Todes und das in drei Monaten, wenn Sie fest auf der Erhöhung des Zinses bestehen. Der Himmel ist mein Zeuge, daß ich gern alles thun wollte, was in meinen Kräften steht, um Sie Ihrem bösen Geschicke zu entziehen, allein das liegt außer meiner Macht; es ist mir unmöglich, mehr zu zahlen. Uebrigens werden Sie jedenfalls die Genugthung haben, daß Sie ein schönes Vermögen zurücklassen. Das sind glückliche Bursche, Ihre jungen lustigen Neffen! Und dann, es ist auch möglich, daß nach jenen drei Katastrophen die Fatalität aufgehört hat und nicht mehr meinen Fersen folgt. Es wäre am Ende eine Schwäche von Ihrer Seite, Ihre pecuniäres Interessen chimärischen Einbildungen zu opfern. Ich hielt es jedoch für meine Pflicht, Sie auf die Gefahr aufmerksam zu machen, der Sie sich allerdings aussetzen.“

„Und ich sage Ihnen meinen Dank, daß Sie dies gethan haben,“ erwiderte der Hauswirth, der offenbar mit Unruhe den Worten des Künstlern gefolgt war. „Und damit Sie sehen, daß ich Ihre Offenheit zu schätzen weiß, so sollen Sie in der Wohnung bleiben.“

„Ohne den Zins zu steigern?“

„Gewiß!“

„Wollen Sie den Miethcontract dahin ausstellen?“

„Mit Vergnügen.“

Der Miethcontract ward ohne Erhöhung des Zinses auf drei Jahre festgesetzt und noch dazu dem Miether es freigestellt, nach Verlauf dieser Zeit ihn auf neun Jahre zu verlängern. – Glückliche Imagination das! Sie sicherte dem Künstler eine Wohnung, die im Verhältniß billig war, auf mindestens drei Jahre.




Die Schillerfeier rückt immer näher und bringt – außer den großartigen Anstalten zur würdigen Begehung des hundertjährigen Geburtstages, mit jedem Tage neue Schriften und Kunstwerke. Scherer’s Prachtwerk: Schiller und seine Zeit (nach unserer Ueberzeugung, was die historischen Bilder anlangt, kein Prachtwerk), ist in einer Volksausgabe erschienen, die jedenfalls vielen Beifall finden wird. Johannes Scherer hat Schiller und seine Zeit nicht vom literar-historischen, sondern vom kulturgeschichtlichen Standpunkte aus aufgefaßt, und man muß es ihm lassen, daß er seine Aufgabe mit vieler Liebe und großem Enthusiasmus ergriffen, und bei seinem Talent der Darstellung auch mit Glück gelöst hat. – Für die Schuljugend ließ der Vorstand des sächsischen Pestalozzivereins ein „Leben Schiller’s“ erscheinen, das in verständlicher, einfacher, der Jugend angepaßter Weise die Lebensschicksale unseres großen Dichters erzählt und bei seiner großen Billigkeit in allen Schulen Deutschlands eine weite und allgemeine Verbreitung verdient. – Von Stuttgart aus wird ein bis jetzt unbekanntes Werk Schiller’s: „Geschichte von Württemberg bis zum Jahre 1740“, als nächstens erscheinend angezeigt. Schiller soll diese Geschichte im Auftrag der Herzogin Franziska von Württemberg im Jahre 1778 geschrieben haben, das Manuscript aber nach dem Tode der Herzogin in Privatbesitz übergegangen sein und jetzt endlich zur Veröffentlichung kommen. Jedenfalls ist abzuwarten, ob und wie viel davon unserem Schiller angehört.

Die bevorstehende Feier hat natürlich auch viele Abbildungen unseres nationalsten Dichters hervorgerufen, unter denen wir ein kleines, von dem bekannten Schwerdgeburth gestochenes Portrait, Schiller in seinen alten Jahren vorstellend, hervorheben wollen. Die von der Baumgärtner’schen Buchhandlung in Leipzig herausgegebene Festgabe: Schillerfeier, enthält sehr gut gestochene Portraits von Schiller, Schiller’s Frau, Eltern und Geschwister, Frau von Kalb, Körner, Herzogin Amalie und einige Schillerhäuser. Unter den übrigen, auf Stahl, Kupfer und Stein hergestellten Conterfei’s verdient als besonders interessant ein von Schlick lithographirtes Bildniß bezeichnet zu werden, das den Liebling des deutschen Volkes als 26 jährigen jungen Mann darstellt – so viel wir wissen, das einzige Jugendbild Schiller’s. Die Lithographie ist einem Originalgemälde des Malers Reinhardt entnommen, welches sich in dem Besitze des in Leipzig lebenden Dichters Adolf Böttger befindet und sehr schön ausgeführt.

E.




Kleiner Briefkasten.

K. C. in E. Bedaure, Ihnen über die Erzählung der „Doppelgänger“ keinen Aufschluß geben zu können, da Herr Gerstäcker versichert, selbst keine Auflösung zu kennen. Falls Sie etwas Näheres erfahren wollen, muß ich Sie bitten, Sich an genannten Herrn zu wenden, der ein viel zu liebenswürdiger Autor ist, als daß er Ihnen nicht antworten sollte.

L. in D. Wir machen Sie auf eine frühere Mittheilung unseres Briefkastens aufmerksam, worin wir alle tüchtigen Künstler ausdrücklich um Einsendung guter Illustrationen ersuchten. Bei der bekannten Richtung der Gartenlaube dürfte eine specielle Angabe, welche Illustration wir bedürfen, überflüssig sein.

N. in G. Auch Ihnen müssen wir die Bitte abschlagen. Wollte die Gartenlaube die Reden und Schilderungen aller Schillerfeste bringen, so würden 52 Doppelnummern kaum ausreichen. Wir überlassen das den täglich erscheinenden Zeitungen.


Im Verlage von Ernst Keil in Leipzig ist soeben erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:
B. Auerbach’s Volkskalender für 1860.
Mit Zeichnungen
von
Kaulbach und Julius Scholtz in Dresden,
Originalbeiträgen
von
B. Auerbach – Dr. K. Andree – Berth. Sigismund – Fr. Gerstäcker,
und einer neuen Sammlung
von
Geschichten des Gevattersmanns.
Preis br. 12½ Ngr.

Inhalt: I. Der Wettpflüger. Mit 21 Bildern nach Zeichnungen von Julius Scholtz in Dresden, in Holz geschnitten von Hugo Bürkner in Dresden. – II. Deutsches Bier in Amerika. Von Karl Andree. – III. Acht Tage in einer Thüringer Waldhütte. Von Berth. Sigismund. – IV. Eine Heimkehr aus der weiten Welt. Von Friedr. Gerstäcker - V. Neue Geschichten des Gevattersmanns. 1.Der hundertjährige Geburtstag des Kalendermanns. – 2. Neue Belehrungsbücher. – 3. Ein Kind unter zwölf Jahren, oder das Halbbillet. – 4. Eine Stunde ein Jude. – 5. Die angenagelte Wohlthätigkeit. – 6. Er ist ein Spion. – 7. Zieh Deinen Stiefel aus. – 8. Die sieben Wahrzeichen eines guten Dorfes. – 9. Hechingen und Florenz. Ein Gespräch. – 10. Gezwungene Wahl. – 11. Wann ist die Zeit. - 12. Eine Feldpredigt aus dem Jahre 1859.




Es ist ein großer Fortschritt, den wir gemacht, daß ein anerkannt berühmter Schriftsteller, wie Auerbach, seine Ehre darin sucht, an Stelle jenes zufälligen Allerlei, welches die Kalenderschriften gewöhnlichen Schlages darbieten, ein Volksbuch im edelsten Sinne des Wortes zu schreiben, um die Herzen zu bilden und die Köpfe zum selbstständigen vernünftigen Denken über tägliche Vorkommnisse im Leben der Gegenwart anzuregen. Auerbach hat einen tief innerlichen Beruf zum Volksschriftsteller in diesem Sinne. Den Ruhm der schöpferischen Kraft, plastische Gebilde voll Lebensfrische und Daseinsfülle vor die Augen zu führen, theilen mit dem Verfasser der „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ nur wenige zeitgenössische Talente, und das ist es was einem so harmlosen Unternehmen, wie die Herausgebe eines Volkskalenders, erhöhete Bedeutung verleiht. Derselbe ist nicht für Oesterreich, nicht für Preußen, oder ein anderes einzelnes deutsches Land bestimmt – er soll dem großen Deutschland, dem gesammten deutschen Volke angehören und das deutscheste Volksbuch sein zur Bildung einer Gemeinsamkeit des deutschen Lebens.

Wir dürfen hoffen, daß er die allgemeine Aufnahme, welcher er sich in den früheren Jahren erfreuete, auch diesmal finden und so die Veredelung und Bildung des deutschen Volkes weiter vermitteln wird, der sich Auerbach aus Liebe für die Nation mit hingebendem Ernste und lauterer deutscher Ehrlichkeit gewidmet hat.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 644. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_644.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2023)