Seite:Die Gartenlaube (1859) 688.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

bereiten sich noch immer nach der Väter Sitte eine Morgensuppe, Jüngere ziehen häufig den Kaffee vor. Kartoffeln, die aus dem Vorrathskellerchen unter einem alten Wurzelstocke hervorgelangt werden, bilden die Zukost.

Rasch wird zur Arbeit gegriffen. Man steht im Gedingelohn, und es „will etwas wissen,“ so vielen eßbegierigen Familiengliedern das theure Brod zu schaffen. Die Holzfäller arbeiten stets in Genossenschaften, gewöhnlich „zwei- oder dreispännig“, zuweilen auch „sechsspännig“; einen Trägen oder Ungeschickten nimmt man nicht leicht zum Gespann. Die Gemeinsamkeit spornt zum Fleiß an, das überwachende Auge des Försters zur Pünktlichkeit.

Vom Frühjahr ab werden Bäume gefällt und in Blocke zerschnitten. Das Umstürzen hoher Fichten, die mit gewaltigem Sausen große Bogen durch die Luft beschreiben und knackend und prasselnd zu Boden fallen, daß es dröhnt und bebt, sehen die Holzhauer mit derselben Lust, wie der Jäger das Niederstürzen eines waidgerecht erlegten Hirsches. Dem Baumfällen folgt das Zersägen, Spalten und Ausklaftern des Scheitholzes. Ein tüchtiger Arbeiter setzt seinen Stolz darein, die Klaftern voll- und ebenmäßig aufzubauen, und der Förster belohnt ihn dadurch, daß er ihm eine gute „Partie“ zuweist. Die Art, wie unsere Holzhauer die Arbeitsbücher führen, in denen sie ihre Klaftern einzeichnen, gibt ein vortheilhaftes Zeugniß für ihren Schulunterricht. Spätestens im Juli beginnt die mühseligste Waldarbeit, das Stockgraben. Vor vierzig Jahren war den Waldleuten diese Arbeit erspart, in jener holzreichen Zeit ließ man die Baumstümpfe stecken und verfaulen. Jetzt werden sie sammt ihren Hauptwurzeln ausgegraben und gespalten. Das Stockgraben ist zum Sprüchwort für eine saure Arbeit geworden; es ist aber nicht nur die beschwerlichste, sondern auch die kunstreichste Arbeit des Holzhauers. Nur der Arbeiter, der außer den kräftigsten Armen auch Scharfblick besitzt, um den Verlauf der oft in den sonderbarsten Windungen fortkriechenden und sich zu Knäueln verstrickenden Wurzeln zu errathen, der durch lange Uebung gelernt hat, wo und wie er den hartnäckigen Gegner zu packen hat, kommt hier rasch zum Ziele. Ich wüßte keine Arbeit im Walde, bei der das Zusehen für den Laien interessanter wäre, als das Stockgraben. Man erzählt auf dem thüringer Walde, daß F. Gerstäcker die gebirgischen Holzhauer in einem Baumfällungs-Wettkampfe durch seine in Amerika gelernten Künste ausgestochen habe; im Stockgraben würde der Vielgewanderte und Vielgewandte kaum den Preis davon tragen, so viel zweckmäßiger die amerikanische Axt auch sein mag, als die altväterische der Thüringer.

Holzhauerhütte im Thüringer Walde.

Die Werkzeuge unserer Holzfäller sind sehr einfach. Eine Schrotsäge ohne Gestell, einige Aexte und Rodehauen nebst einigen eisernen und hölzernen Keilen bilden die ganze Ausrüstung, deren Ankauf fünf bis sechs Thaler und deren Instandhaltung jährlich zwei bis zwei und ein halb Thaler erfordert. Von der Winde, die beim Heben der Stöcke wesentliche Dienste leistet, machen sie nur gelegentlich Gebrauch, wenn ein im Wald anwesender Block-Fuhrmann sie darleiht. Die neuen künstlichen Werkzeuge zum Stockroden, den Waldteufel und den Zahnbrecher, findet man vollends nicht bei Leuten, welche kaum die Anschaffung des schlichten Arbeitszeuges bestreiten können. Wahrscheinlich werden sich die Förster mit der Zeit genöthigt sehen, jene zeitsparenden Apparate herbeizuschaffen, denn es beginnt auch hier an Waldarbeitern zu fehlen. Die Fabriken locken durch ihre weniger mühselige Arbeit Manchen aus dem Walde weg; in den letzten Jahren sind viele Holzhauer zu den Perlenmachern übergetreten. Ja, so unglaublich es den Frauen klingen mag, gar viele der zierlichen schwarzen und weißen Glasperlen, womit mancher Kopfputz und vielerlei Andenken geschmückt sind, werden von derbhändigen Holzhauern gemacht, die ihrem Forste untreu geworden und in den Dienst des Luxus getreten sind.

Zum Frühstück ißt der Holzhauer einen „Keil“ Brod und trinkt einen herzhaften Schluck des köstlichen Wassers aus der nahen Quelle. Nur Einzelne trinken Branntwein, den sie für kraftgebend halten, aber nur sehr mäßig. Auf ein Moospolster gestreckt, pflegt man eine Viertelstunde lang der Ruhe. Sie ist so wohlverdient und erquickend, daß sie vom Wanderer beneidet wird. Man spricht nicht viel dabei, denn die Ruhe ist eine so köstliche Gabe, daß sie mit Bewußtsein und voller Hingabe genossen sein will.

Weit mehr wird nach dem Mittagessen der Unterhaltung gepflogen. Während des Mahles ist dazu keine Zeit. Mit behäbiger Stetigkeit werden die einfachen Gerichte verzehrt, die fast täglich wiederkehren. So lange es Kartoffeln gibt (das ist aber gewöhnlich nur bis zur Mitte des Sommers der Fall), geben diese die Hauptmahlzeit ab. In der Asche gebraten, als Mus („Zämpe“), als Gemüse („Schippel“) und als Suppe, die mit Stockschwamm, Schafgarbe oder Brennnesseln gewürzt ist, kommen sie tagtäglich auf den Tisch oder, wie man eigentlich sagen müßte, auf den Stock, denn ein Baumstumpf dient der Schüssel gewöhnlich zum Gestelle. Fehlen die Kartoffeln, so wird das tägliche Mittagsmahl aus Roggenmehl bereitet und in Form eines mager geschmälzten Breies oder einer mit den oben genannten Waldgewürzen versehenen Suppe genossen. Als Nachtisch dient eine Pfeife „Querreiter“, dessen süßlicher Duft im Walde manchem an feineres Kraut gewöhnten Raucher ein bewunderndes Schnüffeln abgelockt hat. Eine Cigarre erlaubt sich der Holzhauer höchstens zur Kirchweih oder zu Fastnacht. In den sächsischen Forsten ist es anders, dort ist der Glimmstengel nahe daran, den Ulmer zu verdrängen.

„Muß es sein? Ja, es muß sein!“ So überschrieb Beethoven in einer gutgelaunten Minute einen Sonaten-Satz. Dieses Motto fiel mir ein, so oft ich die Holzhauer sich von dem Mittagsruheplatz erheben und ihrer Arbeit zuwandern sah. Es ruht sich so prächtig am Stamme der alten Buche auf dem schwellenden

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_688.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)