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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

ängstigt, wie der Matrose das Schaukeln auf seinem Schiffe beachtet. Nur zuweilen werden die Erdbeben furchtbar, wie z. B. 1797, als ein vulcanischer Ausbruch ganze Hochthäler umwälzte, die reiche Stadt Riobamba zerstörte, viele Gebäude in Quito zertrümmerte und mehr als 40,000 Menschen unter seinen Feuer- und Gluthfurchen begrub. Zu diesen Tragödien aus der Unterwelt kommen oft die grausigsten Blitze und Donnerkeile des Himmels. Es kommen Gewitter vor, unter denen die Erde oft eben so zittert, wie über vulcanischen Erschütterungen.

Außer diesen beiden Uebeln bietet die Natur aber nur Segen, Pracht und Ueberfluß: Gold, Silber, Quecksilber, Schwefel, vieles Edelgestein, Getreide, fette Ergebnisse von allerlei Viehzucht, Feld- und Gartenfrüchte, Cacao, Zuckerrohr, Vanille, ausgezeichneten Tabak, Reis, Indigo, die mannichfaltigsten Farbehölzer, Droguen, Honig, Cochenille und unzählige andere Producte, unter denen Chinarinde mit besonderer Ergiebigkeit oben an steht, da die Cinchonabäume, welche diese unentbehrliche Rinde liefern, fast in allen andern Welttheilen ziemlich erschöpft sind. Fabrikate sind verhältnißmäßig schwach, da die etwa 600,000 Einwohner des großen ungeheuern Reichs (ohne die unabhängigen, gebildeten, ansässigen Indianer) nur mit etwa funfzehn Procent weiße, d. h. bräunliche, faule Spanier sind. Die Hälfte besteht aus Nachkommen der alten peruanischen Inkaindianer und der Rest aus Mischlingen, unter denen die Creolen in Schönheit, Fleiß und Bildung einen hohen Rang einnehmen. Aber was sind sie auf mehr als 15,000 Quadratmeilen!

Anderswo herrscht wegen Uebervölkerung oft Mangel, hier sehnt sich die Natur nach Menschen für ihre überquellenden Reichthümer. Doch was kann aus dieser Republik und den beiden andern[1] werden, so lange die Nachkömmlinge der alten erobernden Spanier mit ihrer faulen Grandezza, ihren Bluthunden und ihrer Klerisei die Oberherren, Steuereintreiber und Schuldenmacher spielen! Die Regierungen und Präsidenten von Ecuador borgten für ihre Kriege und Diplomatieen so viel Geld, als sie nur immer auftreiben konnten, fanden aber später und bisher keine Mittel, nur die Zinsen zu bezahlen. Die englischen Gläubiger wurden ungeduldig und brachten es endlich dahin, daß die Regierung Zahlung aus ihrem wirklichen Ueberflusse anbot: Land, Grund und Boden, 4,533,204 Morgen à 25 Sgr. Diese mehr als 41/2 Millionen Morgen vertheilen sich in fünf Gruppen, von denen drei am Meere auch die drei Haupthäfen des Landes einschließen. Die eine am Pailonhafen allein, mit 173,553 Morgen, kann als gute Bezahlung der 566,120 Pfund rückständiger Zinsen gelten. Ein Engländer, der diesen District expreß untersuchte, sagt darüber: „Der Pailonhafen, groß genug für die stärkste Flotte, führt leicht zu den Goldregionen am Barbacoas in Neu-Granada, nach Mimbi, Playa de Oro und Cachabi in Ecuador, in die fruchtbaren Hochebenen von Imbabura und Quito (die Regierung läßt eine Straße bis Quito bauen). Auch eine ausgedehnte Communication durch Flüsse, die hier münden, ist nicht zu übersehen. Die ganze lange Küste bietet keinen günstigeren Hafen. Das Klima ist zwar sehr warm hier unten, aber gesund, der Boden überreich an allen möglichen tropischen Producten, besonders an kostbarem Bau- und Nutzholz. Die Entfernung von Quito beträgt blos zwölf geographische Meilen, die jetzt chaussirt werden.“

Wenn aber dieser Hafentheil nicht bezahlt und gefällt, kann man Nummer 2 am südlicher gelegenen Alacameshafen wählen (ebenso groß als Nummer 1), oder das dritte Stück Gualagiza, 1,735,330 Morgen mit kühler Cordilleren-Erhabenheit und dem vielarmigen Flusse Santiago, der in die Maina’s des Amazonenstromes hinunterführt, oder das vierte am grandiosen Golf von Guayaquil mit der jetzigen Regierungshauptstadt gleiches Namens in der Nähe, über 715,000 Morgen groß, oder endlich das fünfte, Canelos, 1,735,330 Morgen (wie das dritte), hinter der nördlichen Abdachung des Chimborasso, mit drei vielfach geäderten Flüssen, die in den Amazonenstrom hinabführen. Drei und fünf sind die gesundesten, aber die werthlosesten, weil sie an der östlichen Abdachung der Felsengebirge liegen und der Verkehr mit der Westseite große Schwierigkeiten bietet, nach Osten aber nur die ungeheuere Wasserstraße des Amazonenstromes einen Ausweg aus dem furchtbaren Continente Nord-Brasiliens am Aequator hin in’s atlantische Meer bieten würde. Auch liegen 3 und 5 über sichere Grenzen hinaus. Nachbar Peru im Süden macht nämlich auf eine Grenze Anspruch, die das ganze Land Ecuador vom 5. Grade aus nach dem Aequator hin bis zum 76. Längengrade in zwei Hälften so zerschneiden würde, daß Nummer 3 ziemlich ganz und Nummer 5 bis beinahe zur Hälfte auf peruanischem Gebiete liegen würde. Doch dies ist unter den gegebenen Verhältnissen Nebensache, da man sich jedenfalls zunächst auf den District Nummer 1 beschränken und dieser allein reichlich für Alles zahlen und zinsen wird.

Um die Zinszahlung der Ecuador-Regierung in baarem Land flüssig zu machen und zu verwerthen, sind die Gläubiger unter Direction eines deutschen Kaufmanns in London zu einer „Ecuador-Land-Compagnie“ zusammengetreten, deren Actionaire zusammen sofort Eigenthümer der 4,533,204 Morgen Landes sind. Jeder, der sich mit einer Pfundactie betheiligt, ist dafür sofort Grundeigenthümer von 8 Morgen Land in der Republik Ecuador. (Es werden nur Zweipfund-Actien ausgegeben.) Um diesen Besitz, in welchem Tabak, Holz, Mais, China, Baumwolle, Weizen, Cacao, Kaffee, Kautschuk, Gold-, Silber-, Kupfer- und Edelstein-Minen unbenutzt und unverwerthet stecken, zu einem steigend profitablen zu machen, muß gearbeitet werden. Dazu gehören tüchtige, intelligente Arbeiter und Actionaire, die sich hier leicht vereinigen lassen. Am willkommensten sind beide von Deutschland. In der That ist die Absicht (wie ich unter dem Siegel der Verschwiegenheit mittheile), Ecuador zu einem neuen Deutschland zu machen, da man bei Bildung der Compagnie die Ueberzeugung aussprach, daß 2000 tüchtige Söhne Deutschlands in Ecuador sofort mehr werth seien und mehr Macht äußern würden, als die ganze Republik Ecuador. Ein Deutscher in Quito (natürlich sind auch in Quito Deutsche), Adolph Klinger, gehört mit elf angesehenen Spaniern zu den eifrigsten Förderern des Planes, Deutsche auf diesen als Zahlung gegebenen Boden zu verpflanzen. Wie wir zunächst im Allgemeinen versichern können, wird die Compagnie besonders Deutsche, die sich entweder als Actionaire, oder als Arbeiter, Handwerker, Ackerbauer etc. zu betheiligen bereit erklären, vor allen Andern begünstigen und ihnen in gewissen Fällen freie Ueberfahrt gewähren. Die geschäftlichen Einzelnheiten dabei sind nicht unsere Sache.

So weit haben wir unsere Aufgabe gelöst, die Deutschen auf eine neue Welt, die besonders für sie und durch sie in ihren Schönheiten und Reichthümern eröffnet werden soll, aufmerksam gemacht zu haben. Was wir darüber in möglichster Kürze mittheilten, ist richtig. Es wird von jedem Einzelnen, der sich näher dafür interessirt, abhängen, sich bestimmter zu unterrichten und sich darnach zu entscheiden. Wir selbst kommen wohl gelegentlich auf das Unternehmen zurück.




Pariser Bilder und Geschichten.

Von Moritz Hartmann.
Nr. 5. Der Mann mit dem seidenen Mäntelchen.

Unfern der Madeleine zu Paris, in einer der neueren Straßen, hinter einer hohen Hofmauer versteckt, steht ein kleines Haus mit Säulen und Arabesken, ganz im Rococostyl, wie es sich hohe Herrschaften unter Ludwig XVI. zu bauen pflegten. Jede kleinste Verzierung an diesem „Hotel“ verräth den Reichthum des Erbauers; schwarzer, weißer und rother Marmor war verschwenderisch und bunt, ganz im Geschmacke jener Zeit verwendet; die gewundenen Halbgitter, die balkonartig die untere Hälfte der Fenster abschlossen, waren voll phantastischer Figuren und Blumenwindungen, die hier und da in reicher Vergoldung glänzten. Anstatt der Laternen hingen von den Säulen des Peristyls an lang hervorgestreckten bronzenen Armen eiserne Körbe, in denen des Abends Pech und Kienholz brannten. Alles das, und was überhaupt zur Einrichtung und zum Luxus eines Herrenhauses früherer Jahrhunderte gehörte, sah man


  1. Neu-Granada und Venezuela. Diese drei Republiken gingen unter vielen Bürgerkriegen und giftigen Parteikämpfen 1831 aus dem Staate Columbia hervor; aber unter der überall demoralisirten spanischen Herrschaft ist bis jetzt aus keiner etwas Erträgliches geworden.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 764. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_764.jpg&oldid=- (Version vom 8.12.2023)