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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)


der dortigen Thiere, der Walrosse, Eisbären, Polarhasen, Wölfe, Füchse, Rennthiere und des Wassergeflügels aller Art gewesen. War es nicht möglich, ja wahrscheinlich, daß Franklin, von der Beechey-Insel aus in diesem offenen Meere vordringend, sehr hohe Breiten erreicht habe, und daß ihm durch Eisriegel, wie Penny im Wellingtoncanal auf einen stieß, der Rückweg versperrt worden sei? Indem man allgemein zu diesem Glauben neigte, richtete man die ganze Aufmerksamkeit auf den höchsten Norden und vernachlässigte die übrigen Gegenden.

Dr. Rae[WS 1] war dem Gebiet, wo man, wie die Folgezeit lehrte, hauptsächlich hätte suchen sollen, einmal ganz nahe gewesen. Dieser unermüdliche Reisende hat nicht weniger als vier Reisen zu dem arktischen Gestade des Festlandes ausgeführt, um der Welt Gewißheit über das Schicksal der Männer vom Erebus und Terror zu verschaffen. Nur der Umstand, daß Eskimos seine Boote zerstört hatten, um sich das darin befindliche Eisen zuzueignen, hatte Rae auf der zweiten dieser Reisen verhindert, den Canal zwischen dem Wollaston- und Victoria-Lande in der östlichen Richtung zu beschiffen, die ihn zum König-Wilhelms-Lande führen mußte. Er blieb dennoch vier Wochen in diesen unwirthlichen Gegenden, um bei den Eskimos Erkundigungen einzuziehen. Nach dem, was er hörte, mußte er schließen, daß die Vermißten in den Gegenden zwischen Nordsomerset, das Roß durchwandert hatte, und der Küste, die dem Wollaston-Lande gegenüberliegt, nicht zu finden seien. Jetzt wissen wir, daß eben diese Gegend den Untergang der Mannschaften des Erebus und des Terror gesehen hat.

1851 war Rae wieder an der arktischen Küste, 1853 brach er zu seiner vierten und letzten Reise auf. Von 1853 zu 1854 überwinterte er an der Repulse-Bai, die durch den trostlosen Charakter ihrer Umgebung sprüchwörtlich geworden ist. Von Eskimos, mit denen er zusammentraf, hörte er Folgendes: „Vor längerer Zeit sah man ungefähr vierzig weiße Männer über das Eis gegen Süden wandern. Sie tödteten Seehunde nahe am nördlichen Ufer von König-Wilhelms-Land. Keiner der Reisenden verstand die Sprache der Eskimos, aber sie gaben durch Zeichen zu verstehen, ihre Schiffe wären im Eise erdrückt worden, und sie hofften eine Gegend zu erreichen, wo sie Rennthiere schießen könnten. Alle, mit Ausnahme eines einzigen Officiers, sahen mager aus, als ob sie Mangel an Lebensmitteln litten. Einige Zeit später, noch in demselben Frühjahr, vor dem Aufthauen des Eises, wurden die Leichen von dreißig Weißen auf dem Festlande und von fünf andern auf einer Insel in der Nähe eines bedeutenden Stromes (des Großen Fischflusses) entdeckt.“ Die Gegend, von der die Eskimos sprachen, zu erreichen, wollte Rae nicht gelingen.

Er überbrachte die Trauernachricht persönlich nach England und legte zugleich verschiedene Gegenstände vor, welche die Eskimos bei den Leichen gefunden hatten. Auf mehreren derselben waren Namenszüge eingegraben, aus denen sich mit Gewißheit ergab, daß diese Sachen Officieren Franklin’s gehört hatten. Nach Rae’s Berechnung fiel die Wanderung der weißen Männer über das Eis in das Jahr 1850, und es fragte sich nun, ob nicht einige von ihnen noch am Leben sein könnten. Die Eskimos hatten blos von vierzig Weißen gesprochen, aber auf beiden Schiffen befanden sich 129 Seeleute, und war es nicht möglich, daß viele dieser abgehärteten Männer ihr Dasein gefristet hatten? Die arktischen Reisenden, die man um ihr Gutachten bat, waren verschiedener Meinung. Scoresby[WS 2], Kellett, Sir John Roß und Oberst Sabine[WS 3] erklärten sich für die Möglichkeit, daß man einige noch retten könne, Rae und M’Clure sprachen sich dahin aus, daß an dem Untergange aller Begleiter Franklin’s nicht gezweifelt werden könne. Die Regierung gab dem letztern Gutachten den Vorzug, nicht so Lady Franklin. Die edle Frau, die in den ganzen früheren Jahren unaufhörlich thätig gewesen war, zu neuen Fahrten anzuspornen, und durch ein eigenes Fahrzeug, die Isabel, Nachsuchungen hatte anstellen lassen, rüstete noch einmal ein Schiff aus, den Dampfer Fox. Den Befehl übertrug sie dem Capitain M’Clintock, einem Begleiter Austin’s[WS 4] auf der Reise vom Jahre 1850.

Diese letzte Reise, deren Erlebnisse wir hier schildern wollen, hat keinem der Vermißten Rettung bringen können. Dagegen haben wir durch sie authentische Nachrichten von Franklin’s Schicksal erhalten, und der Mannschaft des Fox ist wenigstens die Befriedigung zu Theil geworden, auf dem Schauplatze der Katastrophe selbst einigen ihrer unglücklichen Landsleute eine letzte Ruhestätte bereiten zu können.

(Schluß folgt.)




Das Nervensystem.
Unorganische und organische Körper; Organismen mit Nerven.

Unsere Erde, mit allen ihren Schöpfungen, und höchst wahrscheinlich die ganze Welt, ist aus nur einigen 60 Stoffen aufgebaut. Diese Stoffe, welche auch „Urstoffe, Elemente, Grundstoffe oder einfache Körper“ genannt werden (s. Gartenlaube 1853. Nr. 28), lassen sich nicht weiter in andere Stoffe zerlegen, auch läßt sich keiner derselben in einen andern Grundstoff umwandeln, und jeder hat seine ganz bestimmten Eigenschaften oder Kräfte, welche er, so lange er für sich allein besteht, weder verlieren noch ändern kann. Durch die verschiedenartigen Vereinigungen der Urstoffe unter einander (wodurch sogenannte „zusammengesetzte Körper“ entstehen) ist nun nicht nur die so außerordentliche Mannichfaltigkeit der Erdgeschöpfe hinsichtlich ihrer Form herbeigeführt, sondern auch die ganz enorme Verschiedenheit in deren Kräften bedingt. Vereinigen sich nämlich mehrere Elemente mit einander und bilden einen neuen (zusammengesetzten) Körper, so erhält dieser durch die Verschmelzung der Eigenschaften der sich vereinigenden Elemente seine ganz bestimmten neuen Eigenschaften (Kräfte) und die der einzelnen verschmolzenen Elemente sind nicht mehr bemerkbar. Wird dann dieser zusammengesetzte Körper wieder in seine Elemente aufgelöst, so gehen natürlich mit der Auflösung desselben auch seine Eigenschaften (Kräfte) verloren und es erscheinen die Elemente mit ihren Eigenschaften wieder. Vereinigt man z. B. die beiden in ihren Eigenschaften sehr von einander abweichenden Elemente „Sauerstoff“ und „Wasserstoff“ mit einander, so bildet sich „Wasser“, ein Körper, welcher wieder ganz andere Eigenschaften besitzt, als seine Elemente. Zerlegt man das Wasser, so kommen natürlich jene beiden Elemente mit ihren bestimmten Eigenschaften wieder zum Vorschein, und die Kräfte des Wassers sind sammt dem Wasser verschwunden. Die zusammengesetzten Stoffe bilden die Hauptmasse des Geschaffenen, während die Grundstoffe (mit Ausnahme von Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff) rein nur sehr vereinzelt in der Natur vorkommen.

Auf der Erde gehen nun die Elemente, nachdem sie sich aus früheren Verbindungen losgetrennt haben, fortwährend neue Verbindungen ein und erzeugen so immerfort neue zusammengesetzte Körper mit neuen Kräften. Daher kommt es denn auch, daß die Erde auf ihrer Oberfläche und in ihrer Rinde seit Jahrtausenden ein immer anderes Ansehen erhalten hat und immerfort noch erhält. – In den allerfrühesten Zeiten bildeten sich blos, ohne Zweifel der eigenthümlichen damals herrschenden Verhältnisse wegen, durch einfache, aber sehr feste Vereinigung nur weniger Elemente, zusammengesetzte Körper von großer Einfachheit und ziemlich langer Existenz. Sie finden sich auch jetzt noch und zwar in flüssiger (luftförmiger oder tropfbarflüssiger), erdiger oder krystallinischer Form vor, werden „unorganische, todte, leblose, unbeseelte Körper“ genannt, bilden zusammen das „unorganische Reich“ und sind: die Luft, das Wasser, die Gesteine und der Erdboden, welcher letztere aber erst durch Zerstörung (Verwitterung) der Gesteine entstanden ist.

Allmählich erschienen dann auf der Erde, nach der theilweisen Zersetzung der unorganischen Körper und der daraus hervorgehenden Umänderung der Verhältnisse, aus einer größern Anzahl von Elementen zusammengesetzte Körper mit äußerst mannichfaltigen Eigenschaften (Kräften), welche durch die vielfach verschlungenen und sich durchkreuzenden Beziehungen und Verknüpfungen ihrer Grundstoffe zu einander sehr complicirte, aber lockere Verbindungen darstellen. Sie sind eben wegen der leicht trennbaren Verbindung ihrer Elemente auch leicht zerstörbar und vergänglich, von kurzer Dauer und bedürfen überhaupt zu ihrem Bestehen eines fortwährenden Sichneubildens. Bei ihrer Zerstörung, wo sie sammt ihren Eigenschaften aufhören zu sein, lösen sie sich natürlich ebenfalls wieder in ihre Elemente auf, die dann abermals in neue Verbindungen (Körper) ein- und zusammentreten. Es besitzen nun diese äußerst complicirt zusammengesetzten Körper bald eine größere, bald eine geringere Anzahl

Anmerkungen (Wikisource)

  1. John Rae, schottischer Arzt und Polarforscher (1813–1893) (Quelle: Wikipedia)
  2. William Scoresby, britischer Walfänger und Polarforscher (1789–1857) (Quelle: Wikipedia)
  3. Sir Edward Sabine, irischer Astronom (1788–1883) (Quelle: Wikipedia)
  4. Sir Horatio Thomas Austin, britischer Marineoffizier und Polarforscher (1801–1865) (Quelle: Wikipedia)
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_007.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)