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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

„Nun wohl, so hören Sie denn. Es ist mir gelungen, diejenigen Leute, zu denen ich mich in die Casematte habe sperren lassen, mir unbedingt gehorchen zu machen. Ich habe Verbindungen mit mehreren anderen Casematten der Festung anzuknüpfen gewußt, in denen ebenfalls einzelne Officiere, die ihr Ehrenwort, nicht zu fliehen, verweigert haben, mit Gemeinen zusammengesperrt sind. Ich habe dort überall Anführer wählen lassen, die gelobt haben, meine Befehle anzunehmen. Ich habe mir einen Plan der Festung verschafft. Ich bedarf jetzt nur noch sehr weniger vorbereitender Schritte, um das Signal geben zu können, nach welchem alle diese Gefangenen im selben Augenblick losbrechen, ihre Wachen überwältigen und sich zum Herrn der Festung machen werden. Ich übernehme dann das Commando von Magdeburg und halte die Festung so lange, bis unsere große Kaiserin mir ihre Befehle hat zugehen lassen.“

„Der Teufel! der Plan ist großartig!“ rief von der Trenck aus – wie es schien, nicht ganz erfreut von der Aussicht, daß er in’s Werk gesetzt werde.

„Was sagen Sie dazu, Herr Camerad?“

„Woher wollen Sie Waffen bekommen?“

„Wir nehmen sie der Besatzung ab. Wir haben sechs- bis achttausend österreichische Gefangene in der Festung. Meine Einleitungen sind so getroffen, daß ihrer vier- bis fünftausend etwa auf meinen Befehl sofort losbrechen können. Die ganze Besatzung besteht aus höchstens 1500 Mann – keine kriegsgeübten Feldtruppen, sondern Landmilizen, die nichts lieber thun, als ihre Flinten wegwerfen, um nach Hause zu kommen.“[1]

„Aber die Geschütze? Man wird gewiß die Geschütze den Eingängen der Casematten gegenüber aufgepflanzt haben und Ihre Leute niederkartätschen, wenn sie ausbrechen!“

„Nun, die Geschütze müssen wir, wenn sie vertheidigt werden, freilich nehmen, ebenso gut wie irgend eine Redoute in der Schlacht.“

„Dann fehlt Ihnen die Munition, wenn Sie die Geschütze haben.“

„Wir können die Geschütze vernageln, umstürzen, mit Erde verstopfen – aber allerdings wäre es besser, wenn wir uns Munition verschaffen könnten. Darum eben mache ich Ihnen diese ganze Eröffnung; gesellen Sie sich zu uns, stellen Sie sich unter mein Commando, geben Sie Ihren Schlüssel zu unserer Casemattenthüre her, um uns das plötzliche Losbrechen zu erleichtern, und geben Sie mir jetzt von Ihrem Golde – damit wird es mir möglich sein, Munition zu bekommen!“

„Wie wollen Sie das anfangen?“

„Lassen Sie das mein Geheimniß sein; um es Ihnen zu erklären, müßte ich Namen nennen, die ich versprochen habe zu verschweigen.“

„Also ganz Magdeburg wollen Sie in Ihre Gewalt bringen?“ sagte leise flüsternd und nachdenklich von der Trenck.

„Und Sie sollen dazu helfen!“

Von der Trenck schüttelte zweifelnd den Kopf.

„Sie wollen nicht?“

„Ich will mir’s überlegen, Herr Camerad,“ sagte Trenck. „Wir haben ja Zeit, uns noch weiter darüber zu besprechen.“

„Nun wohl, ich will morgen wieder zu Ihnen kommen. Oder ziehen Sie vor, mir meinen Besuch in meiner Casematte zu erwidern?“

„Nein,“ versetzte Trenck. „Ich würde dort drüben von zu vielen Leuten gesehen werden – es könnte ein Verräther darunter sein. Kommen Sie zu mir. Nur in den Stunden von Neun bis Mittag bin ich nicht im Stande, Sie zu empfangen. Um Neun muß ich beginnen, die Spuren meines Ganges zu verbergen, und dann in meine Fesseln zurückschlüpfen und sie mit Brod verkitten – um Mittag kommt man zur Inspection und mit meinem Essen.“

„So komme ich morgen Abend wieder,“ entgegnete Frohn.

„Gut, der Gang soll dann geöffnet sein. Auch will ich Ihnen Gold geben.“ Von der Trenck holte eine seiner Rollen herbei und übergab sie Frohn. „Hier sind fünfzig Louisd’or!“ sagte er; „aber warten Sie,“ fuhr er fort, das Gold zurücknehmend, „ich will Sie Ihnen in einem anständigen Etui geben – eine goldene Tabatière habe ich zwar nicht, aber etwas Anderes, was noch werthvoller ist als eine goldene Tabatière; ein Werk meiner Hand – behalten Sie es als Andenken.“ Er nahm etwas aus der Ecke hinter seinem steinernen Tisch hervor und nachdem er die Goldrolle hineingeworfen, überreichte er es Frohn. Es war ein zinnerner Becher, ganz dem ähnlich, den wir schon in Frohns Händen sahen, über und über mit Bildern und Sprüchen bedeckt.

„Was … Sie sind der Mann, der diese merkwürdigen Becher macht?“

Von der Trenck nickte stolz mit dem Kopfe. „Es ist nicht der erste, den Sie sehen?“

„Man hat mir einen geschenkt … aber als Andenken soll mir dieser darum nicht minder werth sein. Ich habe noch heute bei der Betrachtung des meinigen den lebhaftesten Wunsch gefühlt, mit dem Gefangenen, der sie mache, in Verbindung zu kommen. Aber ich muß Ihnen dabei bekennen, daß ich überzeugt war, der Schöpfer dieser feinen und wunderbar künstlichen Arbeit sitze ganz ohne Zweifel als Falschmünzer, Schriftenfälscher oder etwas dem Aehnliches gefangen … ich dachte, er werde der rechte Mann sein, um durch ihn falsche Schlüssel und dergleichen Arbeiten vorkommenden Falls besorgen zu lassen. Ich habe Ihnen Abbitte zu thun!“

„Ja, da haben der Herr Camerad sich freilich geirrt!“ fiel Trenck stolz ein.

Frohn steckte den Becher und das Gold zu sich und mit den Worten: „Nun, nichts für ungut!“ reichte er dem Gefangenen die Hand.

Dieser schüttelte sie mit anscheinender Herzlichkeit, und Frohn zündete jetzt das Licht in seiner Laterne wieder an. Dann ließ er sich in die Grube hinabgleiten und verschwand in der Erde.

(Fortsetzung folgt.)



Ein ehemaliger Klostergarten.

Nur wenige Orte dürfte es geben, welche in so gleichem Maße durch die Reize, womit die Natur sie freigebig schmückte, und die historischen Erinnerungen, die an ihren Namen sich knüpfen, sich auszeichnen, als dies mit dem 11/4 Meile von Danzig gelegenen säcularisirten Cistercienser-Kloster Oliva der Fall ist. Im Jahre 1178 durch Sambor II., Herzog von Pommerellen – dasselbe, auch das „Land der Kassuben“ genannt, und ein Lehen des stammverwandten Polens, an welches es auch im Jahre 1294 zurückfiel, umfaßte den heutigen preußischen Regierungs-Bezirk Danzig, die größere Halbscheid des Regierungs-Bezirks Marienwerder und einen kleinen Theil Hinterpommerns – zur Erfüllung eines Gelübdes gegründet, ad montem olivarum (woraus durch Contraction der heutige Name entstand) benannt und mit Cistercienser-Mönchen besetzt, ward es bald ein Brennpunkt der Civilisation in den baltischen Ländern und eine Leuchte in der dunklen Nacht der Unwissenheit, des Aberglaubens und der Barbarei, die damals noch über jenen Provinzen lagerte.

Gar mancher in Lehre und Leben ausgezeichnete Mann ging aus dem Kloster hervor; so schon im zweiten Viertel des 13. Säculums jener Abt Christian, der gemeinsam mit dem Herzoge Konrad von Masovien die deutschen Ordensritter zur Bekehrung (und Unterjochung) der heidnischen Preußen in’s Land rief, dadurch Veranlassung gab zur Gründung der merkwürdigen Aristo-Theokratie des deutschen Ordens in Preußen, und selbst erster Bischof von Westpreußen zu Culm ward. Papst Innocenz IV. verlieh (1240) dem Kloster die Befreiung von jeglicher bischöflicher Jurisdiction, so daß der Abt von Oliva fortan in geistlichen Dingen nur von dem Papste und dem General seines Ordens abhängig sein sollte. Fromme oder auf ihr Alter zu reuigen Sündern gewordene Große statteten das Kloster mit Geld und Besitz an liegenden Gründen aus, und Polens Könige, welche 1466 in den Besitz von Westpreußen gelangt und somit des Stiftes Landes- und Schirmherren geworden waren, verliehen den Aebten auf den Landtagen Westpreußens eine eigne Stimme und den Rang unmittelbar nach den

  1. Die Landmilizen waren eine schon unter dem großen Kurfürsten vorkommende Art Landwehr.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_308.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2021)