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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

worin etwas wie Ironie lag, „nicht etwa an den Mann, der Sein Schuldner ist?“

„Nein, Majestät!“ versetzte Frohn sehr ernst und entschieden.

„Nun wohl,“ fuhr der König fort, „ich glaube Ihm das. Und indem ich Ihm das versichere, meine ich, hat Er die Absolution, die Er wünscht. Der Charakter Seiner Handlung bestimmt sich danach, ob sie ganz uneigennützig war oder nicht!“

„In der That, und ich danke Ew. Majestät auf’s Ehrerbietigste für die Absolution.“

Der König zerriß jetzt die Schrift in mehrere kleine Stücke.

Dann nickte er Frohn einen herablassenden Gruß zu und sagte kalt und gemessen:

„Er ist entlassen!“

Frohn wandte sich und schritt in militärischer Haltung zur Thüre. Als er diese fast erreicht hatte, rief König Joseph ihm nach:

„Wart’ Er noch!“

Frohn wandte sich wieder der jungen Majestät zu.

Diese schien etwas unschlüssig über das, was sie sagen wollte. Joseph bewegte einen Augenblick die Lippen, ohne zu sprechen, dann sagte er:

„Ich habe einen Auftrag für Ihn. Melde Er seinem Chef, dem Feldmarschall Graf Aspremont, ich wünsche in den nächsten Tagen ihn zu sehen.“

„Zu Befehl, Ew. Majestät.“

Der König winkte mit der Hand, Frohn ging, und gleich darauf schloß sich die Thüre des königlichen Cabinets hinter ihm.

In der besten Stimmung verließ er die Burg. Sein Gewissen war um eine Centnerlast erleichtert und schlug voll Dankbarkeit für König Joseph, der ihn verstanden und dadurch am meisten geehrt hatte, daß er ihm keine Belohnung angeboten. Denn in der That, und der König hatte sehr richtig es bemerkt: wenn für Frohn irgend ein Vortheil, ein bedeutender Gnadenbeweis das Ergebniß seiner Thätigkeit gewesen wäre, so hätte diese letztere dadurch in höchst bedenklicher Weise einen andern moralischen Charakter bekommen.

In der Frühe des andern Morgens machte sich Frohn auf, die im Hotel der Arcieren-Leibgarde für ihn bereiteten Zimmer zu beziehen. Er hatte verschiedene Gründe dazu; das hübsche Thereserl weinte einige Thränen der Rührung und Dankbarkeit beim Abschiede; im Grunde war auch sie ihm dankbar dafür. Es war besser so!


7.

Es waren etwa vierzehn Tage vergangen, die sich für unsern Freund einförmig und ereignißlos abgesponnen hatten, zwischen viel freier Muße und einigen wenigen Dienstleistungen getheilt.

Das Wiener Früchtl, der Franz Fellhamer, war während dieser Zeit abgeurtheilt; man hatte ihn „zum Militär assentirt“ und als ehemaligen Reitscholaren unter ein Husaren-Regiment gesteckt.

Eines Morgens war große Ceremonie am kaiserlichen Hofe. Ein neuer französischer Gesandter hielt seine Auffahrt und hatte die erste feierliche Audienz. In den Gängen und Vorsälen paradirten die verschiedenen Leibgarden. Frohn stand als Flügelmann der Arcieren in der Antecamera zunächst dem großen Stiegenhause, wie seine Cameraden in voller Galla. Nach einer halben Stunde war Alles zu Ende. Eine Weile nachdem der Botschafter durch den Obersthofmeister bis in das letzte Vorzimmer, durch den Ober-Ceremonienmeister und zwei Kammerherren bis an seine Carosse zurückbegleitet war, kamen in einzelnen Gruppen auch die Herren vom Hofstaat aus den inneren Gemächern heraus.

Einer dieser Herren blieb in der Antecamera der Arcieren stehen, überblickte wie suchend die zu beiden Seiten im Spalier aufgestellte Mannschaft und gab Frohn einen Wink.

Dieser trat vor.

Der Hofcavalier jedoch, statt sich an ihn zu wenden, richtete jetzt einige Worte an einen andern Herrn und unterhielt sich mit diesem in gemüthlicher Muße, ohne sich weiter um den Arcier zu bekümmern.

Der ergraute alte Herr, welcher als Capitain-Lieutenant die Arcierengarde heute commandirte, nachdem er es durch lange Dienste in der Armee bis zum Generalmajor gebracht, befehligte jetzt seine Leute zum Abmarsch.

Frohn überhörte den Befehl und blieb, wo er stand.

Der Hofcavalier schien diesen Augenblick abgewartet zu haben. Er trat dicht an ihn heran und sagte:

„Der römische König reitet sogleich zur Jagd nach Laxenburg. Er wünscht Sie in seinem Gefolge zu sehen.“

„Zu Befehl,“ versetzte Frohn, von dieser Nachricht sehr angenehm überrascht, „ich werde sogleich gehen und mir den dazu erforderlichen Urlaub holen.“

„Das wird nicht nöthig sein,“ antwortete der Hofcavalier mit einem eigenthümlich bedeutsamen Lächeln. „Ich würde Ihnen rathen, es zu unterlassen! Was ich Ihnen gesagt habe, reicht hin.“

Der Cavalier ging jetzt und ließ den Arcier in einiger Betroffenheit zurück. Die Dienstvorschrift ließ gar keine Deutungen zu, und was der Herr im goldbordirten Sammtrock eben zu ihm gesprochen, war vielleicht nichts, als eine höchst müßige Privatansicht desselben. Vielleicht war es aber auch mehr. War es nicht möglich, daß der König, eifersüchtig auf sein Ansehen, nicht wollte, daß, wo er eine Bestimmung getroffen, noch andre Leute um ihre Einwilligung gefragt würden, und wenn es auch nur um der bloßen Form willen geschah? Möglich war es allerdings. Frohn erbat sich deshalb keinen Urlaub, sondern ging die Stiegen hinunter, begab sich in den Hof der Burg, an welchen die Gemächer König Josephs stießen, und kam hier gerade in dem Augenblicke an, wo eben ein Dutzend gesattelter Pferde herbeigeführt wurde.

Eine Viertelstunde später traten alle zum Jagdgefolge des Königs gehörende Herren aus einem der Schloßportale auf den Hof hinaus, gleich hinter ihnen kam der römische König selbst, und Alles schwang sich in die Sättel. Unserem Arcier wurde ein großer Rappe vorgeführt. Als er aufgesessen war, überragte er auf dem mächtigen Thiere mit seiner hohen Gestalt und in seiner Scharlachuniform das ganze kleine Geschwader.

Der König schien keinen Blick für ihn zu haben. Desto mehr hatten dies die übrigen Herren, die verwundert diesen Saul unter den geschmeidigen Propheten des Vorzimmers erblickten. An der Burgwache, welche das Spiel rührte, vorüber, durch das Burgthor, verließ die Cavalcade die Stadt und setzte ihre Thiere bald in rasche Bewegung.

In Laxenburg war Alles für das Jagdvergnügen des Königs bereitet. Man brachte den folgenden Tag damit zu; Frohn nahm den unbefangensten Antheil daran, zeigte sich als einen vortrefflichen Schützen und kümmerte sich wenig darum, daß er nicht begriff, weshalb ihm König Joseph die Ehre erwies, ihn mit nach Laxenburg zu nehmen – in einer Gesellschaft, die ihm nur eine kühle Herablassung bezeigte, während der König selbst keine Sylbe mit ihm wechselte.

„Er muß seine Gründe haben,“ dachte unser Arcier, und als man am dritten Tage nach der Stadt zurückgekehrt war, ging er ruhig dem Strafgericht entgegen, das ihn hier erwartete. Seine Abwesenheit aus der Stadt war in der That bereits dienstlich gemeldet, und der altersgraue Lieutenant rief ihn beim nächsten Appel aus der Reihe vor.

„Arcier Frohn, man war drei Tage lang aus dem Garnisonsorte entfernt und ließ sich bei einem kleinen Jagdvergnügen, wie ich höre, verwenden; wer hat Ihm Urlaub dazu gegeben?“

„Ich war von Seiner Majestät dem römischen König dazu befohlen,“ versetzte Frohn.

„Haben Seine Majestät Ihm befohlen, die Dienstvorschriften zu verletzen?“

„Nein.“

„Er hat drei Tage lang Stubenarrest. Herr Vice-Second-Wachtmeister, man vermerke es in’s Journal!“

Frohn ergab sich still in das Unabänderliche und saß seinen Stubenarrest ab. Ein Paar Wochen vergingen. Frohn hatte ein paar Mal wieder Posten stehen müssen vor der cassirten Thüre, ohne alle Abenteuer. Da, an einem schönen Herbsttage, früh Morgens, trat ein Hoflakai in sein Zimmer. Er hatte dem Herrn Arcier zu vermelden, daß der römische König ihm befehlen lasse, an seiner Jagd Theil zu nehmen, zu der er um Schlag zehn Uhr nach dem Kahlenberg hinausreiten werde.

„Werde ich um Urlaub dazu bitten müssen?“ fragte der Arcier.

„Ich glaub’ halt nicht,“ antwortete der Diener; „der Hofcavalier, der mich hersendet, hat etwas davon fallen lassen, es werde nicht gewünscht; aber der Herr Arcier müßten’s selber wissen, was Sie thun.“

Der Arcier war in der That bereits entschlossen. Er bat

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