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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

und Gabeln, und funfzehn Minuten später sitzen alle Passagiere wieder oben, um lesend, Nüsse knackend, kauend oder auch, was weniger ansprechend, die Zähne reinigend das Ausräumen der Kajüte abzuwarten. Dasselbe Schauspiel wiederholt sich gegen Abend, nur daß dann, nach Entfernung der Tische, die Neger zum Aufschlagen der Betten schreiten, welche an den Wänden zu dreien übereinander angebracht werden, sodaß sie an sinnig zusammengeketteten eisernen Stangen theils von der Decke nieder hängen, theils sich auf den Boden stützen, und nur einen schmalen Gang in der Mitte offen lassen. Wiederum erfolgt ein allgemeines Wettrennen, denn Jeder trachtet eins der obern Betten zu erlangen und weicht oft nur der Gewalt, um sich mit einem der untern zufrieden zu geben. In dem durch eine bewegliche Wand für die Damen abgeschiedenen Theile geht es dagegen stille zu, indem der Amerikaner bei seiner lobenswerthen Hochachtung vor dem schönen Geschlecht, wo nur immer thunlich, demselben mit Freuden die größeren Bequemlichkeiten gönnt.

Das allgemeine Entkleiden dauert nur wenig Minuten; Uhren und Geldbörsen wandern unter die Kopfkissen, und bald darauf verschwindet Jeder hinter dem Mosquitonetz, welches sein Bett zum Schutz gegen die bösen nächtlichen Feinde umgibt.

Das Canalboot und sein Landtransport.

Die unerbittlichen Neger beginnen ihr Werk des Weckens schon in aller Frühe. Aus den Betten geht es zu einem Aufwärter, um die während der Nacht aus dem geheimsten Winkelchen des Lagers entwendeten und frisch geschwärzten Stiefeln gegen ein gutes Trinkgeld einzulösen; von dort führt der Weg an die gemeinschaftlichen Waschbecken und Handtücher; demnächst hinauf auf’s Verdeck und wieder hinab an den Frühstückstisch, und alles dieses in so schweigender Weise, daß man oft sein Ziel erreicht, ohne auch nur den Namen eines einzigen Mitreisenden, und von Manchem kaum den Ton seiner Stimme vernommen zu haben.

Die Güterboote nun, oder vielmehr ein großer Theil derselben, sind indessen nicht an ein und denselben Canal gebunden, sondern unternehmen, um der zeitraubenden Arbeit des Umladens überhoben zu sein, oft weite Reisen auf den Eisenbahnen, um auf andere Canäle und kleinere schiffbare Flüsse zu gelangen. Zu diesem Zweck sind sie so gebaut, daß der Stern, der Rumpf und das Vordertheil durch drei besondere Kasten gebildet werden. Mittelst starker eiserner Haken und Krampen sind diese drei Theile so genau und fest mit einander verbunden, daß nur eine kaum wahrnehmbare Fuge die Stellen bemerklich macht, wo die das Fahrzeug vervollständigenden Kasten von einander getrennt werden können.

In diesem Zustande legt das mit Gütern schwer befrachtete Boot seine Reise auf dem Canal bis dahin zurück, wo seine Ladung eine andere Richtung auf der Eisenbahn einzuschlagen bestimmt ist. Dergleichen Stationen befinden sich gewöhnlich, wo ein Höhenunterschied des Wasserspiegels Schleußen nothwendig gemacht hat. Eine abgesonderte Schleuße ist zur Verladung der Frachtboote bestimmt, und von der nahen Eisenbahn führen Schienen bis in das Becken hinein. Soll nun ein Fahrzeug auf die Eisenbahn geschafft werden, so schiebt man drei zur Aufnahme bestimmte Wagen in die trocken gelegte Schleuße, schließt die Ausgangspforten, und demnächst wird das Wasser zugelassen. Mit Leichtigkeit fährt das betreffende Boot sodann in das angefüllte Becken, die Eingangspforten schließen sich, das Wasser wird abgelassen, die das Boot bildenden Kasten werden von einander getrennt und senken sich, von kundigen Händen in bestimmter Richtung und Lage gehalten, jeder auf den ihm zugedachten Wagen. Eine bereit stehende Locomotive

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 685. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_685.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)