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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Bilder aus dem Kaukasus.
Nr. 2.
Bajazid in Armenien.

Das Fahren war mir herzlich verleidet, weshalb ich von dem freundlichen Anerbieten, die kurze Strecke bis Bajazid, welches am Fuße des Allah-Dag oder Gottesberges in der alten armenischen Provinz Bakewant liegt, auf einem persischen Renner zurückzulegen, gern Gebrauch machte. Aber mein Pferd war ein besserer Renner und Springer, als ich Reiter. Ueber die

Das Schloß in Bajazid.
Nach der Natur aufgenommen von Paul v. Franken.

Steine und Untiefen des Weges setzte er ohne Zweifel mit der graziösesten Leichtigkeit hinweg, aber man hatte ihm einen Kosakensattel aufgelegt, in dem ich anfänglich stolz wie ein Kosake paradirte, bald genug aber gar erbärmlich situirt war. Bald glaubte ich in eine Pfütze versinken, bald zwischen Felsgestein meine armen Knochen zerbrechen zu müssen. So gelangte ich endlich vor den Terrassen an, auf denen die türkisch-armenische Festung bis zu dem Schlosse auf der Höhe malerisch emporsteigt. Da meine Reisegefährten ein Bild von diesem prachtvollen Punkte wünschten, so stieg ich um so lieber von meinem Gaule und zeichnete zuerst die Jahrhunderte alte sogenannte weiße Festung, die sich weit in die Steppe vorschiebt, dann die Stadt und zuletzt das erst in neuester Zeit mit verschwenderischem Perserluxus erbaute Schloß. Dasselbe erhebt sich auf einem Felsen, überragt die Stadt und besteht aus einem hohen und viereckigen, mit zahlreichen Fenstern und reichen Verzierungen versehenen Gebäude. Noch gut erhaltene Mauern schließen es ein und legen hinlängliches Zeugniß von ihrer Festigkeit ab. Mitten darin ragt ein Minaret hervor, neben welchem sich wahrscheinlich auch eine Moschee befindet. Gleich allen Städten des Orientes täuscht auch Bajazid aus der Ferne. Man erwartet eine wunderschöne Stadt vor sich zu haben, kommt man jedoch näher, so schwindet eine Illusion nach der andern.

Von einer Promenade in den Straßen ist gar keine Rede; denn Straßen, besonders gepflasterte, sind hier ein unbekannter Luxus. Man klettert bald über schlecht angelegte Treppen, voltigirt bald über Löcher, steht bald auf einem Lehmhaufen, bald aber befindet man sich oben auf einem Dache, denn die meisten Wohnungen sind halb oder ganz in die Erde hineingebaut, und das Dach des einen Hauses vertritt deshalb sehr oft den Hofraum und Unrathplatz des Nachbarhauses.

Man sieht nur elende Hütten, die mit der schönen, obwohl wilden und romantischen Umgebung einen keineswegs angenehmen Contrast bilden. Felsen in den mannigfachsten Formen und verschiedenen Farben wechselten mit grünen Matten ab. Hinter uns breitete sich die Ebene weiter aus, begrenzt von Bergen, über denen der schneebedeckte Ararat majestätisch emporragte. Der Gesammteindruck ist großartig, sobald freundlicher Sonnenschein die Umgegend beleuchtet und mächtige, mit Lichtpunkten abwechselnde Schattenstreifen sich über die Landschaft ausbreiten. Das Schloß ist das einzige Gebäude von Bedeutung, das noch erhalten ist, alles Uebrige ist unbedeutend und zum Theil verwüstet. Die arme Stadt zählt gegenwärtig etwa noch 18,000 Menschen, meist räuberische Kurden und Armenier, und im ganzen Paschalik, welchem die Stadt den Namen gegeben, kommen durchschnittlich kaum 30 Seelen auf die Quadratmeile. – Meine Reisegefährten hatten nicht auf mich gewartet.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_325.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)