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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

ihm in der gemäßigten Kammer keine große Popularität zu gewinnen, so berief ihn die Achtung seiner Wähler nach dem unglücklichen Ausgange des Krieges gegen Oesterreich im Jahre 1849 doch wieder in die neue Kammer und lenkte die Aufmerksamkeit des seit Victor Emanuel’s Thronbesteigung zum Ministerpräsidenten ernannten d'Azeglio auf seine Person; nach Santa Rosa’s Austritt wurde er in’s Cabinet berufen und mit dem Handelsministerium betraut, das er im Jahr 1851 mit dem der Finanzen verband. Jetzt war ihm die Bahn geöffnet, seine beglückenden Reformen in’s Leben zu rufen. Schienen auch die Zeitverhältnisse eines durch einen unglücklichen Krieg zerrütteten, wie politisch und volkswirthschaftlich seit länger als fünfzig Jahren zu Grunde gerichteten Staates nicht eben zur Durchführung großer Reformen geeignet, so gelang es Cavour doch bald, eine neue volkswirthschaftliche Politik im Geiste des Freihandels anzubahnen, Handelsverträge mit Oesterreich, England, Frankreich, Belgien etc. abzuschließen, Straßen und Eisenbahnen anzulegen und Handel und Verkehr einen neuen, nicht geahnten Aufschwung zu geben. Bald sah sich Marquis d’Azeglio genöthigt, dem einflußreichen Manne zu weichen, der im October 1852 an die Spitze der Geschäfte trat. Es überschreitet den zugemessenen Raum, alle die bedeutsamen Reformen zu nennen, die unter Cavour’s Präsidentschaft Sardinien beglückten. Da er fast immer ein, zwei, selbst drei Portefeuilles mit dem Vorsitz im Ministerium verband, so konnte er helfend und fördernd in alle Zweige des Staatslebens eingreifen. Die offene und ehrliche Durchführung der Verfassung von 1848 brachte ihn in vielfache Streitigkeiten mit der ihm widerstrebenden Geistlichkeit, allein er ließ sich nicht beirren und setzte - was das gewaltige Oesterreich niemals gewagt hat – den Verkauf der Besitzungen zu todter Hand durch und entzog den Klöstern und religiösen Körperschaften das wichtige Monopol des Unterrichts. Der heilige Vater in Rom zürnte gewaltig und bedrohte Cavour wie den König selbst mit dem großen Banne der Kirche; allein auch dieses Schreckmittel schlug nicht an. Neue Schwierigkeiten traten ihm entgegen, als er jetzt neben der freisinnigen innern Politik auch nach außen dieselbe Richtung zu verfolgen beschloß. Unabhängigkeit und Einheit des freien Italiens war das erhabene Ziel, dem er fortan alle seine Kräfte widmete. Um sich dafür die Unterstützung Englands und Frankreichs zu verschaffen, bestimmte er den König und die Kammern, dem westmächtlichen Bündniß gegen Rußland beizutreten und Sardinien selbstthätig am Kriege mit dem moskowitischen Czaren zu betheiligen. Die Tapferkeit der sardinischen Truppen erwarb ihnen die Achtung des Auslandes.

Nach Beendigung des Krieges im Orient trug Cavour Sorge, Rußland wieder zu versöhnen, und bedachte sich nicht lange, den Hafen Villafranca an Rußland zu überlassen, um diese Macht günstig für Sardinien zu stimmen. Auf dem Congreß von Paris trat er mit lauter Anklage gegen die trostlos reactionäre Wirthschaft im österreichischen Italien wie im Kirchenstaate auf; seine Worte zündeten in seinem großen italienischen Vaterlande, das ihm durch feierliche Kundgebungen seine Dankbarkeit darbrachte. Als der Kampf mit dem Kaiserstaat Oesterreich begann, konnte sich Cavour auf die Unterstützung Frankreichs, dem er selbst schwere, kaum zu entschuldigende Opfer in seiner innern Politik brachte, verlassen. Wie er aber jede europäische Situation zur Schaffung eines freien italienischen Gesammtstaats benutzte, so trug er auch kein Bedenken, sich, falls er seinem Lande damit einen wesentlichen Dienst leisten konnte, zurückzuziehen, um sich für bessere Zeiten aufzubewahren, so z. B. nach dem Frieden von Villafranca, wo er sich freiwillig dem Schein einer Niederlage unterwarf. Mit welch unübertrefflicher Meisterschaft er es verstand, die Parteien zu einigen, die störrischen Gemüther zu versöhnen, alle Kräfte des Volkes dem einzigen und alleinigen Ziele, der Herbeiführung eines freien, in volksthümlicher Einheit gesicherten Staatenlebens, zuzuwenden, hat sein Wirken in diesem Jahre glänzend bewiesen. Ihm zunächst – dies mögen seine kleinherzigen Tadler nicht vergessen, verdankt Europa den Frieden dieses Jahres. Allein die rastlose Thätigkeit, der er sich hingab, die Bürde der Arbeiten, die auf seinen Schultern lastete, zog ihm in den ersten Tagen dieses Monats eine Krankheit zu, an welcher er wohl weniger, als an der unvernünftigen Blutdürstigkeit seiner Aerzte, die ihm sechs Aderlässe verordneten, unterlag. Die in unseren Tagen weit vorgerückte medicinische Wissenschaft scheint noch nicht bis Italien vorgedrungen zu sein, und selbst das Königshaus Savoyen hat in dem letzten Säculum der bedauerlichen Ignoranz der dortigen Aerzte zwei Opfer bringen müssen!

Cavour verschied am 6. Juni früh gegen 7 Uhr im rüstigen Mannesalter von 51 Jahren. An seinem Sarge weint Italien. Aber die für Völkerfreiheit und Nationalwohl schlagenden Herzen in ganz Europa trauern nicht minder tief um den Hintritt jenes großen Mannes, der noch in den fernsten Jahrhunderten als der geistige Retter seines Vaterlandes, als der Vorkämpfer für die freiheitlichen Ideen unseres Welttheils, als der größte Staatsmann seiner und aller Zeiten genannt und gepriesen werden wird.




Ankunft der Colibris und der Leuchtkäfer in den nordamerikanischen Städten.
Von K.

Es ist eine merkwürdige Erscheinung in der Naturgeschichte der beiden amerikanischen Continente, daß sie eine Menge Pflanzen und Thiere unter sich gemeinsam haben, die sich weit auf dem ganzen langen Rücken der neuen Welt, sowohl gegen den Südpol, als gegen den Nordpol hin verbreiten, während sie sonst in keiner Zone der anderen Continente gefunden werden. Der Puma oder der amerikanische Löwe findet sich in Canada, wie auch unter dem Aequator und südwärts hinab bis nach Patagonien. Die so fruchtbare wie furchtbare Klapperschlange hat in manchen Strichen Canada’s eben so stark besuchte Brutplätze wie in Venezuela und Brasilien. Eine Menge tropischer Gewächsformen dringen mit verschiedenen ihrer Varietäten im Mississippithale weit höher nordwärts hinauf, als es bei uns der Fall ist. Dasselbe thun einige Gattungen von Papageien und andere Thiere, welche ich hier nicht alle aufzuzählen nöthig habe.

Ich will unter ihnen allen nur eines, das kleine Sonnenkind, den goldigen Colibri hervorheben, weil ich ihm einige sehr genußreiche Augenblicke verdanke, und hoffe dem Leser dieses Blattes ein hübsches Bild davon in seine Gartenlaube bringen zu können. Obgleich jenes zierliche Vögelchen schon im ersten Frühling seine Wanderung in großen Schaaren nach dem Norden antritt und in der Mitte des Sommers sogar an den Ufern der canadischen Seen häufig genug zu finden ist, so hatte ich doch drei Jahre lang in den Vereinigten Staaten gelebt und gereist, ohne daß es mir gelungen wäre, auch nur einen dieser „geflügelten Brillanten“ irgendwo ansichtig zu werden. Ueberall, wohin ich kam, hatte ich den rechten Zeitpunkt verfehlt. Entweder wurden die Colibris erst eben erwartet, und ich hatte keine Zeit, zu verweilen, oder sie waren so eben nach dem Süden heimgekehrt, und ich konnte den Liliputanern, die mir wie Elfchen entschlüpften, nicht nacheilen. Es mag auch bei uns wohl manchem Europäer mit dem berühmten Vöglein Zaunkönig eben so gegangen sein, von dem Jeder viel gehört und den doch nicht Jeder im Busch beobachtet hat. Ja, gesteht doch selbst der berühmte aus Schottland gebürtige Ornithologe Alexander Wilson Band I. Seite 171. seiner „American Ornithology“, daß es ihm nie in seinem Leben gelungen sei, eine lebendige Nachtigall zu sehen oder zu hören. –

Endlich blieb ich einmal in der Congreßstadt Washington einen ganzen Winter und Frühling hindurch auf demselben Platze, und siehe, da kamen denn die hübschen kleinen Wanderer zu mir, und ich bekam nun hinreichende Gelegenheit, mich mit ihnen bekannt zu machen und zu vergnügen.

Es ist den Naturforschern bekannt, daß es nördlich vom mexikanischen Meerbusen in der Hauptsache[1] nur eine Gattung von Colibris giebt, die sie „„Trochilus Colubris“ oder den „nördlichen Colibri“ nennen. Das Körperchen dieses Trochilus, wenn man ihm seine Federn nimmt, ist nicht viel größer als der Leib einer großen Hummel, und sein Nest hat nur einen Zoll im Durchmesser

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_406.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)
  1. Allerdings hat man an den nördlichen Küsten des stillen Oceans noch eine zweite gefunden, deren Verbreitungsgebiet aber nicht so groß ist.