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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

ihnen einsahen, daß eine gemeinsame Berathung über ihre gegenwärtige Lage und Zukunft und gemeinsames Handeln nöthig sei, schrieb zu diesem Zwecke eine Gemeinde der andern und lud nach Schwarzach ein, das zum Versammlungsorte gewählt wurde. Am 5. August 1731 kamen dort über hundert erfahrene Männer, die Aeltesten der Gemeinden, zusammen.

Es war eine ernste, feierliche Stunde. Auf einem Tische, der noch heutiges Tages den Reisenden gezeigt wird, stand ein Salzfaß. Sie traten um den Tisch, nahmen etwas vom Salze mit benetztem Finger, verschluckten es und schwuren, eher Leib und Leben zu lassen, als von ihrem Glauben zu weichen. Zugleich verkannten sie nicht, daß ihnen daraus die Nothwendigkeit entstehen könne, Haus und Hof zu verlassen, und sandten daher einige aus ihrer Mitte fort, bei den protestantischen Mächten nachzufragen, wieviel diese wohl von ihnen bei sich aufnehmen möchten. – Da erhoben die Pfaffen über diese Vorgänge wüthendes Geschrei. Aufruhr, Rebellion war es in ihren Augen, und kein Mittel durfte unversucht bleiben, diese Widersetzlichkeit gegen alle geistliche und weltliche Auctorität zu ahnden. Waren nicht die Evangelischen jene „verfluchten Ketzer“, zu deren Bekehrung jedes Mittel, auch das verruchteste, anzuwenden erlaubt war? Sollte man nicht durch Verfolgung jener Ruchlosen, welche dem heiligen Vater ungehorsam zu sein wagten, dereinst die ewige Seligkeit um so gewisser erlangen? Kaiserliche Truppen rückten in Salzburg ein, mit Gräuel begannen, welche den Scheußlichkeiten der bourbonischen Wirthschaft in Neapel nicht nachstehen. Man schlug viele der Evangelischen, selbst ehrwürdige Greise, in schwere Fesseln und warf sie in die häßlichen, feuchten Gefängnisse, aus denen manche nach monatelanger Qual als Krüppel hervorgingen. Die Soldaten hausten in rasendem Fanatismus und viehischer Rohheit auf das Fürchterlichste. Wie beim Plündern einer Stadt zur Zeit der dreißigjährigen Verwüstung Deutschlands hieben sie, schossen und stachen unter die Unglücklichen und raubten manchen die ganze, mit sauerem Schweiß erworbene Habe. Sie brachen Nachts in die Häuser, rissen die Evangelischen aus den Betten und schleppten sie halbnackt mit gefesselten Händen und verbundenen Augen in’s Gefängniß, in welchem sie viele Monate lagen und vor Kälte, Hunger und Durst fast umkamen; – ja ein Mann, welcher nichts verbrochen, als Andere belehrt, ihre Kinder getauft und das Abendmahl unter beiderlei Gestalt ausgetheilt hatte, soll (nach der Versicherung Salzburger Emigranten) lebendig eingemauert worden sein.

Die Soldaten, welche in die Häuser der Evangelischen gelegt worden waren, um die letztern auf alle Weise zu quälen, kämen dieser Instruction getreulich nach und begingen namentlich auch gegen Frauen und Mädchen die gröbsten Brutalitäten. Am Schüppelhofe kroch eine reiche Bäuerin, welche man auch auf diese Weise bekehren wollte, in ihrer Angst in den brennenden Backofen und wurde zwar daraus gerettet, doch nur um in Folge der Brandwunden zwei Tage darauf ihren Geist aufzugeben. Vierleitner, ein Greis, wurde an den Füßen so hart gefesselt, daß der eine ganz unbrauchbar wurde, sein Sohn wurde an ihn geschlossen und so beide in eines der sogenannten Gefängnisse, d. h. in ein feuchtes, ungesundes, finsteres Loch, drei Mann tief unter der Erde geworfen, daß sie nicht neben, sondern über einander liegen mußten. Andere peitschte man mit dicken Ochsenziemern, daß das Blut den Rücken herabströmte, man steckte ihre Hände und Füße in den Stock und fesselte sie mit Ketten so fest, daß sie gekrümmt und gebogen liegen mußten, man ließ sie in Hunger und Gestank fast verschmachten, und wenn sie um Gotteswillen baten, daß man ihnen nur soviel zukommen lassen möge, als man den Hunden zu geben pflege, antwortete man ihnen nur mit Schmähungen. Wozu auch Mitleid? sprach es doch ein Jesuit offen aus, daß alle die lutherischen Ketzer auf den Scheiterhaufen gehörten! –

Indem man Andere auf das Entsetzlichste prügelte, frug man sie zugleich höhnisch, ob die ketzerischen Protestanten, die Brandenburger, die Schweizer, der Schwede, der Engländer, der Däne und die Holländer nicht bald kommen und sie aus ihren Händen erretten würden. Die Beamten suchten die Evangelischen durch Drohungen, die Pfaffen suchten sie durch Ueberredung zu bekehren, man schreckte sie endlich durch seltsame Scheinexecutionen. Dreihundert Personen führte man eines Tages in einen Saal, der mit schwarzem Tuch behangen und dessen Boden mit Blut besprengt war. An einem Tisch befand sich der Scharfrichter mit dem Schwert und nicht weit davon ein katholischer Geistlicher, letzterer drohte ihnen, daß ihnen der Kopf solle abgeschlagen werden, wenn sie sich nicht sofort zum katholischen Glauben wieder bekennen wollten, hier sähen sie das Blut derjenigen, welche sich halsstarrig gezeigt halten; doch konnte er damit von allen dreihundert mehr nicht als – fünf zum Rücktritt bewegen. Man flocht auch ein ausgestopftes Menschenbild auf ein Rad und stellte es auf einem Berg oder einer Höhe so auf, daß evangelische Gefangene es aus ihrem Gefängniß sehen konnten. Dabei gingen die Gefangenwärter hin und wieder und flüsterten sich recht vernehmlich zu: „Ei seht, wie die sich martert, quält und nicht sterben kann, da sie sich doch noch zuvor bekehrt hat! Wie wird es erst diesen gehen, wenn sie daran kommen werden?“ Dann ging auch der Tortengräber sehr früh vor den Gefängnissen hin und her mit Schaufel mit Spaten, ein Stück rohes Fleisch (von geschlachtetem Vieh) auf dem Rücken, und äußerte sich gegen die Wache, als wenn er ihrer schon vorher mehrere begraben, auch noch mehrere würde einscharren müssen.

Man bemühte sich ferner, die Evangelischen von der Auswanderung dadurch abzuhalten, vielmehr zur katholischen Lehre dadurch zurückzuführen, daß man ihnen von ihren Glaubensbrüdern in der Ferne das abscheulichste Bild entwarf. Die Lutheraner, sagte man ihnen, seien Menschenfresser, sie würden vor ihren Thüren liegen müssen wie die Hunde, man würde ihnen die Köpfe abschlagen oder sie sonst auf grausame Art erwürgen. – Besonders war es der König von Preußen, vor welchem man ihnen Furcht einzuflößen suchte; von ihm logen die Einen, er locke sie nur zu ihrem Verderben heraus, verkaufe die Männer für je 200 Gulden und lasse die Weiber ersäufen. Andere, z. B. Geistliche und Beamte zu Hallein mit Glanneg, sagten später zu Evangelischen, die ihren ausgewanderten Brüdern zu folgen entschlossen waren: „sie sollten nur reisen, der Brandenburger habe schon Galgen gebaut, sie daran hängen zu lassen, die Vorigen wären alle schon gehängt.“ Andrerseits suchte man sie durch Versprechungen zu gewinnen; sie sollten künftig weniger Steuern geben und ihre bisherigen Schulten ihnen erlassen sein, ja man wollte ihnen aufzuhelfen suchen, soweit es nur möglich sei, und dafür sollten sie nicht gezwungen sein, die Religion öffentlich abzuschwören, sondern sich nur äußerlich nicht mehr dazu bekennen. Doch Alles umsonst.

Der Commandant der Festung Salzburg ließ einige Maschinen anfertigen und in männliche und weibliche Kleidung stecken. Dann rief er dem Scharfrichter zu: „er solle sich bereit halten, heute einem von den ketzerischen Hunden den Kopf abzuhauen mit ihn hernach zu vertheilen, morgen aber und in den folgenden Tagen würde eine noch schärfere Execution vor sich gehen und an einer großen Anzahl Ketzer vollzogen werten.“ Eine Weile später schrie er aus seinem Fenster so laut, daß die Gefangenen es hören konnten, dem Scharfrichter zu: „Wie ist die Execution abgelaufen?“ und erhielt die Antwort zugerufen: „Ihro Excellenz, alles sehr wohl.“ Dann ließ man die Maschine, nun ohne Kopf und in vier Theile zertheilt, an einem Stricke herunter, und zwar am Gefängnißloche vorbei, daß die Gefangenen es sehen konnten. Einige Zeit darauf stellte sich bei letzteren der Kerkermeister ein, erzählte den evangelischen Arrestanten, was für eine harte Execution geschehen sei, und meldete ihnen im Vertrauen, daß es ihnen nicht besser ergehen würde, wofern sie nicht ungesäumt von ihrem ketzerischen Glauben abständen, denn man hätte sich fest entschlossen, alle, die nicht zur katholischen Kirche zurückkehren wollten, auf gleiche Weise hinzurichten. Andere führte man einzeln auf blutbespritzte Plätze und sagte ihnen, daß dies hier das Blut ihrer Brüder sei, und daß sie dasselbe erfahren würden, wenn sie nicht zur römischen Kirche zurückkehrten. Doch nur Wenige fielen wieder ab, die Allermeisten erklärten mit edler Charakterstärke: wie ihre Mitbrüder gestorben seien, wollten auch sie sterben. Mit unerschütterlichem Muthe erwarteten die Evangelischen ihr Schicksal und wurden durch gewisse einzelne Vorfälle, die vielleicht mehr im frommen Aberglauben des Volkes, als in der Wirklichkeit begründet waren, in ihrer Festigkeit und Zuversicht noch mehr bestärkt. So pflegten die Pfaffen und Soldaten die weggenommenen Bibeln haufenweise zu verbrennen. Eine halbverbrannte Bibel der Art, welche ein Salzburger Emigrant von einem katholischen Bauer um eine Flinte eingetauscht hatte, kam später in den Besitz des Königs von Preußen, der sie zum Andenken in Berlin zurückbehielt.

Nun soll bei einem solchen Bibel-Brande ein Blatt aus dem Feuer geflogen und, wieder in das Feuer geworfen, nochmals unversehrt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_423.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)