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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Insofern nun das Hexenmehl schon von Alters her wegen seiner Farbe und seines Verhaltens beim Durchblasen durch die Flamme einer Kerze vegetabilischer Schwefel genannt worden ist, kann man einen Regen, der diesen Körper aus der Luft mitbringt, uneigentlich wohl einen Schwefelregen nennen, ohne doch damit etwas Anderes als einen ganz natürlichen Vorgang zu bezeichnen. Denn man hat durch spätere Nachforschungen erfahren, daß die Wolke, welche jenen Regen brachte, von einem derartigen Wirbelwinde begleitet auftrat, daß sie schon vor ihrer Auflösung den Bewohnern von Waldbye, einem Dorfe vor Kopenhagen, das Schauspiel einer Wasserhose darbot.

Wahrscheinlich hat diese ihren Weg über Höhen genommen, welche mit dem gerade in jener Zeit blühenden Bärlapp reichlich bewachsen waren, und hier den leichten Blumenstaub entführt, der sich in der Luft mit den Dünsten der Wolke vermischte und mit ihnen zugleich auch herabfallen mußte. Vermöge seiner Leichtigkeit kann dieser Staub über weite Strecken mit fortgeführt werden und deshalb an Orten niederfallen, an denen die Pflanzen, von denen er stammt, gar nicht wachsen. Wenn man ihm aber deshalb, weil er aus der nächsten Nähe nicht gekommen sein sollte, einen atmosphärischen Ursprung zuschreiben wollte, so wäre dies grundfalsch. Als ebenso falsch muß die Angabe betrachtet werden, daß der Regen bei seinem Niederfallen die Dächer leuchtend gemacht habe. Er mußte allerdings durch die in ihm schwimmenden oder die Tropfen umhüllenden festen Körperchen sichtbarer werden und gleichsam wie ein zarter Schneefall erscheinen, allem den Contrast, den er durch dieses Sichtbarwerden mit unserm gewohnten Begriff von Regen erzeugte, konnte nur eine von vornherein eingenommene Phantasie als ein Leuchten sich auslegen.

Wie lange selbst in ruhiger Luft der Blüthenstaub sich schwebend erhalten kann, ohne herabzufallen, beweist die Thatsache, welche vor zwei Jahren aus Stade berichtet wurde.

Dort hatte am 4. Juni früh die Atmosphäre ganz das Aussehen des Höhenrauches mit schwachgelber Trübung. Dieser gelbe Schein war durch den Blüthenstaub von Fichten hervorgerufen worden; denn der desselben Tages Nachmittags eintretende Gewitterregen brachte ihn aus der Luft mit herab. Die Tropfen waren dadurch ganz gelb gefärbt, und alles zusammenströmende Wasser überzog sich mit einer starken gelben, pulverigen Decke. Der Regen war ein Schwefelregen. In gewissen Monaten zeigt der dem Regen beigemengte Blüthenstaub gewisse Verschiedenheiten, welche von der Verschiedenheit der Pflanzen, denen er entstammt, herrühren und die besser als andere seinen irdischen Ursprung beweisen. Es sind nämlich nicht nur die langen Arme des Bärlapp (Lycopodium), sondern auch Fichten und die übrigen Nadelhölzer und eine Menge anderer Pflanzen noch, deren Staub sich in den Regentropfen gefunden hat. Je nachdem in dem Monat, in welchem der Regen fällt, eine dieser Pflanzen besonders reichlich blüht, wird von dieser auch vorzugsweise das Material bezogen werden.

Im März und April sind es Erlen und der Haselnußstrauch, im Mai und Juni vorzüglich Fichtenarten, Wachholder und Birke, im Juli, August und September Lycopodium, Rohr, Teichkolben und Schachtelhalme, welche an der Lieferung des Blüthenstaubes hauptsächlich betheiligt sind. Die Ursache dagegen, welche ihn in die Luft erhebt, bleibt unter allen Verhältnissen dieselbe, – ein Wirbelwind.

Dergleichen Winde haben auch andere lose Körper in großer Menge fortgeführt, und ihr Niederfallen hat man an den Orten, wo sie zur Erde gelangten, Regen genannt, deßhalb auch von Getreideregen, Fischregen oder anderen, je nachdem die herabgefallenen Gegenstände den Namen verlangten, gesprochen, ohne aber damit etwas Näheres über den Ursprung der Erscheinung auszusprechen.

In Andalusien zum Beispiel regnete es zu Anfang dieses Jahrhunderts einmal Getreide. Die Erscheinung machte alle Leute stutzig, und trotzdem, daß die Israeliten sich in der Wüste herzlich über den Mannaregen freuten, wollten die Spanier das Getreide nicht als wahrhaftes irdisches betrachten, bis sie erfuhren, daß der Wind dasselbe in Tanger weggefegt hatte.

Die Aschenregen, welche sich bei vulcanischen Ausbrüchen oft über viele Quadratmeilen erstrecken, sind bekannt. Bei einer Eruption des Aetna führte der Wind den vulcanischen Staub bis nach Carthago, wo er erst niederfiel. Herculaneum und Pompeji sind lautredende Zeugen für die ungeheure Menge Materiales, welches auf diese Weise fortgeführt werden kann. Von einem Fischregen erzählt uns Forbes Mackenzie. Derselbe fand einst in Schottland drei bis vier Meilen von der Meeresküste entfernt den Boden vollständig bedeckt mit kleinen zwei bis vier Zoll langen Heringen. Die Fische haben die Gewohnheit, bei Gewitterluft aus dem Wasser emporzuschnellen, und sie sind dabei wahrscheinlich vom Winde erfaßt und fortgeführt worden. Oder aber sie können, wie dies leicht möglich ist, wenn sie in so ungeheuren Schaaren streichen, daß sie manchmal die Schiffe in ihrem Laufe hemmen, ähnlich wie das Meerwasser vom Winde in großer Menge schraubenartig zur Wasserhose aufgewirbelt und fortgeführt wird, auch einer solchen unfreiwilligen Bewegung verfallen und, einmal emporgerissen, fortgeführt und erst über dem trocknen Lande wieder herabgelassen worden sein.

Wie sich Fischregen auf diese Art und auf ähnliche Weise auch die Raupenregen erklären lassen (am 24. Juli 1804 fielen zu St. Hermine bei Fontenay in Frankreich kleine Raupen in so ungeheurer Menge aus der Luft, daß sich die Einwohner genöthigt sahen, Feuer vor ihren Häusern zu machen, um sich des Andranges zu erwehren) – so haben doch die sogenannten Frosch- und Mäuseregen nur in gewöhnlichen, besonders heftigen Regengüssen ihre Ursache. Die in Folge der Trockenheit in Spalten und Löcher geflüchteten Frösche werden dadurch wieder hervorgelockt; umgekehrt aber die Mäuse schaarenweise aus ihren Wohnungen durch das einströmende Wasser vertrieben. Dagegen müssen wir auf eine andere interessante Erscheinung, die in gebirgigen Gegenden oft nach plötzlichem großem Regen sich zeigt, aufmerksam machen, weil sie früher gewöhnlich als Folge eines sogenannten Körnerregens den Cours durch die Zeitungen machte. Man findet den Boden mitunter wie übersät mit kleinen, erbsengroßen rundlichen Knöllchen, die durch ihre Aehnlichkeit mit manchen Früchten oft Veranlassung gegeben haben, sie für Pflanzensamen zu halten, welcher mit dem Regen herabgefallen sei, während sie doch auf ihrem Fundorte gewachsen waren, und der vermeintliche Körnerregen zu ihrem Erscheinen nichts weiter beigetragen hatte, als daß er die Erde von den zarten Würzelchen einer Pflanze (einer Ranunkel – Ranunculus Ficaria) hinweggespült und die an denselben oft zu 20 bis 30 sitzenden Wurzelknöllchen bloßgelegt oder sie gar losgerissen und mit fortgeführt hatte. Eine Reise durch die Luft haben diese Dinger keineswegs gemacht. Sie enthalten sehr viel Stärkemehl und sind deshalb ein gutes Nahrungsmittel, so daß ihre Einsammlung, zumal sie oft scheffelweise den Boden bedecken, armen Leuten wohl anzurathen ist.

Etwas Wunderbares haben wir bisher noch nicht gefunden, auch die merkwürdige Erscheinung des Blutregens wird, obwohl sie häufig andern, als den bis jetzt von uns betrachteten Ursachen ihre Entstehung verdankt, uns etwas Uebernatürliches und Unerklärliches nicht zeigen. Es ist zwar eben auch möglich, daß Körperchen, kleine Pflanzen, Flechten oder dergleichen durch den Wind entführt werden, welche vermöge ihrer rothen Farbe dem Regenwasser eine blutrothe Färbung mittheilen können, indessen sind Fälle dieser Art bisher nur selten beobachtet worden. Meist ist die Ursache der eigenthümlichen, blutähnlichen Farbe in mikroskopisch kleinen Thierchen (in süßem Wasser der sogenannte Wasserfloh, Daphnia pulex, im Seewasser kleine Crustaceen und Medusen) oder Pflanzen (Algen) gefunden worden, welche sich in stehenden Gewässern ungeheuer rasch vermehren.

Parry fand auf seiner Polarreise am 10. Juli 1823 unter dem 71. Breitengrade braunrothe Stellen im grünen Seewasser. Jeder Tropfen enthielt nach seiner Berechnung mehr als dreizehnhundert solcher kleiner Thierchen, die zum Theil eine Länge von dem zweihundertsten Theil einer Linie hatten. Ehrenberg, der berühmte Begleiter Humboldt’s auf seiner Reise nach Sibirien und sein Nachfolger in der Liste der französischen Akademie, hat durch die Entdeckung der Infusorienwelt – denn was vor ihm auf diesem Gebiete gearbeitet war, ist gegen das, was er ans Licht gebracht, verschwindend, so daß man ihn wohl den eigentlichen Entdecker des mikroskopischen Lebens zu nennen berechtigt ist – auch die räthselhafte Erscheinung der gefärbten Gewässer erklärt. Er fand im Schnee Sibiriens, wie in den Wassertropfen aus dem rothen Meere die färbenden Körper und reihte sie in die geregelten Ordnungen bekannter Geschöpfe. In Sibirien fand er als Ursache der Färbung Infusorien (Astasia haemotodes), bei Tor am rothen Meere eine

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 457. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_457.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)