Seite:Die Gartenlaube (1861) 474.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

es kostete, ihr die Einwilligung in die Aufhebung des Jesuitenordens zu entreißen. Sie nahm es mit den Vorschriften und Bräuchen ihres Glaubens sehr genau, hielt gewissenhaft die Fasttage, hörte häufig zwei Messen täglich, jedenfalls aber eine, und ging in den Buß- und Bittprocessionen mit, welche in Zeiten der Noth und Gefahr vom St. Stephan aus durch die Stadt sich wanden und oft wochenlang fortgesetzt wurden. Zur Osterzeit besuchte sie mit ihrer ganzen Familie und mit dem ganzen Hofe die sogenannten heiligen Gräber in sämmtlichen Kirchen, wo ein solches hergerichtet war. Man mußte also am Wiener Hofe fromm sein oder wenigstens so thun, als wäre man es. Für die Kaiserin war es eine besondere Herzensfreude, der Einkleidung von Nonnen anzuwohnen. Ward eine Dame aus den höfischen Kreisen Nonne, so legte Maria Theresia bei der Einkleidungsceremonie selber mit Hand an. So half sie z. B. im Jahre 1753, als die schöne siebzehnjährige Elisabeth von Lamberg, Tochter des gleichnamigen Fürsten, den Schleier nahm, die „geistliche Braut“ mit ankleiden. Es gehörte überhaupt zur Politik der Kaiserin, die vornehmen Familien Oesterreichs als zu ihrer Familie gehörig zu betrachten. Sie trug Sorge, die Aristokratie nach Wien zu ziehen, und hat dann in allerdings gewinnendster Weise an den persönlichen Freuden und Leiden dieser Leute theilgenommen, nicht allein aus Politik, sondern auch in Folge eines löblichen Antriebs ihrer Gutherzigkeit, ihrer fraulichen Hülfsbereitschaft. Mitunter freilich wurde diese wohlwollende Betheiligung zur lästigen Bemutterung, als welche sie sich hauptsächlich in der Form jener Verheirathungsmanie äußerte, um deren willen die Kaiserin berufen gewesen ist.

Der von lange her datirenden Verausländerung der Habsburgischen Dynastie zum Trotz und zum Trotz auch der welschen Erziehung, welche sie selber erhalten, war und blieb in Maria Theresia die deutsche Familienhaftigkeit der stärkste Charakterzug. Das bewährte sich, wie nach auswärts, so auch und noch entschiedener im Kreise der eigenen Familie. Die Kaiserin setzte ihren Stolz darein, eine rechte Hausmutter zu sein, und es war ihr dabei keineswegs um den bloßen Schein zu thun. Selten hat eine Frau ihre Mutterpflichten treuer erfüllt als sie, und es muß ihr nachgerühmt werden, daß sie ihre Kinder mit bürgerlicher Strenge erzog. Wenn die meisten derselben dieser Erziehung nicht eben Ehre machten, so war das wahrlich nicht die Schuld der Mutter, welche wohl verdient hätte, bessere Töchter als Karoline von Neapel und klügere als Maria Antoinette zu haben[1] …. Die Kaiserin gebar sechszehn Kinder. Die Taufacte derselben wurden stets zu Festen für Hof und Stadt. Die glänzendsten Festtage jedoch waren der Namenstag des Kaisers und der auf den 15. October fallende Theresientag. Da war die Hofburg oder das Lustschloß Schönbrunn von einem farbenschimmernden Gedränge erfüllt. Militärischer Pomp und höfischer Prunk im vollsten Glanze. Umständlichst feierliche Auffahrt der Großwürdenträger und der fremden Gesandten. Der Audienzsaal voll rother und blauer Bänder und goldener Vließe, voll Damenschönheit und Juwelengefunkel. Die ungarischen Magnaten, welche Herren Maria Theresia sehr unterwürfig zu erhalten wußte, in der ganzen Pracht ihres malerischen Costüms. Kaiser und Kaiserin erschienen in der spanischen Hoftracht, welche für Wien noch immer die officielle war. Große und gewiß gehörig langweilige Ceremonie des Handkusses. Abends dann Ball und prächtiges Souper. In der Regel war bei solchen Festen schon vor Mitternacht, ja sogar schon vor 11 Uhr Abends Alles zu Ende. Bei den weniger steifen Familienfesten in der Burg wurden von den jungen Erzherzogen und Erzherzoginnen kleine Concerte oder auch Komödien und Operetten aufgeführt. Aus dem Jahre 1775 wird von einer solchen dramatischen Aufführung gemeldet, welche das Eigenthümliche hatte, daß die prinzlichen Acteurs und Actricen ihre Rollen in verschiedenen Sprachen gaben. Theatralischer Hauptfaiseur war Metastasio.

Der Wiener Fasching stand zu Maria Theresia’s Zeit noch in der vollen Herrlichkeit seiner geräuschvollen Lust. Der Hof betheiligte sich eifrigst daran. In raschem Wechsel folgten sich Concerte, Bälle, Schlittenfahrten, Glücks- und Komödienspiele aller Art. Die Kaiserin war eine große Liebhaberin von Maskeraden und Maskenbällen. Sie liebte es, ihren Gemahl, der seinerseits ein standhafter und glücklicher Hazardspieler war, mit allerlei Maskenscherz zu necken und ihm allerlei artige Überraschungen zu bereiten. Leider finden wir, daß die sonst so verständige Frau die Schwäche hatte, neben den Maskenbällen auch den Unsinn und Unfug der Kinderbälle zu begünstigen, welcher also schon damals grassirte. Des Kaisers Beispiel hinwiederum steigerte die in den höfischen Kreisen mehr und mehr eingerissene und mittelst des Lotto bedauerlicher Weise auch dem Volke mitgetheilte Spielwuth. Eine vornehme Wiener Dame comme il faut mußte eine tüchtige Spielerin sein. Eine der kühnsten war jedenfalls die letzte Maitresse des Kaisers, die schon erwähnte Fürstin von Auersperg: man sah sie eines Abends 12,000 Dukaten auf eine Karte setzen und verlieren. Ein andermal verlor sie im Würfelspiel auf zwei Sätze 4000 Dukaten. Maria Theresia vermochte hieran nichts zu ändern, so wenig wie an den Sitten ihres Ministers Kaunitz. Der berühmte Staatsmann hatte die unehrerbietige Gewohnheit, wenn er zur Audienz bei der Kaiserin fuhr, seine beiden Maitressen im Wagen mit sich zu nehmen und sie am Thore der Hofburg auf sich warten zu lassen. Er durfte sich erlauben, diese Unverschämtheit mit einer noch größern zu krönen. Denn als ihm Maria Theresia eines Tages über die erwähnte Gewohnheit, sowie über seinen Lebenswandel überhaupt Vorstellungen machte, schnitt er diese kurz ab mit den Worten: „Madame, ich bin hieher gekommen, mit Ihnen Ihre eigenen, nicht aber meine eigenen Angelegenheiten zu verhandeln.“ Man ersieht aus alledem, daß die österreichische Aristokratie nicht gerade sich beeiferte, die Sittenstrenge ihrer Herrscherin nachzuahmen. Was freilich die Spielwuth und sonstige Verschwendungssucht der vornehmen Kreise angeht, so ist Grund vorhanden, zu glauben, daß Maria Theresia aus politischen Gründen sich nicht sehr dagegen gestemmt habe, daß die großen Herren und Damen sich ökonomisch ruinirten. Wurden sie doch hierdurch nur zahmer, abhängiger und unterthäniger!

Es muß der Kaiserin sehr schwer gefallen sein, die unbehülfliche Corpulenz ihrer späteren, besonders ihrer spätesten Jahre zu ertragen. In ihren früheren war sie voll rascher Beweglichkeit und liebte deshalb den Aufenthalt auf dem Land und das Reisen. Schönbrunn und Laxenburg sind ihre und ihres Gemahls Schöpfungen. Das erstere hat Maria Theresia aus einem kleinen Jagdschloß zu einem kaiserlichen Prachtsitz gemacht. Es verdient bemerkt zu werden, daß sie wollte, nicht nur die kaiserliche Familie und der Hof, sondern auch die Bewohner Wiens sollten sich an Schönbrunn erfreuen können. Sie gab dem Publicum den Eintritt frei und erlaubte, daß in einem der Nebengebäude eine Wirthschaft sich etablirte, damit die guten Wiener beim Besuche des Schlosses und der Gärten auch der leiblichen Erquickung nicht ermangelten. Es gehörte zu den sommerlichen Sonntagsfreuden eines echten Wiener Kindes, seine stattliche Kaiserin durch die Baumgänge von Schönbrunn wandeln zu sehen. Damals waren noch „die schönen Tage von Aranjuez“ des Absolutismus. Seither hat die Menschheit trotz alle- und alledem eine nicht ganz unbedeutende Schwenkung nach links gemacht. Unsern Urenkeln dürfte die Unterthanen-Unterwürfigkeit des 18. und 19. Jahrhunderts nicht weniger abgeschmackt vorkommen, als uns heutzutage das Hexenwesen des sechszehnten und siebzehnten. Aber freilich, das Volk glaubt noch heute an Hexen……

Maria Theresia wußte, daß sie schön sei – welche schöne Frau wüßte das nicht, und welche unschöne bildete sich’s nicht ein? – und sie ist zur Zeit, wo sie noch einen Ausdruck von ihr selbst zu gebrauchen, „en vigueur“ war, eine große Toilettenkünstlerin gewesen. Ihr Lieblingsanzug war eine Robe von Silberbrokat mit blauem Leibchen, welches mit Diamanten besät sein mußte. Im gepuderten Haare trug sie Brillanten, noch lieber aber Perlen. Ihre ganze Erscheinung und Haltung war voll Würde und Anmuth. Sie wußte zu repräsentiren und verstand es besser als irgend eine Monarchin vor oder nach ihr, bei Gelegenheit die Majestät

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 474. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_474.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)
  1. Es dürfte nicht uninteressant sein, anzumerken, wie damals eine österreichische Erzherzogin erzogen wurde. Die Instruction, welche Maria Theresia für die Erziehung ihrer Tochter Josepha entwarf, lautete im Wesentlichen so: „Sie soll oft ausgehen, in Speisen sehr einfach gehalten werden. Sie soll spanisch und italienisch lernen. Um 7 Uhr muß sie aufstehen, nach dem Morgengebet und einer geistlichen Lectüre frühstücken. Montag, Mittwoch und Freitag unterrichtet sie Pater Richter von 9 bis 10 Uhr in der christlichen Lehre, im lateinisch und deutsch Lesen. Um 11 Uhr Messe, um 12 Uhr Mittagessen. Von halb 2 bis 2 Uhr Historie lesen, bis 3 Uhr deutsche Lehre. Dann kommt der Tanzmeister, um 4 Uhr der welsche Meister. Um 5 Uhr wird der Rosenkranz ganz laut gebetet. An den andern Tagen kommt der französische Meister, deutsche und französische Stylübungen werden vorgenommen und Musik gelehrt. Es wird der Hofmeisterin empfohlen, darauf zu sehen, daß die Erzherzogin freundlich sei, auch gegen die Dienstleute.“