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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Wohnhäusern durch große, herrliche Bilder ein ehrendes Gedächtniß gestiftet. Der Spruch an Pirkheimer’s Hause war eine Mahnung an die durch Geburt bevorzugten Stände, und sie verdient beachtet zu werden:

Der Musen Schirmer in dem Rath,
Dem Kaiser treu in Wort und That,
Der Besten Freund durch’s ganze deutsche Land,
Pirkheimer war’s, ein Vorbild seinem Stand.
Daß Adel und Verdienst die Hand sich reichen:
Ihr Edlen, gehet hin und thut desgleichen!

Ein ganz vorzüglicher Volksdichter war der zu Anfang dieses Jahrhunderts gestorbene Flaschner- (Klemper-) Meister Grübel. und die Nürnberger haben vollkommen Recht, aus ihn stolz zu sein. Ein von Grübel verfaßtes und bald überall gesungenes Spottlied auf die Roßbacher Schlacht begründete zuerst seinen Ruf, und eine Menge reizender Gedichte, alle in Nürnberger Mundart, gingen von ihm aus. Grübel durfte bei dem großen Feste nicht vergessen werden, und das Bild an des Dichters Wohnhause war ein ganz vorzügliches. Es stellte Grübel dar, wie er in seiner Werkstatt einigen Freunden seine Gedichte vorliest. Der Reim darunter war in Grübel’s eigner Schreibweise in Nürnberger Mundart und lautete:

Will Aner wiss’n, wöis da Reichsstadtzeit hö g’wös’n,
Dörf er ner di Gedicht vo unsern Grübel lös’n,
Der haut sei Burger kennt, nix g’lauf’n as der Acht
Und haut a no derzu Nörnberger Tröichter g’macht. –

Wie wir hören, erscheinen die genannten prächtigen Bilder sämmtlich in photographischen Nachbildungen, und wir halten es für unsre Pflicht, das Publicum aus diese Kunstblätter aufmerksam zu machen.

Auch an anderen Häusern bemerkte man sehr treffende Inschriften. Nur einige davon wollen wir hier anführen. – In der Nachbarschaft des Grübel’schen Hauses wohnte ein Zirkelschmied, der an seine Behausung geschrieben hatte:

Ihr lieben Sänger, nehmt’s nicht übel.
Wenn ich’s nicht kann, wie dort der Grübel,
Doch liebe ich, was recht und grad,
Schön rund und immer accurat.
Drum grüßet Euch und Euer Lied
Mit Lust ein deutscher Zirkelschmied.

So mancher, der in Nürnberg gewesen, kennt wohl den „rothen Hahn“, das freundliche Gasthaus mit seinem gemüthlichen Wirthe. Dieser hatte über seiner Thür folgende Inschrift:

Ihr Freunde des rothen Hahns, kommt nur herein!
Ihr sollt hier Alle willkommen sein.
Ich bin ja der gallische raublustige nicht,
Ich habe ein ehrliches, gutes Gesicht.
Doch stürmt mir der Gallier einmal in’s Haus,
Dann hack’ ich die beiden Augen ihm aus.
Euch aber, ihr fröhlichen Sängergäste.
Euch will ich bewirthen auf’s Allerbeste.

Unvergleichlich anziehend ist ein Spaziergang um Nürnbergs Stadtmauern. Da steht noch Alles so stark und trotzig wie vor Jahrhunderten, und weder die Zeit, noch umgestaltende und zerstörende Menschenhände haben an diesen beredten Zeugen eines eisernen Zeitalters gerüttelt. Man erwartet jeden Augenblick, einen stahlgepanzerten Ritter auf den Zinnen der Stadtmauer erscheinen zu sehen, oder man schaut hinauf nach den alten riesigen Thürmen, ob nicht der Thorwart sich droben an einer der Luken zeige und nach unserm Begehr frage. Alle diese alten, ehrwürdigen Thorthürme trugen Inschriften und Festsprüche und waren zum Theil noch mit vortrefflichen allegorischen Darstellungen geziert. Einige dieser höchst charakteristischen Thorsprüche wollen wir hier anführen, doch vorher noch des Empfangsspruches am Bahnhofe gedenken. Derselbe hieß:

Mit des Dampfes raschen Schwingen
Durch die Welt der Sänger zieht.
Doch noch rascher in die Herzen
Dringt sein liebes deutsches Lied.

Das Königsthor, welches zunächst vom Bahnhof in die Stadt führt. war besonders reich geschmückt und führt den die Sänger bewillkommnenden Spruch:

Heil Euch! und Heil der guten neuen Zeit,
Die herbraust mit des Feuers Flügelrossen;
Es ändert sich der Stände wirrer Streit,
Gewerb’ und Kunst sich einen zu Genossen;
Der Forscher löst der Satzung starre Bande,
Und Lied und Wort frei schallen durch die Lande.

In der innigsten Verbindung durch Fleiß und Gewerbsthätigkeit steht Nürnberg mit Fürth. Das nach Fürth führende Spitlerthor zeigte in zwei allegorischen Figuren die beiden Nachbarstätte. Auf Seite der Nürnberg darstellenden Gestalt las man die an Fürth gerichteten Worte:

Du trägst mit uns der Jahre schwere Last,
O Schwesterstadt, voll Arbeit und voll Plage;
Durcheilest dieses Thor mit jäher Hast,
Mit flücht’gem Fuß bei jedem Stundenschlage.
Drum sei willkommen auch beim Freudenfeste,
O Nachbarin, wie alle deutschen Gäste!

Bei der Fürth darstellenden Figur las man gleichsam als Antwort auf jenen Willkommengruß:

Es nahet herzlich dir im Festgewand,
Nicht wie in Tagwerks mühevollem Jagen,
Die Schwester heut und reichet ihre Hand,
Zu rasten selbst an deinen Ehrentagen.
Sind wir in Fleiß und Sorge treuverbunden,
So laß uns theilen auch die guten Stunden!

Ueber der engen, alten Pforte, dem sogenannten Hallerthürlein, war die Klage zu lesen:

Wär’ wie die andern ich groß und weit!
Möchte mich dehnen und recken.
Muß in Scham und Schüchternheit
Leider mich tief verstecken.
Stürmen die deutschen Sänger herein,
Hallerthürlein ist viel zu klein.

Eine andere kleine Pforte in der Stadtmauer, das Casemattenthürlein, war weniger höflich. Wahrscheinlich war kein Nürnberger dort als Thürwart bestellt, denn der Spruch daselbst lautete:

Wer nicht bei Tage kommt, bleibt drauß!
Ich halte Ordnung hier im Haus,
Geh mit den Hühnern schon zur Ruh
Und sperr’ vor Nacht mein Thürlein zu.

Am Thiergartner-Thor war vor alten Zeilen unten im Wallgraben der Bärenzwinger. Mit Bezug hieraus hieß der Festspruch:

Fürcht Dich nicht, lieber Geselle mein!
Trittst zwar in einen Garten ein,
Wo wilde Thiere wohnen;
Doch singest Du ein Liedlein fein,
Gleich werden sie zahm und freundlich sein
Und sicher Dein verschonen.

Das unterhalb der Burg befindliche finstere Bestnerthor hatte für die Eintretenden den Spruch:

Ich bin das alte Bestnerthor;
komme Dir wohl gar trutzig vor;
Laß Dich nicht trügen durch den Schein,
Tritt unverzagt und lustig ein.
Ich weiß, gar bald bekennst Du gern:
Die rauhe Schal’ hat süßen Kern.

Am Wöhrder Thor war zu lesen:

Singst, Fremdling, Du auch Baß nicht, noch Tenor,
Hast nur ein treues Herz und offnes Ohr
Für deutschen Brudersanges vollen Chor,
Tritt ein durch’s gastlich offne Wöhrder Thor!

Beim Lauferthor strebt ein gewaltiger runder Thurm himmelan. Letzterer ist, wie noch zwei seiner ähnlich gestalteten Genossen, nach Dürer’s Plane errichtet. Durch das Lauferthor ging der Hauptzug der Sänger und Festtheilnehmer hinaus nach der Festhalle. Hier bedurfte es eines doppelten Spruches. Nach der Stadt zu an der innern Seite stand:

Du schmucke Schaar mit Bändern und mit Fahnen,
Dem Ziele nah umweht Dich aus dem Stein,
Dem altersgrauen, noch vom Geist der Ahnen
Aus großer Zeit ein heller Wiederschein.
Durch Eintracht, ruft er, wuchs auch dieser Thurm
Zum Himmel an und trotzet jedem Sturm.

An der äußern Seite desselben Thores las man einen herrlichen Mahnspruch:

Wie’s mächtig doch zusammen klingt.
Wenn Deutschland treu zusammen singt.
Von Einem Takte getragen!
Und haltet ihr aus in festem Muth,
So eins wie heute mit Gut und Blut,
Bald schweigen die alten Klagen.

Auch in der prächtigen Festhalle waren treffliche Sprüche in Menge zu finden. Nur einige davon wollen wir als Probe zum Schlusse noch geben.

Stehst Du fern im fremden Lande
Einsam und verlassen da:
Nur ein deutsches Lied gesungen,
Und die Heimath ist Dir nah

Das Lied ist aller Zwietracht Feind
Und stärker als ein Heer.
Das Lied ist’s, das uns einig macht
Zu Schutz und Trutz und Wehr.

Was Euer Herz Edles erstrebet und sucht:
Im Liede die Blüthe, in Thaten die Frucht.

Die deutschen Farben erklärte ein Spruch folgendermaßen:

Gold, die deutsche Redlichkeit,
Roth, das Tagen schöner Zeit,
Schwarz, der tiefe Ernst der That:
Das bedenke früh und spat!

Wir schließen hiermit die Proben aus den durch Poesie und Malerei so glänzend gehobenen Nürnberger Festtagen. Erfreulich wäre es, wenn Leipzig und Frankfurt a. M., wo voraussichtlich die nächsten großen Nationalfeste gefeiert werden dürften, dem kunstsinnigen Nürnberg auf würdige Weise nacheiferten. Durch solche Ausstattung erhält ein derartigen Fest einen unvergänglichen Glanz, und die Liebe zu unserm gemeinsamen, schönen Vaterlande wird dadurch mächtig gefördert.

Nicht unerwähnt darf es bei dieser Gelegenheit bleiben, daß viele der auswärtigen Gesangsvereine, die nach Nürnberg gezogen waren, poetische Festgrüße an die liebe Stadt und die deutschen Sangesgenossen dargebracht hatten. Manch zündender Gedanke voll Weihe und Kraft war darin enthalten und erweckte warme Begeisterung. Um auch hiervon unsern Lesern eine Probe zu geben, wollen wir nur noch den Schlußvers des von den Münchberger Sängern dargebrachten Festgrußes anführen:

O Brüder, deutsche Brüder,
Reicht alle Euch die Hand!
Stimmt an das Lied der Lieder,
Das Lied vom Vaterland!
Singt es gleich Sturmesbrausen,
Stimmt tausendfältig ein!
Singt es dem Feind zum Grausen:
Ein Deutschland soll es sein!!


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 672. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_672.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2022)