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Alexander Herzen.


hinter dem Rücken der Soldaten ein starkes männliches „Halt“. Es war eine Stimme, der man es mit dem ersten Laute anhörte, daß sie gewohnt war zu gebieten und ihrem Gebote gehorcht zu sehen. Betroffen und ernüchtert wichen die Soldaten zurück, und der Rufende, ein junger Mann in Obersten-Uniform, stand vor uns. „Mein Herr,“ sagte er zu mir mit echt deutschem Accent, „Ihre Fräulein Tochter heißt Constanze? Darf ich mir Ihren Familien-Namen erbitten?“ – „Nun,“ fuhr er fort, nachdem er denselben gehört hatte, „was kommt Euch in den Sinn, Kameraden, diese Dame zu beleidigen? Sie ist eine der Unsrigen, die Verlobte eines Eurer tapfersten Officiere!“ – Wie auf ein Zauberwort machten die Dragoner nach allen Seiten Platz, und der Eine von ihnen, ein riesenhafter Wachtmeister, faßte Constanzen an der Hand und führte sie mit steifer soldatischer Verbeugung an Katharina’s Seite zurück. – „Ich bin erfreut,“ fuhr der Officier fort, „daß ich Ihnen dienen und den Wunsch eines Freundes vollziehen kann. – Alphonse de Faure ist mein Jugendgespiele, mein Waffengefährte, mein Bruder; er hat mir erzählt, daß und wie er mit Ihrem Hause bekannt geworden, und hat mich beauftragt, Ihnen seine Grüße zu bringen, wenn mich das Kriegsgeschick nach Schärding führen sollte. – Ich bin hier,“ begann er wieder, indem er Constanzens Hand faßte und ihr einen schönen Ring mit einem blitzenden Edelstein an den Finger schob – „lassen Sie mich meinen Auftrag erfüllen. Mit diesem Ringe giebt Ihnen Alphonse Ihr Wort zurück: Sie sind frei und ungebunden, wie zuvor – er ist bei Eckmühl auf dem Felde der Ehre gefallen. In meinen Armen ging er hinüber, und der Gedanke an Sie, mein Fräulein, dieser Auftrag für mich war sein letztes irdisches Geschäft.“

So kurz unsre Begegnung mit dem Obersten gewesen war, fühlten wir uns alle von der unerwarteten Botschaft ergriffen – Constanze begann leise zu schluchzen. „Ich danke Ihnen für diese Thränen,“ fuhr der Franzose selbst ergriffen fort, „ich danke Ihnen im Namen unsres so früh geschiedenen Freundes. Sie haben ihn nur flüchtig gekannt. Aber seien Sie versichert, so oft Sie beim Anblick dieses Rings sich seiner erinnern, haben Sie eines tadellosen Ehrenmannes, eines edlen Herzens gedacht!“

Damit verließ er uns, und wir begannen, fortan unbelästigt, den Weg zu unsrer neuen Zuflucht fortzusetzen. Als wir eine Strecke gegangen waren, bemerkte ich erst, daß ein Dragoner mit voller Bewaffnung hinter uns herschritt. Auf mein Befragen erklärte er, er sei uns als Sauvegarde beigegeben und eine solche werde uns von diesem Augenblick an verbleiben.

So geschah es auch, und die nächsten Tage gingen in Ruhe vorüber, so weit sie unter unsern Umständen möglich, war. Endlich hörten auch die Durchzüge auf – wir waren endlich frei, und niemand hinderte die Bürger mehr, in den Ruinen ihrer Häuser sich neue Nester ihres Fleißes und ihrer Emsigkeit anzubauen. Alles war rührig, den Schutt wegzuräumen und daraus hervorzusuchen, was etwa der Gewalt des Feuers, mehr oder minder erhalten, entgangen war. Jede Kleinigkeit wurde mit Entzücken begrüßt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_757.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)