Seite:Die Gartenlaube (1861) 791.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

In solcher Kraft lag dieses Jünglings Größe. Triumphirender Glaube an Gott, helle Zuversicht für die Sache des Rechtes und glühende Vaterlandeliebe erfüllten sein Herz ganz und gar. Und wie er singend in der Kriegsrüstung den deutschen Jünglingen voranschritt, schlugen seine Töne wie zündende Blitze ein in ihre Brust und erfüllten wiederum auch sie mit aller Kraft und Hingebung der edelsten Begeisterung.

Und das ist’s, was unserer Jugend Noth thut! Und darum sollten unsere geschäftsseligen oder hochgelahrten Jünglinge, – statt sich am frostigen Urtheil einer herzlosen Kritik über „die jugendlichen Leistungen der Körner’schen Muse“ vorzeitig abzukühlen – vor Allem die hohe ethische und nationale Bedeutung einer solchen Erscheinung begreifen, achten und lieben lernen; sie sollten die Geschichte der erbärmlichen Zeit, aus welcher Körner’s Geist und Herz sich erhob, recht eifrig studiren, damit aus ihr das Bild des Heldenjünglings in voller Klarheit vor ihr Auge trete; sie sollten all das herrliche Glück des Lebens, das Körner für seines Vaterlandes Freiheit und Ehre opferte, in ihren eignen Herzen abwägen: und wahrlich, es müßte das Blut der Jugend anders geworden sein, wenn sie nicht zu einem Körnertag sich aufschwänge, alljährlich ein Körnerfest mit ihren blühendsten Ehren feierte.

Die Männer, die jetzt rüstig im Kampfe stehen, werden Greise, wenn der Kampf selbst sie nicht vor dem Alter aufreibt; nur eine kräftige Jugend der Gegenwart könnte wieder Männer liefern. Jede Generation hat aber eine doppelte Verpflichtung: die ererbten Kämpfe tapfer fortzuführen und für die Kämpfe, die sie nicht vollenden kann, der Zukunft die rechten Streiter zu erziehen. Darum gilt’s, die Jugend vor ihr gerechtes Vorbild zu führen, denn auch des Helden Dichterwort wird in Erfüllung gehen:

Und noch einmal mußt du ringen
Wohl in ernster Geisterschlacht,
Und den letzten Feind bezwingen,
Der im Innern lauernd wacht!
Haß und Mißgunst mußt du dämpfen,
Neid und Streit und böse Lust;
Dann, nach langen, langen Kämpfen
Kannst du ruhen, deutsche Brust!




Warnung und Trost.
„Der persönliche Schutz“ und das „stärkende Heilverfahren“ von Laurentius.

Es giebt heutzutage eine große Menge von Gemüthskranken, besonders unter den Jünglingen und jungen Männern, welche sich mit dem unglücklichen Wahne das Leben verbittern, daß ihr Körper in Folge früherer, im jugendlichen Leichtsinn begangener Verstöße gegen ihre Gesundheit für’s ganze Leben total ruinirt sei. Diese Kranken, denen eine beklagenswerthe Scham und Scheu vor gebildeten Aerzten innewohnt, sind fast alle durch solche Bücher in ihren jammervollen und oft zur Verzweiflung führenden Zustand gerathen, welche, nachdem der Leser durch haarsträubende Krankengeschichten in Angst und Schrecken wegen seiner Zukunft versetzt worden ist, ein sicherheilendes, aber geheimes und sehr kostspieliges Arzneimittel empfehlen, was aber stets ein ganz billiges und nichtsnutziges Mixtum ist.

Unter diesen Büchern nehmen „der persönliche Schutz“ und unter jenen Arzneimitteln eine mit Hülfe dieses Buches empfohlene „Kräftigungstinctur“ den obersten Rang ein. Beide werden durch einen Hrn. Laurentius in Leipzig vertrieben, und das Verfahren dabei ist folgendes: Nachdem der arztscheue und verzweifelnde Gemüthskranke jenes Buch (dessen Preis 1 Thlr. 10 Sgr. ist und das zur Zeit in der 24. Auflage existirt) durchstudirt und aus den beigefügten, nur mit Buchstaben unterzeichneten Briefen ersehen hat, daß schon manchem ähnlichen Kranken durch das Laurentius’sche Mittel angeblich geholfen worden ist, wendet er sich schriftlich und, wenn sein Brief nicht unbeantwortet bleiben soll (wie auf der letzten Seite des Buches zu lesen ist), mit Beifügung von 3 Thalern an Hrn. Laurentius. Dieser, früher verarmter Buchhändler und jetzt Particular, läßt nun, wie er im Buche sagt, die Mittheilungen des Kranken der gewissenhaftesten ärztlichen Prüfung (zur Zeit eines Hrn. Rathes und Doctors Schmidt) unterwerfen, und es erhält hierauf sehr bald der Patient von jenem Arzte ein Schreiben, worin dieser außer einigen unbedeutenden ärztlichen Rathschlägen ein tonisches Heilverfahren für ganz unerläßlich erachtet. Dieses kräftigende Verfahren besteht nun darin, daß der Kranke 40 Thlr., aber, wie besondere eingeklebte Zettelchen besagen, lediglich an die bekannte Adresse des Hrn. Laurentius, einschicken muß, um die Kräftigungstinctur zu erhalten. Diese läßt denn auch nicht lange auf sich warten, sie kommt aber von Köthen her und muß nun nach den überschickten, theils gedruckten, theils von Hrn. Laurentius geschriebenen und vom Hrn. Dr. Schmidt unterzeichneten Vorschriften (von denen besonders die 8te sehr eigenthümlicher Art ist) verwendet werden. Schafft sie, wie dies stets der Fall, keine Hülfe und sind dem Patienten immer noch nicht die Augen über das Wesen des stärkenden Heilverfahrens aufgegangen, so thut er abermals den Beutel auf, macht noch eine halbe oder wohl gar eine ganze Periode für 20 oder 40 Thlr. durch und geht schließlich, nachdem er nun um 60 oder 80 Thlr. leichter, aber wegen seines Leidens noch nicht erleichtert ist, doch noch zu einem ordentlichen Arzte, um sich sagen zu lassen, daß er ein – war.

Jene 40thälerige Kräftigungstinctur, die allerdings nichts Schädliches, aber auch keine absonderlichen Stärkungsmittel enthält, kann sich für weniges Geld Jedermann selbst mischen, denn sie besteht hauptsächlich aus Eisen und Chinin. Man bereitet sie auf folgende Weise: Man löst 52 Gran Eisen in 1 Unze Salzsäure auf, erwärmt die Auflösung, setzt so lange Salpetersäure in kleinen Mengen hinzu bis sich alles Eisenchlorür in Chlorid verwandelt hat, und filtrirt. Andererseits löst man 60 Gran schwefelsaures Chinin in der nöthigen Menge verdünnter Schwefelsäure auf, vermischt beide Auflösungen, fügt 40 Unzen ordinären weißen Wein und endlich noch so viel Brunnenwasser hinzu, daß das Ganze 100 Unzen wiegt und hat sich so 40 Thlr. verdient. – Doch giebt es auch noch einen andern Weg, um billiger als für 40 Thlr. und zwar mit Ersparniß von 10 Thlr. zu der ganz echten Kräftigungsarznei zu kommen. Man umgeht nämlich die „bekannte Adresse“ des Hrn. Laurentius und wendet sich sofort an den Hrn. Dr. Schmidt (Carolinenstraße Nr. 3), der thut’s für 30 Thlr., ob aber auch wie Hr. Laurentius von Köthen aus, weiß ich nicht. Schon aus dieser enormen Preisermäßigung läßt sich schließen, wie’s um jenes Geheimmittel stehen muß.

Wer sind denn nun aber, und zwar zuvörderst hinsichtlich ihrer Finanzen, die Kranken, welche sich bei Hrn. Laurentius ärztlichen Rath für schweres Geld holen? In der Regel Solche, die ihre Groschen sauer verdienen müssen und sich oft das Nöthigste absparen, um die Summe für das Laurentius’sche Unheilverfahren zu erübrigen. Und wären sie auch noch so arm, niemals wird ihnen, trotz alles Flehens, von den 40 Thlrn. für die erste achtwöchentliche Periode (d. i. nämlich etwa 3 Maß von obiger Flüssigkeit) ein Groschen abgelassen. Höchstens bei Wiederholung der Cur tritt eine Ermäßigung von 10 Thlr. ein. Wohlhabende gehen äußerst selten in die Falle.

Wie sieht es ferner mit dem Krankheitszustande Derjenigen aus, die dem persönlichen Schutzpatrone in die Hände fallen? Die meisten von ihnen sind kerngesunde Leute, die sich ganz unnützer Weise fortwährend mit Gewissensbissen herum quälen und jedes Zwicken im Rücken oder in den Beinen für den Anfang der Nervenschwindsucht und dergleichen halten. Andere sind in der That in Folge von Jugendsünden entweder in der kräftigen Entwickelung ihres Körpers zurückgeblieben oder werden von Beschwerden heimgesucht, die einem geschwächten Nervensysteme ihre Entstehung verdanken. Aber ein hoffnungsloser Zustand ist das durchaus nicht und am allerwenigsten ein Zustand, bei dem von Arzneien Heil zu erwarten steht. Nur ein richtiges diätetisches Verhalten bringt hier Hülfe, und dieses muß durchaus von einem verständigen Arzte, aber nicht etwa brieflich, ohne den Kranken gesehen zu haben, sondern erst nach genauer Untersuchung desselben angeordnet werden.

Nur ganz im Allgemeinen lassen sich folgende Rathschläge ertheilen. Zuvörderst muß natürlich Patient von Schwächungen und Reizungen aller Art absehen, und dahin gehört auch der Mißbrauch

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 791. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_791.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2022)