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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


war er aus eigenem Entschluß aus einem Leipziger Magister zum russischen Officier geworden. Doch kehrte er nach Leipzig und zum Cultus der Wissenschaften zurück.

Seume kann nicht mit den Schriftstellern und Dichtern unserer Tage verglichen werden. Für Geld war er gar nicht zu haben. Was er schrieb, war seine heiligste Ueberzeugnug, und wie er schrieb, so war er; wie er dachte, so handelte er. Er war ein ganz tüchtiger Mensch aus einem Gusse, und auf ihn paßt Hamlet’s Wort: „Das war ein Mann!“

Clodius sagt von ihm so schön als wahr. „Große Sorgfalt für sein Inneres, wenig für sein Aeußeres; ernstes Denken, ruhiges Erwägen und Tiefe des Gemüths; Mangel an Nachgiebigkeit und Reichthum an Nachsicht; Bewußtsein seines Werthes und Bescheidenheit eines gebildeten Menschen; Freundlichkeit und Liebe im Herzen, oft finster um Stirn und Auge; empfänglich für das Schöne und Erhabene; flammender Eifer für Gerechtigkeit und gesetzliche Freiheit; selbstständig ohne Furcht; bitter gegen schlechte Menschen aus Liebe zur Menschheit – so war Seume.“

So sauge Dich denn aus seinen Schriften voll seines Geistes, deutsche Jugend, und halte fest an Wahrheit und Recht, wie er, und bewähre Deine Ueberzeugung durch die That wie er! Und Ihr, Sängerbrüder, singt ihm zuweilen ein Lied zum Andenken, der das schöne Wort gesprochen hat:

„Wo man singt, da laßt Euch fröhlich nieder,
Böse Menschen haben keine Lieder.“

Ihr könnt ihn als Dichter nicht zu Euern Goethe, Schiller, Herder stellen und als Denker nicht zu Euern Kant, Fichte, Schelling, aber Ihr könnt und müßt ihn als Menschen und Patrioten zu den Besten und Bravsten stellen, die Deutschland gezeugt hat und die von Deutschland gezeugt haben. War er nicht der Engel und nicht der Löwe und nicht der Adler, die der Herr nicht sandte, den Stab und die Stütze der Lüge zu vernichten, so war er doch das Würmchen Schamir, der Repräsentant des nimmer rastenden Geistes ehrlicher Wahrheit, die nimmermehr und am wenigsten in Deutschland vernichtet werden kann und wenn alle Junker und alle Schreiber und Pfaffen der Welt sich dagegen verschwören.

Der Verfasser dieses Aufsatzes, der sich als Knabe schon für Seume’s herrliches Wesen begeisterte, hat seinem Herzen zur Genüge sich mit seinem Landsmanne und Freunde, dem für alles echte Menschen- und Deutschthum warm fühlenden Herausgeber der Gartenlaube, verbunden, um den Manen des herrlichen Seume an dem neuen Hause, welches neuerdings an der Stätte erbaut worden ist, wo die arme, kleine, baufällige Hütte stand, in welcher Seume geboren wurde, eine Votivtafel aufzuhängen. Wir glauben damit im Sinne und gewissermaßen im Auftrage aller wackern Deutschen gehandelt zu haben. Die Tafel führt die Inschrift:

Geburtsstätte
des Dichters
Johann Gottfried Seume,
geb. 29. Januar 1763,
gest. 13. Juni 1810.
Natur-, Menschen-, Vaterlandsfreund.
Rauhe Schale, edler Kern.



Erinnerungen aus dem Schleswig-Holsteinischen Kriege.
Von W. S.
Die Frau Kriegsministerin – Eine Butterpatrouille.


Die früher in der Gartenlaube veröffentlichten Mittheilungen aus dem schleswig-holsteinschen Kriege haben auch in einem andern Kampfgenossen jener Tage alte Erinnerungen geweckt, Erinnerungen, die um so lebhafter erwachen mußten, als der Erzähler einem eben derselben Corps angehörte, die unter General Gerhard den Vorpostendienst während der letzten Monate versahen und unter jenem unermüdlichen tapferen Degen des Kampfes Ernst und Spiel in allen Formen kennen zu lernen Gelegenheit hatten. Mögen daher auch einige dieser freilich in engem Rahmen gezeichneten Bilder jener Tage hier ihre Stelle finden, wäre es auch nur, um dazu beitragen zu helfen, daß die brennendste Wunde am Körper des deutschen Vaterlandes offen erhalten werde, bis – einst der Arzt erscheint, der sie, sicherlich nicht medicamento, sondern ferro et igne zu heilen vermag.

Ich folgte erst dem letzten Aufrufe zum Eintritt in die Armee, zu derselben Zeit also, als Heinrich v. Gagern direct von der Tribüne des deutschen Parlamentes auf das Schlachtroß stieg, zu derselben Zeit, als so Viele, gleich mir nur „Leute von der Feder“, das Schwert ergriffen, um ihre Treue auch im Waffenkampfe zu bethätigen. Wo sind sie hin, die Gefährten jener Tage? Hans v. Raumer, der in der Blüthe der Jahre und jugendlichen Kraft dahin gerafft wurde? Hugo v. Hufenkamp, der in demselben Augenblicke fiel, als er den Degen gezogen, um seine Compagnie zum Sturm auf Friedrichstadt zu führen? Uffo Horn, der neben mir die Büchse trug, ebenso tapfer im Gefecht, wie liebenswürdig und beredt im Bivouac? Nasemann von Halle, dem im letzten Vorpostengefechte, das wir bestanden, am Sylvestertage 1850 bei Möllhorst eine tückische Kugel das Bein fortriß? Kaas von Berlin, der seine „deutsche“ Batterie schließlich gegen Rosas führte, ein Friesen an Körper und Charakter? Und alle die andern treuen und lieben Waffengefährten? – Die Meisten von ihnen deckt bereits die Erde; die Andern tragen den Schmerz im Herzen, den Ohnmacht auf der einen, Uebermuth auf der andern Seite dem deutschen Volke geschlagen. Doch fort mit diesen trüben Erinnerungen, die ohnehin in jeder Hütte Deutschlands leben! Ich will es lieber versuchen, einige jener heitern und frischen Scenen zu zeichnen, welche das reichbewegte Lagerleben uns geboten. Denn damals freilich dachte noch keiner von uns an die Möglichkeit eines so jämmerlichen Ausganges, wenn die Einsichtigeren auch ein resultatloses Ende voraussahen; damals siegte Begeisterung, Jugendmuth, der Reiz der Gefahr und der Wechsel des Augenblicks über alle Bedenklichkeiten und Sorgen.

Vorerst aber erfülle ich noch eine Pflicht, nicht blos persönlicher, sondern allgemeiner Pietät, indem ich das Bild einer deutschen Frau zu entwerfen versuche, deren Name bisher, wunderbar genug, wenig genannt ist, und die doch vor Allen ein dankbares Andenken verdient.

Was die deutschen Frauen Holsteins und Schleswigs in jenen Tagen im Allgemeinen geleistet, das hat die Geschichte verzeichnet; es genügt, das Lazareth in Schleswig nach der dortigen Schlacht, das in Rendsburg nach der Schlacht bei Idstedt, nach dem Sturm auf Friedrichstadt, nach der Explosion des Pulverthurmes zu nennen, an ihre rastlose Thätigkeit nach Auflösung der Armee zu erinnern. Was sie freilich im Einzelnen geopfert und gelitten, das bleibt der öffentlichen Kenntnißnahme entzogen, lebt aber mit Flammenzügen in tausend dankbaren Herzen fort.

Unter ihnen steht obenan eine Matrone, hervorragend an Geist und Energie, an edlem Sinn und reichem Gemüth, ausgezeichnet durch wahrhaft staatsmännische Einsicht und eine unermüdliche Arbeitskraft, die Generalin v. Krohn. Hoch von Gestalt, noch rüstig, trotz ihrer 70 Jahre, Ernst und Würde in ihrer Haltung, trat die Bedeutung ihrer Persönlichkeit auf den ersten Blick in’s Auge; unwillkürlich mußte man an eine jener Römerinnen denken, von denen die Geschichte uns erzählt, und in der That lag eine Art von antiker Ruhe in ihrer Erscheinung.

Allgemein und mit Recht wurde sie die „Kriegsministerin“ genannt, denn ihr Gatte, der Kriegsminister v. Krohn, ein bereits altersschwacher Greis, behielt seinen Posten gewissermaßen nur ehrenhalber, während sie selbst das Kriegsdepartement eigentlich leitete und mit der seltensten Umsicht und praktischem Blick für Beschaffung aller materiellen Mittel Sorge trug, welche die holsteinische Armee in so reicher Fülle aufzuweisen hatte und die seiner Zeit den Neid der Oesterreicher und dann leider die Schadenfreude der Dänen erregten. Daß in dieser Thätigkeit und bei solchem Geiste ihr Einfluß auch noch weiter reichte als über das Militär-Oekonomie-Departement hinaus, war natürlich, und in der That kann diese Frau als die Seele der schleswig-holsteinschen Bewegung in jedem Sinne bezeichnet werden. Die Gemeinde sowohl wie die Statthalter, die Mitglieder der Ständeversammlung wie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_062.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)