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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


bei ihr auf der Alm gewesen – die Kordl ist ganz umgewend’t, es ist nichts zu machen mit ihr!“

„Sie ist eine verrückte Person!“ eiferte die Müllerin. „Mußt ihr den Kopf zurecht setzen und sie nit so leicht aufgeben! Und bin ich nit auch da? Hab’ ich nit auch noch ein Wörtl d’rein zu reden? Und ich mein’, ich hätt’ Dir schon in früheren Zeiten gezeigt, ob ich was auf Dich halt’ und ob ich was ausrichten kann bei dem Mädel! Aber Du mußt halt Geduld haben – es will seine Zeit!“

„Ich hab’ aber keine Zeit zum Verlieren und keine Geduld zum Warten!“ entgegnete Quasi ärgerlich. „Das Bertelsgadener Landgericht ist hinter mir her! Der gestreng’ Herr sagt, ich wär’ ein Lump, ein Schwärzer, ein Wilddieb; ich müßt’ mich ausweisen, von was ich leb’; ich sollt’ in die Arbeit gehen oder in einen ordentlichen Dienst, sonst will er mich aufzuheben geben in Kaisersheim …“ Mit einem Fluch unterbrach er sich selbst und schlug die geballte Faust auf den Tisch. „Wenn der Kriegelhof noch mein wär’, ließ er sich’s wohl nit einfallen, so zu reden mit mir!“

„Ja, der ist hin!“ lachte die Müllerin spöttisch. „Der ist hinuntergeschwommen!“

„Und warum ist er hin?“ rief Quasi noch wilder. „Weil sie mir ihn abgelogen haben und abbetrogen, das Landgericht und der Vorsteher und die ganze Bande miteinander! Ich hätt’ noch lang forthausen und mir wieder aufhelfen können; aber das haben sie nit gewollt, weil ich kein Duckmäuser bin und ihnen niemals einen gehorsamen Diener ab’geben hab’! D’rum haben sie mich hinausgejagt und mir den Hof verkauft. Niemand ist schuld daran, als die miteinander! Niemand als die – und die Kordl mit ihrer ewigen Ziererei und Spreizerei. … Aber das muß anders werden! Heut’ noch muß ein End’ hergeh’n! Wo ist die Kordl?“

„Ich weiß nit; hab’ sie nicht wiedergeseh’n, seit sie gen Alm’ ist …“

„Sie haben heut’ abgetrieben, ich hab’s erfragt. Sie muß schon lang fertig sein bei ihrem Dienstbauern und muß jeden Augenblick kommen.“

„Wann sie nur überhaupt kommt!“ entgegnete die Müllerin zweifelnd. „Sie ist nit gern daheim bei uns!“

„Wo soll sie sonst hin? Der Dienst ist aus; sie kommt jedenfalls und will in der Mühl übernachten … d’rum muß es heut noch richtig werden mit mir und ihr!“

„Wie denn?“ fragte sie mit listig frechen Blicken. „Du bist wohl ein schneidiger Bursch, aber die Kordl ist widerspenstig und scheu, wie eine wilde Katz …“

„Dafür laß mich sorgen! – Schlaft sie droben in der Kammer, wie sonst? – Merkst was?“ fuhr er fort. „Ich will schon sorgen dafür und will’s erzählen, daß ich zu ihr Gassel ’gangen bin und daß sie mich wieder angenommen hat; wenn sie sieht, daß sie doch nimmer loskommen kann von mir, dann wird sie sich wohl d’rein finden und klein beigeben …“

„Aber wenn’s so ist – was nutzt es Dir nachher?“

„Was? Daß ich dem Gered’ und Gefrag’ am Landgericht ein End’ machen kann! Bin ich mit dem Madl in Ordnung, so übergiebst Du ihr die Mühl’, und wir heirathen – ich kann nachher doch thun und treiben was ich mag, und die Schergen müssen mich in Ruh’ lassen!“

„Uebergeben! Als wenn das so leicht ging’! Bin ich denn allein Herr? Gehört das Sachel nit auch dem Müller? Was kannst mit ihm anfangen, seit ihn der Schlag getroffen hat? Ich hab’ schon ferten (im vorigen Jahr) angefragt beim Landgericht, wie das wär’, da hat’s geheißen, man müßt’ einen Curater aufstellen für ihn – etwa den Vorsteher droben am Bühel!“

„Möcht’ der auch wieder die Hand im G’spiel haben? Das wär’ gerade der Rechte! Nein, Müllerin, mit einem Curater ist es nichts!“

„Und anders geht’s nit.“

„Anders geht’s nit? – Ein so gescheidt’s Leut, wie Du, Müllerin, und redest so daher? Laß Dich nit auslachen! Es geht wohl anders auch!“

Die Blicke Beider begegneten sich mit dem Aufblitz eines unheimlichen Verständnisses.

„Ist der Müller nit ein elender Mensch?“ fuhr Quasi leiser fort. „Ist er nit ein Krüppel, dem kein Mensch mehr helfen kann? … Ich mein’, es wär’ ein Glück für Dich und eine Wohlthat für ihn, wenn er von seinen Leiden erlöst wär’! – Ein lebendiger Simpel muß wohl einen Curater haben – ein G’storbener braucht Keinen mehr!“

„Nein, Quasi … nein,“ sagte das Weib, indem sie sich abwandte und ihr etwas wie ein Schauder den Rücken überlief. „Das ist nichts – davon will ich nichts wissen … ich will doch lieber mit dem Vorsteher reden. …“

„Das kannst thun – der Leut’ wegen,“ entgegnete der Bursch, „vom Andern brauchst nichts zu wissen, das ist meine Sach’ …“

„Ich hör’ was draußen auf der Gräd,“ unterbrach ihn die Müllerin leise, „es kommt Jemand …“

„Das wird die Kordl sein,“ flüsterte er entgegen, „ich will fort; laß mich hinten hinaus, daß sie mich nit sieht und etwan aufmerksam wird! Richte auch den Beutelkasten und die Truhen her in der Mühl’, damit Alles leer ist, wann wir kommen. Es giebt heut Nacht eine große Schwärzerei … die Tyroler bringen eine Menge Seidenzeug herüber und goldene Uhren. … Bei Dir soll’s versteckt werden – ein ganzer Hut voll Kronthaler ist unser, wann’s gut geht. … B’hüt Gott,“ sagte er, sein Glas ausstürzend, „und wann etwa der Brigadeer nach mir fragt – nachher wirst schon wissen, was Du ihm zu sagen hast!“

Wenige Secunden später pochte es an der Hausthüre, die Müllerin öffnete, und Kordel trat ein, das Kopftuch auf und den Hut darüber, die gestrickte braune Jacke über das Mieder gezogen, ein Bündel mit Kleidern in der Hand. „Grüß’ Gott, Mutter,“ sagte sie, „das ist ja ungewohnt, daß bei uns die Hausthür’ schon so früh geschlossen ist!“

„Grüß’ Gott,“ erwiderte die Mutter, „das kommt Dir nur so vor, weil Du spät d’ran bist mit dem Kommen. Man muß sich wohl vorseh’n da heroben in der Einöd’, es giebt gar zu viel Schelmenleut’“

„Ich bin nit eher fertig geworden,“ sagte Kordel, in’s Zimmer eintretend, „hab’ erst das Vieh besorgen müssen – sie haben mich gar so hart fortgelassen beim Bauer. … Aber wo ist denn der Vater?“

„Nun, es ist schon recht, weil Du nur da bist – es geht manchmal gar nit mehr recht fort mit mir; es giebt so viel zu thun, und ich kann Dich nothwendig brauchen, Du mußt jetzt schon dableiben, Kordl.“

„Nit gern, Mutter,“ sagte das Mädchen zögernd, indem sie sich auf die Bank setzte und vor sich niedersah. „Du weißt von früher her, daß es nit recht gut thut, und weißt auch warum. … Ich möchte am liebsten bei meinem Bauern bleiben, dem wär’s auch ganz recht. …“

„Nichts da!“ rief heftig und herrisch die Frau. „Du gehörst zu uns – Vater und Mutter haben das erste Recht auf Dich! Sollen wir uns schinden und frellen, und unser Kind die Füß’ alleweil unter fremder Leute Tisch haben?“

„Aber wo ist denn der Vater?“ fragte Kordel ausweichend, indem sie im Zimmer umher sah.

(Fortsetzung folgt.)


Ein Volksschwur.


Die wilde Jagd und die deutsche Jagd
     Auf Henkersblut und Tyrannen!
D’rum, die ihr uns liebt, nicht geweint und geklagt;
Das Land ist ja frei, und der Morgen tagt,
     Wenn wir’s auch nur sterbend gewannen!
Und von Enkeln zu Enkeln sei’s nachgesagt:
Das war Lützow’s wilde, verwegene Jagd!
 Theodor Körner.

Am Morgen des 28. März 1813 läutete in dem schlesischen Dorfe Rogau die Glocke. Sie rief nicht zum gewöhnlichen Gottesdienste, denn es war Sonnabendmorgen. Der Geistliche des Orts, der Pfarrer Peters, stand im Amtsgewande erwartend vor der Thür des Gotteshauses, das ganze Dorf war in begeisterter Erregung. Einer ernsten, schönen Feier galt es, der Einsegnung, der Todesweihe einer herrlichen Schaar von Jünglingen und Männern, welche entschlossen waren, Blut und Leben dem Vaterlande zu opfern. Es galt der Einsegnung des Lützow’schen Freicorps.

Und vor dem Dorfe war die Cavallerie des Corps, 260 Pferde stark, aufmarschirt, um ihre Cameraden der Infanterie zu erwarten, welche 900 Mann zählend von dem nahen Dorfe Zobten herankamen. Das waren feste, herrliche Gestalten. Aus ihren Augen

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