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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

seit dieser Zeit auch den Bart wachsen lassen, was aber seiner Gemüthlichleit keinen Eintrag gethan hatte.

Daß junge Thiere, wenn sie in einer Menagerie geboren worden sind, hauptsächlich das Publicum anziehen, versteht sich von selbst, und am meisten ist dies natürlich mit Löwen der Fall. Um möglicherweise Junge zu erzielen, und weil die Geselligkeit überhaupt den Thieren zuträglicher ist, haben es die Menageriebesitzer gern, wenn sie Löwe und Löwin zusammen in einem Käfig haben können, aber dieses Zusammenlassen, wenn die Thiere nicht aneinander gewöhnt sind, glückt nicht immer. Ich war einst Zeuge, als man in der frühern Preußer’schen Menagerie einen solchen Versuch machte. Der Löwe und die ihm bestimmte Gattin waren Nachbarn, hatten sich aber noch nie gesehen. Es wurde

Das südafrikanische Ehepaar.

Anstalt gemacht, aus der die beiden Thiere trennenden Käfigwand das oberste Bret herauszunehmen, um den Beiden zunächst Gelegenheit zu geben, sich sehen zu können, und die Löwin, welche den Zweck der Arbeit sehr wohl zu begreifen schien, nahm großen Antheil an dem Fortschritt derselben und schien überhaupt lebhafte Sehnsucht nach dem von ihr wohl gerochenen Bräutigam zu hegen. Derselbe war aber keineswegs in bräutlicher Stimmung, unwillig saß er in einer Ecke und gab seinen Aerger über die Störung durch Knurren deutlich zu erkennen. Jetzt ward das Bret herausgezogen, die Löwin stellte sich aufrecht, um nach dem Löwen zu schauen, aber kaum ward dieser sie gewahr, als er brüllend und mit einem Satze auf sie losstürzte. Zwar wurde er schnell zurückgetrieben, aber es war zu spät, die Löwin hatte in der Vordertatze eine tiefe klaffende Wunde, welche ihr die Klaue des Löwen geschlagen hatte. Bitter enttäuscht stand sie da auf drei Beinen, die verwundete Tatze schüttelnd, so daß das Blut auf meine noch jetzt andächtig aufgehobene Zeichnung spritzte, während der Löwe grollend und in höchster Aufregung in seinem Käsig umherraste. Der Versuch war mißlungen, und noch mehrere Tage lang sah ich die Löwin in ihrem Käfig liegen und ihre Wunde eifrig lecken, die indeß bald wieder heilte.

Wenn dieser Vorfall beweist, daß nicht Alles sich liebt, was Löwe heißt, so kann man doch auch wieder sehen, daß, wenn solche Thiere einmal an einander gewöhnt sind, sie gewöhnlich große Zuneigung zu einander hegen, selbst wenn dabei kein Gattenverhältniß im Spiele ist. Schon das Verhältniß zu einem etwa mit eingesperrten Hunde gestaltet sich stets zu einem freundschaftlichen, wenn derselbe einmal in Gnaden angenommen worden ist.

Bei jungen, noch nicht abgestumpften Löwen tritt die erwähnte Anhänglichkeit am deutlichsten hervor. In der Menagerie eines Herrn Liphard befanden sich auch zwei junge, südafrifanische Löwen, offenbar Brüder und Zwillinge. So ungebehrdig und wild diese herrlichen Thiere sich sonst gegen Jedermann, Herrn Liphard ausgenommen, benahmen, so zärtlich waren sie selbst gegen einander. Oft kam es vor, daß der eine sich platt vor den andern hinlegte und dann die Beiden, indem sie sich gegenseitig die Schnauzen beleckten, sich förmlich zu küssen schienen. Auch im Liegen und Ruhen hielten sie sich oft wie innig umschlungen, was bei solchen gewaltigen Thieren einen sehr eigenthümlichen Eindruck machen mußte.

In der rührendsten Weise ist mir aber diese Anhänglichkeit in einem Fall vorgekommen, der mir in der That dadurch unvergeßlich geworden ist, obgleich er auch an sich von dem, was man in Menagerien gewöhnlich beobachten kann, gänzlich abweicht. Es war die schon erwähnte Schreier’sche Menagerie, als sie, wie gewöhnlich, nach dem Tode des Gründers ihrer Auflösung entgegenging, in welcher zur Zeit, wo sie sich in Stuttgart befand, zwei hübsche junge Löwen zusammen in einem Käfig gezeigt wurden, Männchen und Weibchen. Damals waren die Thiere noch beide ganz gesund und überhaupt fast nicht zu unterscheiden, da die Mähne des Männchens

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_285.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)