Seite:Die Gartenlaube (1863) 301.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

er auf belebten Straßen fuhr, oft auch noch verhängt. – Ebenso vorsichtig verfuhr man beim Aussteigen. Selbst der Köchin, die von früh bis Nachts in der oberen Etage verkehrte, war es nie vergönnt, die Gräfin zu sehen.

Es wird nach dem Erzählten sich Niemand wundern, daß der Eintritt in die oberen Räume sogar dem Briefträger verboten war, obwohl fortwährend zahlreiche Postsendungen unter der Adresse „Vavel“ oder „Vavel de Versay“ an den Grafen ankamen. Briefe und Packete nahm die Hausbesitzerin in Empfang, legte sie in einen Korb, der zu diesem Zweck an der Treppe hing und, nach einem Zeichen mit einer Klingel, an einer Schnur in die Höhe gezogen wurde. – Die vielen Zeitungen, die der Graf bezog, besorgte der Kammerdiener. Man hörte oft noch spät in der Nacht mit starker Stimme vorlesen; sonst herrschte oben stets Todtenstille.

Das Grab auf dem Stadtberg bei Hildburghausen.
Nach einer Originalzeichnung von Plato Ahrens in Hildburghausen.

Während des Aufenthaltes zu Hildburghausen unternahm der Graf mit der Dame oft Reisen, die sie mehrere Tage abwesend hielten, – wohin? weiß Niemand. Der Kammerdiener war der einzige Begleiter. – Plötzlich kündigte der Graf die Wohnung in der Neustadt, man sagt, weil die Hausbesitzerin, gegen ihre Zusage, sich ohne sein Vorwissen auf Anerbietungen zum Verkauf ihres Hauses eingelassen. Ob dies der wahre Grund gewesen, oder ob der Graf – es war im Jahre 1810 – mehr Sicherheit abseits einer Stadt zu finden geglaubt – wer weiß es? Er wählte zu seinem fernern Aufenthalt das herrschaftliche Schloß aus dem Domainengut zu Eishausen, einem Dorfe, das anderthalb Stunden von Hildburghausen an der Straße nach Coburg liegt. Hier zog er mit der Gräfin und dem Kammerdiener am 30. September ein.

Im Schlosse zu Eishausen fand der Graf anfangs nicht Alles nach Wunsch. Das Erdgeschoß bewohnte noch ein bejahrter Verwalter, und die großen Böden benutzte der Kammergutspachter als Fruchträume. Wie ruhig nun auch der Verwalter und seine gleich alte Frau sich verhalten und wie leise die Pachtersknechte die schweren Getreidesäcke auf den Strümpfen die Treppen auf- und abtragen mochten, der Graf schien seiner Wohnung in der zweiten und dritten Etage nicht eher froh zu werden, bis dem Verwalter eine gute Unterkunft im Dorfe bereitet war und eine neue Pachterwohnung auch den Boden im Schlosse frei machte. Wie der Graf im Geldpunkte sich stets im höchsten Grade anständig zeigte, so hatte er auch für diese Vergünstigungen bedeutende Opfer gebracht.

Trotz alledem schien ein dauernder Aufenthalt auch hier nicht in des Grafen Plane zu liegen. So wurden z. B. die vielen Möbel, die zur Wohnlichmachung der großen Schloßräume nöthig waren, gemiethet. Und wenn er sich wieder Pferde anschaffte, so konnten füglich diese auch dazu dienen, ihm eine Abreise in jedem Augenblick möglich zu machen. Das häusliche Dienstpersonal wurde nur um eine Köchin vermehrt, die jedoch das Schloß niemals verlassen durfte! So hielt sie es viele Jahre aus, bis sie endlich das Gehen auf bloßer Erde ganz verlernt hatte. Die Vermittlung mit der Außenwelt besorgten drei Personen, ein gewisser Schmidt

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_301.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)