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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)



Dank an die Glückwünschenden zum 16. Mai 1863.[1]



So viel Flocken der Mai duftigen Blüthenschnees
Mit verschwendrischer Hand jetzt dem Gefilde streut,
     So viel regneten Wünsche
Meinem Feste von fern und nah.

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So viel Blumen im Thau schmeichelnde Morgenluft

Weckt und küssend in Schlaf wieget der Abendwind,
     So viel Freuden zu pflücken,
Meine Wünschenden, wünsch’ ich Euch.

Auch des blühendsten Mai’s blühendste Blüthe welkt,

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Und eh’ sie sich besinnt, sieht sich die Jugend alt;

     Doch nie welket und altert
Mir im Herzen das Dankgefühl.

Dank, daß mir zum Gesang öffnet’ ein Gott den Mund,
Dank, daß meinem Gesang dankend ein Hörerkreis

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     Auch antwortet, und Dank, daß

Ich ihm heute noch danken kann.

Fr. Rückert.


Eine dunkele That.
Erzählung von Otto Ruppius.
(Fortsetzung.)


Der Justitiar hatte bei den letzten Worten langsam den Kopf gehoben und blickte dem Arzte in’s Gesicht, als suche er darin das Verständniß für einen noch unausgesprochenen Gedanken. In des Doctors Zügen hatte sich indessen der Ausdruck der frühern Starrheit und Sorge mit jedem gehörten Satze mehr aufgeklärt, und der Blick des Redenden traf auf ein Auge, in welchem sich kaum mehr als die ernste Spannung auf das Ende der begonnenen Mittheilung verrieth.

„Meine erste Sorge, als sich mir die Unmöglichkeit einer Wiederbelebung vor die Augen stellte,“ fuhr der Justitiar, den Kopf wieder senkend, von Neuem fort, „war es, die gesammten Hausgenossen einzeln zu verhören, ob nicht während der Nacht irgend eine Bemerkung die zu weiteren Schlüssen hätte Veranlassung geben können, von einem derselben gemacht worden war. Die Kunde des Geschehenen war bereits durch das ganze Haus gedrungen, und es machte einen wohlthuenden Eindruck auf mich, als, kaum daß wir den Körper im Hinterzimmer niedergelegt, die junge Frau Amtsräthin, gänzlich verstört und nur mit dem bekleidet, was sie in Hast über sich geworfen, hereinstürzte, bei dem Anblick des mit Blut bedeckten Todten aber fast besinnungslos in den nächsten Stuhl sank und nur noch die Worte: „Schicken Sie um Gotteswillen nach dem Doctor!“ hervorbringen konnte. Wir wußten ja Alle, daß sie den Amtsrath nicht eben aus Liebe genommen. Sie konnte ich jetzt natürlich nicht mit Fragen quälen und übergab sie der Sorge ihrer Christine, die halb eine Wirthschaftshülfe, halb eine Art Kammermädchen bei ihr vorstellt; begann dann im anstoßenden Zimmer ein Verhör mit den Knechten und Mägden, konnte aber bei Niemand zu einer Angabe, die irgend einen Verdacht hätte rege machen können, gelangen. Da stellte sich, als ich eben ziemlich hoffnungslos den ganzen dunkeln Fall mir noch einmal vor die Seele rief, die Christine wieder ein, warf einen raschen Blick durch das Zimmer, ob sie auch völlig mit mir allein sei, und wies dann auf den neben mir auf dem Tische liegenden gefundenen Handschuh, den Keines der Uebrigen hatte kennen wollen. „Ich denke, Herr Justitiar, ich weiß, wo der Handschuh dort hingehört, wenn ich auch damit nicht das geringste Schlimme weiter gesagt haben will,“ begann sie geheimnißvoll; „ich halte es aber bei der schrecklichen Geschichte auch für meine Pflicht, Ihnen etwas Anderes zu erzählen, das mit dem Handschuh zusammenhängen könnte.“ Und nun folgte ihrerseits eine Mittheilung, welche mich mit jeder Minute mehr spannte. Der junge Rothe, Ihr Nachbar, Doctor, war am Nachmittag bei der jungen Frau gewesen, und das Mädchen wollte im Vorbeigehen an der Stubenthür einige Worte des Gesprächs zwischen Beiden aufgefangen haben, welche sie unwillkürlich zum Stillstehen gebracht. Die Beiden im Zimmer hatten sich gegenseitig ihre Liebe erklärt, und Rothe war endlich zu den Worten gekommen: um eines Mißverständnisses willen, durch welches die Heirath der Amtsräthin herbeigeführt worden, dürften sie nicht Beide zeitlebens elend werden, und es müsse noch Mittel geben, die junge Frau wieder frei zu machen – Abends um elf Uhr wolle er im Obstgarten sein, um das Weitere mit ihr zu besprechen. Christine behauptete ferner, daß die Neugierde sie getrieben, um die besprochene Zeit die mondhelle Umgebung des Hauses von ihrem Fenster aus zu beobachten, daß sie den jungen Rothe wirklich auf dem Wege nach der Rückseite des Hauses bemerkt, denn aber ihre Aufmerksamkeit dem Zimmer der Amtsräthin zugewandt habe. Sie

  1. Des Dichters fünfundsiebenzigster Geburtstag, an welchem ihm so viele Festgrüße aus ganz Deutschland und selbst aus Rußland, von den Deutschen in St. Petersburg, zugingen, daß es den gefeierten Greis drängt zu den besondern Erwiderungen noch diesen allgemeinen Dank dafür auszusprechen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_385.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)