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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Scenerie in Guldbrandsdalen.

Baum zu Baum; im Wasser aber huscht die purpurgefleckte Forelle pfeilschnell über den steinigen Grund, wenn der Schatten des vorübereilenden Wagens sie schreckte.

An einem grünen See vorüber führt der Weg. Hundert gletschergrüne Wasseradern hat er in sich aufgenommen und trägt nun selbst das wunderbare Kleid derselben, jenes unbeschreiblich frische, klare Wellengrün des Hochgebirges, welches man selbst geschaut haben muß, um sich vorstellen und begreifen zu können, wie fest das Auge und das Herz davon gefesselt werden. Zwei Buben wiegen sich im leichten Kahne und werfen die Angel in die Tiefe, den köstlichen Oerret oder die Alpenforelle zu berücken; ihre feuerrothen Mützen heben sich grell ab von dem Grün der Wogen. Einzelne Landleute gehen vorüber, jeder hat einen Gruß, eine Frage an den „fremden Mann“, jeder einen Glückwunsch für seine fernere Reise.

Höher und höher steigt die Straße empor; endlich überschreitet sie den Gebirgskamm und gestattet eine freie Aussicht in ein neues Thal, schön wie das erste, aber großartiger und reicher. Seine Sohle ist breiter, und die schimmernde Otta, welche durch das Grün sich zieht, ist schon ein ziemlich bedeutender Fluß, obgleich er noch in aller Jugendlust und in seinem Jugendkeid dahinbraust. Die zahlreichen Wasserfäden, welche er rechts und links aufnimmt, trägt er jauchzend dem Laagen zu, mit welchem er sich wenige Meilen unterhalb vereinigt, zur weiteren Wanderung. Im Hintergrund schimmert der Vaagevand; der See, welcher auch für ihn sammelt und wohl hundert Bäche zu seinem Schooße ladet, um sie zu vereinen und jenem dann zu schenken. Ganz in der Ferne zeigen die Berge krystallne Kronen; es sind die Vorläufer des gewaltigen Galdhaaspiggen, welcher seine ewig beeisten Hörner höher hinaufstreckt in die Bläue, als irgend ein anderer Berg des Landes, ja der Norden von Europa. Die Thalwände erscheinen wie besät von Gehöften, und im Grund vereinigen sich die wohnlichen und behaglich aussehenden Gebäude fast zu einem Dorfe.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_389.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)