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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

das Bild. Dicken Dampfwolken folgten sehr schnell schwarze Aschenwürfe, und ununterbrochen hervorschießend arbeiteten sich Schlacken-, Sand- und Steinwürfe bald empor bis zur Bildung einer drohend dastehenden schwarzen Säule, deren Höhe reichlich 600 Fuß über dem Meere betragen mochte. Stets neue Schüsse drangen durch das Dunkel dieser furchterregenden Hauptmasse. Wie Raketenbüschel verbreiteten sie sich garbenförmig am oberen Ende. Vorn schossen, durch größere Schwungkraft getrieben, die schweren Schlacken- und Steinstücke, und ein dunkler breiter Sandstreifen bezeichnete die Bahn ihrer Wurflinien. Stets wie die großen Sand- und Aschenmassen von dem Scheitelpunkte, bis zu welchem sie geschleudert worden, sich zurückbogen, um als dichter schwarzer Regen dann in’s Meer oder auf die Abhänge zu fallen, entwickelten sich aus den umgebogenen Rändern ihrer Würfe überaus herrlich jene schneeweißen wogenden Dampfmassen, und der Anblick der schwarzen Säule mit weißen Kronen war auf dem dicht verdunkelten, von grauem Nebel gefärbten Hintergrunde unglaublich prächtig. Durch die schwarze Aschenwolke fuhren hellleuchtende Blitze, denen jedesmal ein lang anhaltender Donner folgte.“

Die Insel Ferdinandea am 23. September 1831.

So wuchs die Insel durch die regelmäßig sich wiederholenden Auswürfe von Tag zu Tag und änderte mit ihren Dimensionen ihr Aussehen.

Der heftig wehende Westwind trieb das leichte Material nach Nord-Osten; dadurch hatte sich auf dieser Seite eine Erhöhung gebildet, während auf der Südwestseite die Einfassung der nach unten reichenden trichterförmigen Oeffnung kaum über die Wasserfläche emporstieg. Hoffmann schätzte den höchsten Punkt (Mitte Juli) zu 60 Fuß.

Am 2. August war er bereits 100 Fuß hoch, und die höchste Höhe, bis zu welcher er im Laufe der ersten Hälfte dieses Monats noch anstieg, betrug gegen 180 Fuß. Die Südwestseite, welche anfänglich noch dem Meereswasser Zutritt zu dem Rauchfange des Vulcans gestattet hatte, erhob sich bis gegen 50 Fuß hoch, und das Ganze erhielt das Ansehen eines oben eingesunkenen Berges, dessen in so kurzer Zeit vom Grunde des Meeres emporgewachsene Höhe bald gegen 800 Fuß betrug.

Solche Veränderungen der scheinbar festgegründeten Erde bewirkt heute noch die vulcanische Gewalt.

Noch waren nicht drei Wochen seit der ersten Nachricht vergangen, die Insel war noch gar nicht fertig, als die Engländer (2. August) nach allen Formen des Seerechtes von dem Eilande Besitz nahmen, obgleich dasselbe innerhalb sicilianischen Inselgebietes dem Meere entstiegen war. Gegen Ende September besuchte Hoffmann zum zweiten Male die merkwürdige Stelle, zu gleicher Zeit traf eine französische Brigg dort ein mit dem Akademiker Prevost und dem Maler Joinville an Bord. Mittlerweile (seit dem 12. August) hatten die Auswürfe aufgehört. Die Zufuhr neuen Materiales aus der Tiefe war beendet, aber damit war keine Ruhe über das kleine Land gekommen. Mitten im Meere gelegen und ganz dem Andrange des Windes und der Wellen ausgesetzt, konnten die losen Bestandtheile den vereinten Bestrebungen der Elemente nicht widerstehen. Das Werk der Zerstörung war im vollen Gange. Ausschüttungen und Unterwaschungen verursachten Abstürze, und im Vorüberfahren sahen die Reisenden fortwährend große, neuabgelöste Sandmassen von den angegriffenen Anhängen herabrollen und theilweise ins Meer stürzen, theilweise als Staub von dem wirbelnden Scirocco in die Luft getragen werden. Der nahezu kreisförmige Umfang der Insel betrug im September höchstens noch 2000 Fuß, und der Flächeninhalt hatte sich demnach zu dieser Zeit schon um die Hälfte vermindert. Ende October war der Umfang nur noch 1600 Fuß, von Tag zu Tag wurde die Insel kleiner, endlich war sie ganz wieder verschwunden, und mit dem Schluß des Jahres 1831 rollten wieder die Wogen ihr wechselndes Spiel, und das klare Mondlicht fiel fragend auf die Stelle, wo kurz vorher unterirdische Kräfte ein Merkzeichen ihres unberechenbaren Wirkens aufgebaut hatten.

Die vier Culturnationen, Italiener, Deutsche, Engländer und Franzosen, hatten die Wellenschaumgeborene in charakteristischer Weise begrüßt. Die Einen durch eine neugierig scheue Menge mit offenen Mäulern und langen Hälsen, die Andern durch einen ihrer größten Forscher, edlen Ernst und schöne Begeisterung, die Franzosen, um sie zu malen, die Engländer, um sich einen möglicherweise festen Punkt zu sichern. Alle, nur der Deutsche nicht, hatten für sie geschwind irgend einen oder mehrere Namen bei der Hand.

Der Capitain, welcher die englische Flagge aufpflanzte, nannte die Insel Graham-Island, ein Anderer Hotham-Island, nach dem auf Malta stationirten englischen Admiral, wieder Andere wollten die erste Entdeckung dem Capitain Corrao zuschreiben und gaben der Insel den Namen Corrao; weil sie im Juli emporgetaucht war, tauften sie die Franzosen Julie oder Isola Giulia; bei den Sicilianern aber hieß sie Nerita, fälschlicherweise, denn sie ist nicht auf der gleichnamigen Korallenbank entstanden, oder Isola Ferdinandea, zu Ehren ihres Königs Ferdinand’s II. Von allen diesen Namen wurde der letztere endlich fast allgemein angenommen, bis mit dem Wiederversinken der Insel auch er vergessen wurde. Wem fällt dabei nicht des Sängers Fluch ein? Das einzige Denkmal, an dessen Entstehung keine fluchwürdige That jenes Königs sich knüpfen läßt, dessen Nennung keine Verwünschung auf die Lippen treibt – das wusch das Meer hinweg.

Aehnliche Vorgänge wie im Jahre 1831 haben wir jetzt wieder zu erwarten. Ob sich der Krater wieder öffnen wird, ob dauernde Ausbrüche daraus erfolgen werden, ist eine Frage, welche die Naturforscher lebhaft beschäftigt. Die Untersuchung dieses merkwürdigen Phänomens muß werthvolle Resultate für die Geschichte der Erde liefern. Deswegen und weil höchst wahrscheinlich die Zeit der Beobachtung wiederum nur eine kurze sein wird, erregt das langsame Erscheinen der vielnamigen Insel unser hohes Interesse. Nicht durch einen gewaltigen Ausbruch hat sie sich diesmal angekündigt, sondern durch ein langsames, aber stetiges Heben des Grundes, welches seit einiger Zeit von den Schiffern beobachtet worden ist. Eines Tages wird derselbe über die Oberfläche emporragen und die Engländer zu einer wiederholten Besitzergreifung einladen. Aber wie die Insel kommt, so wird sie auch wieder gehen – eine Undine, welcher höhere Mächte erlauben, dann und wann auf kurze Zeit im wärmenden Strahle der Sonne sich zu freuen.




Aus jüngstvergangenen Tagen.
4. Charakterköpfe aus der deutschen Abgeordneten-Versammlung in Frankfurt.
1.
Sigmund Müller – Rudolph v. Bennigsen – Wilhelm Löwe – Ludwig Häusser.
Vom Verfasser des Artikels „Die Fürsten des Fürstentags“.


Es giebt auch Bußtage im Leben einer Nation, und mich dünkt, die deutsche Abgeordneten-Versammlung vom 21. December ist ein solcher nationaler Bußtag gewesen. Ein Freudentag war es jedenfalls nicht. Die Stadt Frankfurt versteht sich doch gewiß auf Fest- und Freudentage; aber diesmal: keine Fahne, kein Triumphbogen, kein Kanonendonner, kein Schall der Festmusik – man hat uns ernst und still willkommen geheißen. Und hätte es anders sein können? Vor 15 Jahren tagte hier ein vollberechtigtes, verfassunggebendes Parlament, das an demselben 21. December die Grundrechte des deutschen Volkes endgültig feststellte,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_093.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)