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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Zu denjenigen Institutionen, welche, auf wahren, echten Gemeinsinn basirend, Opferwilligkeit, That- und Willenskraft erfordern und gleichzeitig im Dienste der Humanität stehen, gehören unstreitig die freiwilligen Feuerwehren. Diese Genossenschaften, die in der neuern Zeit, besonders in Folge des sich immer mehr und mehr ausbreitenden Turnwesens, in vielen Orten unseres deutschen Vaterlandes entstanden oder im Entstehen begriffen sind, können nicht genug der allgemeinen Beachtung und Nachahmung empfohlen werden. Denn vielleicht auf keinem Gebiete der öffentlichen Wohlfahrt ist eine gründlichere Verbesserung nöthig, als gerade bei dem Feuerlöschwesen, das sich leider in nur wenig Fällen einer besondern Aufmerksamkeit der Bevölkerung wie der Behörden zu erfreuen hat. Indifferentismus, Festhalten am Althergebrachten und die Scheu vor einigen, häufig gar nicht bedeutenden, Geldkosten bilden in der Regel das Trifolium einer geschlossenen Phalanx gegenüber den sich etwa geltend machenden Bestrebungen nach Verbesserung. „Wozu brauchen wir die Neuerungen? Unsere Anstalten genügen vollkommen, und am Ende erleben wir ja nur selten ein Brandunglück. Weshalb sollen wir uns also der Mühe neuer Einrichtungen unterziehen und obendrein Geld dafür verwenden, das wir für andere Zwecke nöthig haben?“

So räsonnirt man beim Bierglase und begiebt sich, eben als der Nachtwächter den stereotypen Vers „Bewahret das Feuer und das Licht“ etc. absingt, zur gewohnten Ruhe. Da, plötzlich, mitten im tiefsten Schlafe ertönt schauerlich die Sturmglocke! Erschreckt stürzen die Einwohner aus ihren Häusern. Ein Schrei des Entsetzens läßt sich überall vernehmen, denn es brennt an der gefährlichsten Stelle. Mit rasender Schnelligkeit verbreitet sich die Flamme und vernichtet Hab und Gut. Jetzt endlich langt die erste Spritze an, ein wahres Ungethüm, welches die Jahreszahl 1763 trägt, andere folgen, und mit einiger Ruhe sieht man nun den Ereignissen entgegen. Aber leider leistet nur eine einzige Spritze gute Dienste, während die andern wegen ihrer Untauglichkeit nach kurzer Zeit ihre Thätigkeit eingestellt haben und sogar theilweise von der Bedienungsmannschaft verlassen sind. Alles rennt durcheinander, Jeder sucht seine Habe in Sicherheit zu bringen, denn schon hat sich die Flamme bis zum Mittelpunkt des Ortes ausgebreitet. Unter solchen Umständen, und weil es leider auch an Wasser und Mannschaft fehlt, muß die einzige Spritze, die der Weiterverbreitung des Feuers einen Damm entgegensetzen könnte, ihre Thätigkeit einstellen und sich schleunigst zurückziehen. So ergreift das Feuer Kirche und Rathhaus, ja selbst die geretteten Gegenstände, welche man an einem sichern Ort wähnte. In wenigen Stunden ist der Ort bis auf einzelne Häuser ein Schutthaufen. Weinend und wehklagend stehen die Einwohner auf dem Platze der Vernichtung, trüben, bekümmerten Blickes in die düstere Zukunft schauend, der allgemeinen Mildthätigkeit anheimgegeben. Und glücklich noch mögen sie sich bei all’ dem Elend schätzen, wenn keiner von ihnen den schrecklichen Tod in den Flammen gefunden hat.

All’ dies Unglück ist zum guten Theil die Folge von Sorglosigkeit und Mangel jeder dem billigsten Verlangen nur einigermaßen entsprechenden Organisation. Deshalb sollte jede Gemeinde darauf bedacht sein, bei guter Zeit die nöthigen Sicherheitsmaßregeln durchzuführen, und nicht erst warten, bis das Sprüchwort: Durch Schaden wird man klug, sich an ihr zu erproben sucht.

Die Hauptbedingungen einer tüchtigen Feuerwehr sind in einer wohlorganisirten, disciplinirten Mannschaft, unter einheitlicher Leitung, zu suchen. Dieser müssen dann brauchbare Geräthe und namentlich hinreichendes Wasser zu Gebote stehen. Daß nur auf diese Weise tüchtige Resultate zu erlangen sind, dürfte jedem Einsichtigen klar sein. Wer aber noch daran zweifeln sollte, der gebe sich nur die Mühe, die Leistungen einer gut organisirten, streng disciplinirten und wohlausgerüsteten Mannschaft mit denen einer zusammengewürfelten Masse zu vergleichen, und er wird sehr bald zur Erkenntniß gelangen.

Hinsichtlich der Löschgeräthe soll man alles Complicirte vermeiden, und sich an das Einfache, Praktische halten. Ebenso einfach sei die Kleidung. Wenn es die Mittel erlauben, daß die Mannschaft, namentlich im Winter, mit einer Tuchjoppe versehen werden kann, dann um so bester. Wo dies nicht thunlich, muß eine Blouse aus derbem Leinenzeug, unter welcher man ein warmes Unterkleid tragen kann, den Dienst verrichten. Als Kopfbedeckung wähle man den Helm. Alle überflüssigen Abzeichen sind entschieden zu vermeiden. Die Mannschaft selbst aber darf nicht aus zu jungen Leuten bestehen. Das 18. oder 20. Lebensjahr muß jeder Eintretende erreicht haben und außerdem die erforderliche körperliche Tüchtigkeit besitzen. Besonders möge man darauf sehen, sich einen Stamm von solchen Leuten zu bilden, die ihren dauernden Wohnsitz im Orte selbst haben. Endlich sollen sich auch die intelligenten und durch ihre Verhältnisse unabhängigen Ortsangehörigen bei der Feuerwehr betheiligen; denn gerade sie sind es, welche in einer derartigen Genossenschaft besonders segensreich wirken können. Leider aber hat man in diesen Kreisen häufig mehr schöne Worte als Thaten. Hat sich nun ein Stamm von Männern zu einer solchen freiwilligen Genossenschaft vereinigt, dann entwerfe man ein aus wenigen Paragraphen zusammengesetztes Grundgesetz nebst den nöthigen Disciplinarbestimmungen und setze sich alsbald mit den Behörden in Verbindung, deren Unterstützung unter allen Verhältnissen nothwendig ist. –

Der Impuls zu Gründung freiwilliger Feuerwehren ist schon vor länger als einem Jahrzehnt von Süddeutschland (besonders von Schwaben) aus gegeben worden. Von dort hat sich die Bewegung nach Mittel- und in jüngerer Zeit nach Norddeutschland verpflanzt. Auch in Oesterreich ist man neuerdings mit Gründung solcher Genossenschaften vorgegangen, deren Beispiel sicherlich Nachahmung finden wird. Vor Allem aber hat die Bewegung in den Turnvereinen Grund und Boden gefaßt und sich mit deren Verallgemeinerung vergrößert. Die Turngenossen eignen sich ganz besonders zu Feuerwehren; denn einmal haben sie Gelegenheit, die auf dem Turnplatze erworbene körperliche Kraft und Gewandtheit, That- und Willenskraft in der Praxis zu bethätigen, und dann ist in dem öfteren gemeinschaftlichen Zusammensein auf dem Turnplatze ein Bindemittel gegeben, welches für die Disciplin wie für das überaus wichtige sich gegenseitig in die Hand Arbeiten eine große Bedeutung hat.

Ueberhaupt muß die Turnerei mit den aus ihr gebildeten Feuerwehren als eine Hauptschule des Gemeinsinns betrachtet und darum ihre immer weitere Verbreitung mit allen Kräften angestrebt werden.

Werfen wir nunmehr einen Blick auf stehende, d. h. bezahlte Feuerwehren. Derartige Einrichtungen, welche bedeutende Geldkosten verursachen, besitzen nur große Städte, wie Berlin, Paris, London, Petersburg, Moskau und viele andere. Eine treffliche Organisation hat die Berliner Feuerwehr, welche, von dem ehemaligen Polizeipräsidenten von Hinckeldey gegründet, heute noch unter dem verdienstvollen Branddirector Herrn Scabell steht. Das ganze Corps hat einen Etat von circa 600 Mann. In verschiedenen Theilen der Stadt befinden sich achtzehn mit den erforderlichen Mannschaften und Geräthen besetzte Feuerwachen, welche mit dem Polizeipräsidium in telegraphischer Verbindung stehen, so daß im Nu und ohne die Bevölkerung zu alarmiren bei einem ausbrechenden Schadenfeuer die erforderlichen Kräfte an den bedrohten Punkt dirigirt werden können. Eine bis in fast alle Theile der Stadt verbreitete Wasserleitung unterstützt die Operationen der Mannschaften, deren Genauigkeit in Ausführung ihrer verschiedenen Verrichtungen ganz besonders hervorzuheben ist. Die freiwilligen Feuerwehren können sich dieses Institut in jeder Beziehung zum Muster nehmen und mancherlei Einrichtungen auf ihre eigenen Verhältnisse übertragen. Vorzugsweise gilt dies von der Disciplin, der Ruhe und Besonnenheit, dem Bewußtsein, welche dort herrschen.

Das Pariser Pompiercorps,[1] das älteste aller stehenden Feuerwachen, denn es wurde schon im Jahre 1716 von Dumourrier Duperrier gegründet, zählt dermalen 800 Mann. Das Corps steht seit 1850 unter dem Commando und der Verwaltung des Kriegsministeriums, während es hinsichtlich des Feuerlöschdienstes den Befehlen des Polizeipräfecten nachzukommen hat.

In ähnlicher Weise sind die Pompiers durch ganz Frankeich, in den Städten wie auf dem Lande, eingeführt. In den kleineren Ortschaften haben die Pompiers nur die Oberleitung (zu jeder Spritze gehören drei Mann) über die aus der Bevölkerung zum Feuerwehrdienst herangezogenen Mannschaften und genießen dafür verschiedene Vergünstigungen, wie z. B. Befreiung vom Nationalgardendienst etc.

Die Londoner Feuerbrigade, wie sie genannt wird, zählt circa 150 Mann und ist ein von den Versicherungsgesellschaften besoldetes


  1. Näheres in „Die deutsche Feuerwehr“ von Carl Weiser, Chef der Feuerwehr in Mainz und „Handbuch der Pariser Feuerwehr“ von Richard Schunk.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_155.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)