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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

der Dänen durch die Oesterreicher hielt F.-M.-L. v. Gablenz ungefähr folgende Ansprache an seine Soldaten: „Leute, Nichts ist mehr dem Wechsel ausgesetzt, als das Soldatenleben. Noch vor wenigen Tagen standen wir im schneeigen Bivouak vor dem für unüberwindlich angesehenen Danewirke, um dessen Besitz verschiedene Nationen seit Jahren im Kampfe liegen. Ihr hattet einen tapferen Gegner vor Euch, und die Lage war kritisch und gefährlich im höchsten Grade. Aber schon heute stehen wir hinter den furchtbaren Schanzen des Feindes. Außer der Ehre, Euch zu führen, giebt es für mich kein schöneres Vorrecht, als das von Sr. Majestät mir verliehene: die Stellen der gefallenen Tapfern durch die Ausgezeichnetsten unter Euch bis zum Hauptmann aufwärts zu besetzen und hervorragende Thaten zu belohnen.“ Auch diese Rede erschien im Lager-Kladderadatsch, die Illustration stellt neben dem hochaufgeschossenen, schlanken General ein winziges, buckliges Männlein dar, welches die Rede in ein riesiges Notizbuch einzeichnet.

Freiherr Ludwig von Gablenz.

Das Männlein darf recht achtsam sein, denn es ist in der That schade um jedes verlorene Wort, das v. Gablenz in seiner wichtigen Stellung zu Heer und Volk dort gesprochen hat. Begleiten wir ihn zu einigen Gelegenheiten, wo sein edles Herz das Wort allein führte. Eine Deputation deutscher Bürger von Flensburg erschien bei ihm, um an den Dank für die Heldenthaten der Befreier Schleswigs die Bitte um die Bewahrung der Selbstständigkeit desselben zu knüpfen. Er kann, als Soldat, den guten Bürgern keine Versprechungen machen, aber er fertigte sie auch nicht kurzgebunden ab, sondern sprach es als seine Ueberzeugung über das fernere Schicksal des Landes aus: „daß das Vergangene vorüber sei und nicht wiederkehren werde.“ Dann lud er die Deputation ein, der Decorirung derjenigen Regimenter beizuwohnen, welche bei Oeversee gekämpft hatten und die soeben vor dem Rathhaus in Parade aufgestellt waren. Hier wurden drei Unterofficiere zu Lieutenants erhoben und einige andere Beförderungen vorgenommen. Nachdem der General mit ergreifender Rede der tapferen gefallenen Brüder gedacht, schloß er seine Ansprache ungefähr mit den Worten: „Ich habe stets alle meine Soldaten als meine Kinder betrachtet, ganz besonders aber fühle ich mich verpflichtet, den Wittwen und Waisen, die jene Braven hinterlassen, ein Vater zu sein. Diese Armen leben zerstreut in der Monarchie, sie haben keine Worte in ihrem Schmerz, sie haben nur Thränen. Deshalb nehme ich sie an Kindesstatt an und will für sie sorgen. Ich habe nie Geld hoch geschätzt, es auch nie bedauert, nicht reich zu sein; heute empfinde ich dies zum ersten Male schmerzlich. Da ich aber für eine ähnliche Waffenthat, wie das Rencontre bei Oeversee, vor vierzehn Jahren von Sr. Majestät mit dem Maria-Theresien-Orden decorirt worden bin, mit welchem eine Jahrespension von 600 Gulden verbunden ist, so verzichte ich vom heutigen Tage an auf diese Pension zu Gunsten der Wittwen und Waisen der in Schleswig gefallenen österreichischen Krieger. Ich hoffe, mein Beispiel wird auch andere Herzen öffnen, und besonders mit Hülfe der Journale, die jedes gute Werk bereitwilligst unterstützen, wird auch für meine Adoptivkinder gesorgt werden.“

Das hochherzige Beispiel fand sofort Nachahmung, schon kurz nachher wurden dem General von den deutschen Frauen der Stadt Hadersleben 130 Thlr. anonym zugeschickt, ausdrücklich als Gabe für seine „Adoptivkinder“. Auch die Presse hat für die Anerkennung aus solchem Munde sich dankbar und würdig gezeigt. Sie wird nicht müde, Braves von dem Braven zu erzählen, und darum noch folgendes Geschichtchen: Zwei Soldaten aus der dänischen Armee, geborene Deutsche von der Insel Fehmarn, die bei Oeversee mit gefochten hatten und gefangen genommen worden waren, erzählten, in ihrem Bataillon seien 65 Schleswiger gewesen, die sich das Wort gegeben, nicht auf ihre deutschen Brüder zu schießen. So haben sie mehrere Male im Kugelregen gestanden und keinen Schuß gethan. In Flensburg auf dem Südermarkte sind sie aufgestellt, und siehe! alle 65 sind da, keiner fehlt! Da entläßt sie General Gablenz mit den Worten in die Heimath: „Euren Handschlag verlange ich nicht, denn ich kenne euren Herzschlag.

Wer möchte nicht in die Vergangenheit eines Mannes blicken, welcher in der so wenig Herzerfreuendes bietenden Gegenwart fast die einzige wohlthuende Erscheinung ist? Diese Vergangenheit ist aber eine so thatenreiche, daß ein Buch zu ihrer Beschreibung gehört. Wir haben nur über Blätter, und zwar so vielfach in Anspruch genommene Blätter zu verfügen. Darum begnüge sich der Leser mit ein paar Notizen; vielleicht ist es uns später möglich, mehr zu bieten.

Freiherr Ludwig von Gablenz ist ein Dresdener Kind, am 19. Juli 1814 geboren. Er begann seine militärische Elementarschule in Sachsen, ging dann nach Oesterreich, wo wir seine Infanterie-, Cavallerie- und Generalstabsdienste als seinen Gymnasialcursus ansehen können, bis er im österreichischen Italien die Hochschule der Kriegskunst bezog, an welcher Radetzky Rector magnificus war. Die Praxis begann er im Jahre 1848 als Rittmeister in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_172.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)