Seite:Die Gartenlaube (1864) 177.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

No. 12.   1864.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.




Unsichere Fundamente.
Erzählung von Otto Ruppius.
(Schluß.)
8.

Hellmuth war am nächsten Morgen noch nicht zehn Minuten in seiner Arbeitsstube, als er mit dem hellen Rufe: „Gruber!“ den Prokuristen zu sich beschied. Der Eintretende fand den Principal mit einem offenen Briefe in der Hand, während ein großes, sichtlich in Eile und nur halb geöffnetes Packet auf dem Schreibtische lag.

„Ich denke, wir haben diesen jungen Maçon zu rasch beurtheilt – wenigstens meinerseits ist das geschehen, wie ich mir sagen muß,“ begann Hellmuth, und zum erstenmale seit den letzten Tagen sah Gruber wieder den früher gewohnten ungetrübten Ausdruck freundlicher Würde in den Zügen des Chefs. „Hier lesen Sie gleich selbst!“

Es war eine ganze Correspondenz, welche sich vor den Augen des jungen Mannes aufthat, und lautete:

Verehrtester Herr Hellmuth!

Die nachfolgenden Zeilen Ihres früheren Buchhalters Meier werden Ihnen meinen Antheil an dem bei Ihnen begangenen Buchdiebstahl wohl völlig klar machen. Das Weitere wird Ihnen zeigen, wie ich dazu gekommen bin, Ihnen das vermißte Object wieder zustellen zu können. Gestern schon war ich im Besitze des letzteren; indessen lag mir aus ganz bestimmten Gründen, die ich mir erlauben werde, Ihnen persönlich vorzutragen, viel daran, auch ohne den jetzigen Beweis meiner Ehrenhaftigkeit von Ihnen als Ehrenmann behandelt zu werden, und so wartete ich unsere Begegnung am gestrigen Abende ab. Wie ich indessen von meinen Ihnen bereits bekannten Ansprüchen kein Jota fallen lassen werde und Ihnen dies bereits mittheilte, Ansprüchen, zu deren Begründung ich durchaus nichts als Ihrer eigenen Ehrenhaftigkeit bedarf, so glaube ich Ihnen doch auch sagen zu dürfen, daß Sie als Kaufmann, wie als Mensch, sich in keiner Weise einer unausführbaren oder auch nur harten Forderung meinerseits zu versehen haben werden. Erlauben Sie mir, Ihnen im Laufe des Morgens meine persönliche Aufwartung zu machen.

Adolphe Maçon. 
Herrn Adolphe Maçon!

Bezug nehmend auf meine früheren Verhandlungen mit Ihnen, bin ich in den Stand gesetzt, Ihnen mittheilen zu können, daß das einzige wirkliche Beweisstück der Ansprüche Ihres Herrn Vaters an das Geschäft der Firma Hellmuth und Compagnie sich in meinen Händen befindet. Gleichzeitig stelle ich mich Ihnen als lebender Zeuge der damals gemachten Stipulationen zur Verfügung. Dabei glaube ich indessen als so langjähriger Arbeiter in einem Geschäfte, das jetzt seiner Größe und Ausdehnung nach kaum in einem Verhältnisse zu den vormals eingeschossenen Mitteln steht, die Forderung stellen zu dürfen, daß von den Früchten meiner eigenen Arbeitskraft, welche das Geschäft zum großen Theile mit zu dem gemacht haben, was es ist, auch mir der rechtliche Theil abfalle; daß Sie, mit einem Worte, mir die bündige Versicherung geben, mich, sobald ich Ihren Ansprüchen die rechtliche Geltung verschafft haben werde, als gleichberechtigten Teilhaber in das Geschäft aufzunehmen – eine Maßregel, die Ihnen, der das Geschäft und seine Verbindungen nicht kennt, nur zum eigenen Vortheil gereichen kann.

Ihre baldige Antwort bitte ich an die unten bezeichnete Adresse zu richten, da mich eine Privat-Angelegenheit für einige Zeit außerhalb der Stadt hält.

Achtungsvoll
Michael Meier. 


Abschrift.

Herrn Michael Meier!

Da unsere Besprechungen durchaus keinen andern Charakter trugen, als mich über die Verhältnisse der Handlung Hellmuth und Compagnie auf dem kürzesten Wege, wie er mir von Ihnen freiwillig angeboten ward, zu unterrichten, so kann ich Ihnen nur mittheilen, daß ich zur Geltendmachung meiner Ansprüche durchaus keiner fremden Beweismittel bedarf. Im Gegentheil bin ich zur Wahrung meiner eigenen Ehre gezwungen, Ihnen zu eröffnen, daß, wenn binnen achtundvierzig Stunden das von Ihnen entwendete Hauptbuch der Firma A. Hellmuth nicht in die Hände des rechtlichen Besitzers – oder, sollten Sie es vorziehen, in meine eigenen – gelangt sein sollte, ich Ihre Zeilen als Beweisstück zu der gegen Sie einzuleitenden Untersuchung verabfolgen werde.

Adolphe Maçon. 


Gruber legte die durchlesenen Schriftstücke langsam wieder auf das Pult des Principals und warf einen raschen Blick auf das noch theilweise von seiner Umhüllung bedeckte Geschäftsbuch. „Er scheint seiner Sache in jeder Beziehung sicher zu sein!“ sagte er mit einer eigenthümlichen Betonung, und Hellmuth nickte, während ein stilles Lächeln sich um seinen Mund legte. „Ich denke auch seiner sicher zu sein und ihn völlig zu verstehen!“ versetzte er. „Ohne das Mißverständniß, welches ihn mit den Machinationen dieses Meier in Verbindung gebracht, wäre schon bei seinem ersten Besuche hier wohl Vieles anders gekommen. Sie thäten mir einen Gefallen, wenn Sie den Mädchen oben sagen ließen,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_177.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)