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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

als ob sie diese selber unter dem Herzen getragen. Hans war jetzt fünfundzwanzig Jahr, Katharina, wie die Waise hieß, wurde im nächsten Winter achtzehn, und Beide wuchsen wie Bruder und Schwester auf.

Der alte Barthold fühlte sich übrigens in den letzten Jahren nicht mehr so recht fest auf den Füßen wie in früherer Zeit; es geht das ja so im Leben. Er hatte das „Reißen“ in den Gliedern, was die Stadtleute mit einem etwas gelehrteren Namen „Rheumatismus“ nennen, wenn die Sache auch dieselbe bleibt, denn „reißen“ thun beide, und da er oft tagelang das Zimmer hüten mußte, so fing er an sich nach Ruhe zu sehnen. Sein Hans war ohnedies in den Jahren, wo er schon an’s Heirathen denken durfte, denn „jung gefreit hat Niemand gereut“ meinte der Alte. Der Hans ließ sich denn das auch nicht zweimal sagen und „ging auf die Freite“.

Die Bauerstöchter in seinem Dorfe behagten ihm aber nicht; er war draußen gewesen und hatte sich schon in der Welt umgesehen, und wenn auch selber ein tüchtiger Bauer, glaubte er doch, er müsse von seiner Frau ein wenig mehr verlangen, als daß sie nur im Feld den Mägden vorneweg arbeiten und daheim die Wirthschaft ordentlich führen konnte. Da stach ihm denn des Traubenwirths Lieschen in die Augen.

Das war ein Mädel zum Anbeißen, flink und gewandt dazu, keine der gewöhnlichen plumpen Bauerdirnen. Mit der konnte er sich auf jedem Tanzboden, ja selbst in der Stadt, wohin er oftmals kam, sehen lassen. Ihr Vater hatte außerdem ein hübsches Besitzthum mit Land, Vieh und Pferden dazu, wie ein richtiger Bauer, und da seine Eltern der Sache ebenfalls nicht im Wege standen und Lieschen an dem schmucken Bauerssohn bald Gefallen fand, so ging Alles eigentlich von selber. Wir kamen ja auch gerade dazu, wie der Traubenwirth, den die Werbung recht innig freute, aus vollem Herzen sein Jawort gab, und Hans, da man alte Gebräuche ehren soll, nahm denn Lieschen beim Kopf und küßte sein hübsches Bräutchen so herzhaft ab, daß sie gleich nachher wieder auf ihr Zimmer gehen mußte, um sich die Haare frisch zu ordnen. Sie schien aber trotzdem nicht böse darüber.

Die Sache war also in Ordnung, und da beide Elternpaare Nichts dagegen hallen, wenn die Hochzeit bald gefeiert würde, so lief Hans, überhaupt ein wenig ungeduldiger Natur, schon an demselben Nachmittag noch zum Herrn Pfarrer hinüber, um das erste Aufgebot gleich auf den nächsten Sonntag zu bestellen. Dreimal mußten sie ja doch, wie es Sitte war, von der Kanzel herab aufgeboten werden. Der Herr Pfarrer, der seinen Vater recht gut kannte, empfing ihn auch auf das Freundlichste, wünschte ihm zu seiner Wahl von Herzen Glück und versprach das Aufgebot am nächsten Sonntag, heute war Mittwoch, recht gern zu erlassen. Der Bräutigam möchte nur so gut sein und ihm bis dahin die nöthigen Papiere verschaffen.

„Papiere?“ sagte Haus erstaunt, „was für Papiere?“

„Nun, Geburtsschein, Impfschein, Heimathschein, die Erlaubniß der Eltern kann mündlich erfolgen, dann ein Schein von da, wo Sie sich früher aufgehalten, daß Sie sich dort nicht schon verehelicht haben. Es ist dies natürlich nur Formsache.“

„Ja aber um Gotteswillen, Herr Pfarrer,“ rief Hans lachend aus, „ich war in Schlesien und Ungarn, in Schlesien freilich nur als ganz junger Bursche, und bis ich von unserem Comitat in Ungarn einen solchen Schein hierher bekäme, darüber könnten ja Monate vergehen, und so lange soll ich doch wahrhaftig nicht mehr mit meiner Heirath warten?“

„Nun, nun,“ meinte der Pfarrer freundlich, „das läßt sich auch vielleicht vereinfachen, denn Ihr Vater ist ja als Ehrenmann hier bekannt. Ungarn liegt freilich ein wenig weit von hier entfernt“ – der Herr Pfarrer hielt es noch für viel weiter, als es wirklich war, – „besorgen Sie mir nur bis spätestens Sonnabend Nachmittag das Uebrige, und ich werde dann schon Alles in Ordnung bringen.“

„Also Geburtsschein, glauben Sie mir denn nicht einmal auf mein Wort, daß ich geboren bin?“

„Wir verstehen darunter das Taufzeugniß. Aber ich werde Ihnen lieber das kleine Verzeichniß der nöthigen Papiere aufschreiben; Sie könnten sonst leicht etwas vergessen und das Aufgebot dadurch verzögern. Die nöthigen Papiere der Braut werde ich mir von deren Vater selber geben lassen.“

Damit ging er an seinen Schreibtisch, notirte die genannten Zeugnisse und Scheine auf ein Blatt, und Hans steckte es indessen in die Tasche; heute verstand es sich doch von selbst, daß er in Wetzlau bei seiner Braut blieb. Nicht zehn Pferde hätten ihn von da weggebracht.




2. Die Kathrine.

Am nächsten Morgen bekam Hans seinen Vater erst zu sehen, als er zum Frühstück aus dem Felde zurückkehrte. Es gab jetzt außerordentlich viel zu thun draußen, und bei der Arbeit durfte Hans nicht fehlen.

„Also Alles in Ordnung, Hans?“ schmunzelte der Alte, der aus dem vergnügten Gesicht des Sohnes schon genau wußte, wie die Sache abgelaufen. War auch kein Wunder, denn des Heinrich Barthold Sohn kam nicht so leicht in Gefahr, sich bei seines Gleichen einen Korb zu holen und – hätte auch vielleicht noch eine Stufe höher steigen dürfen, oder zwei, wie die Mutter meinte.

„Alles in Ordnung, Vater, – guten Morgen miteinander,“ sagte der Sohn, der seinen Hut an einen Nagel hing und dann ohne Weiteres Platz am Frühstückstisch nahm; „Montag in vierzehn Tagen kann die Hochzeit sein.“

„Hallo!“ lachte der Alte, und die Mutter schlug die Hände vor Erstaunen zusammen, „nur stat! das geht ja verwünscht schnell. Und glaubt denn der Mosje, daß, wenn Er auch fix und fertig ist, in den Ehestand hinein zu springen, die Anderen auch nur eben so auf dem Sprunge sitzen? Da gehört mehr dazu, als Du wohl denkst.“

„Unter acht Wochen ist gar keine Möglichkeit,“ sagte die Mutter, „und dann weiß ich nicht, wie ich fertig werden will.“

„Die Frau Mutter?“ rief Hans lachend, „ja was hat denn die Frau Mutter dabei zu thun, daß sie nicht fertig werden kann?“

„Und glaubst Du denn,“ rief aber die Mutter in Eifer, „daß ich Dich wie eines Häuslers Sohn will heirathen lassen, der Nichts mitbringt in die neue Wirthschaft, als was er auf dein Rücken und vielleicht noch unter dem Arme trägt? Nein, Hans, daraus wird nichts; ehe ich nicht fertig bin mit Deiner Ausstattung, bekommst Du meine Einwilligung nicht, und wenn das noch drei Monate dauern sollte, und daß Lieschens Mutter bis dahin mit der ihrigen fertig wird, glaub’ ich noch lange nicht.“

„Aber beste Herzensmutter!“

„Laß nur sein,“ lachte aber der Vater, „werden schon noch etwas davon herunterhandeln können, Alte. Aber so holter-dipolter geht die Sache auch nicht, wie der Hans glaubt. Bei derlei Dingen hat man immer eine Menge von Umständen, an die man vorher gar nicht denkt, und sechs, acht Wochen sind da eine kurze Zeit. Muß auch vorher noch mit dem Traubenwirth reden, was ich Dir mitgebe und was das Mädel mit bekommt, wenn ich auch grad’ nicht glaube, daß uns das besonders lang aufhalten wird. Jedenfalls werden wir früher damit fertig, als die Mutter mit ihrer Wäsche und was sonst noch drum und dran hängt. Was hast Du denn da für einen Zettel? etwas für mich?“

„Ach,“ sagte der Hans, indem er den Zettel dem Vater hinüberschob, „der Herr Pfarrer drüben in Wetzlau hat ihn mir gegeben. Es stehen die Papiere d’rauf, die er haben muß, um das Aufgebot zu erlassen. Er meinte, es wäre nur der Form wegen.“

„Also beim Pfarrer ist er auch schon gewesen,“ nickte der Alte seiner Frau schmunzelnd zu, indem er seine Brille aus der Tasche nahm, um den Zettel durchzulesen. „Er hat wenigstens das Gras nicht unter den Füßen wachsen lassen. Na, da wollen wir denn einmal sehen, was der Herr Pfarrer Alles verlangt. Hm, das ist ja ein ordentliches Recept, was er da geschrieben hat.“

„Aber so erzähle doch nun auch einmal, wie’s gestern drüben war,“ sagte die Mutter, indem sie dem Sohn den Butterteller hinüberschob und den duftenden Handkäse etwas näher rückte. „Sitzt der Mensch da und spricht kein Wort. Ich möchte doch auch wissen, was die Mutter sagte und das Mädel und – was sie für ein Gesicht dazu gemacht haben, alle Beide.“

„Ja, Mutter,“ lachte der Hans verlegen, „was soll ich denn da erzählen? Ein vergnügtes Gesicht haben sie gemacht, und eine Flasche vom besten Rheinwein haben wir nachher getrunken. Das Lieschen weinte wohl ein Bischen, aber – das dauerte nicht lange, und die – die Frau Erlau war auch ein wenig gerührt, und fuhr sich ein paar Mal mit der Schürze nach den Augen, doch – das dauerte auch nicht lange, und dann – dann haben sie uns

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_290.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)