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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Handelsgesetzbuch, auch als Procuristinnen (Bevollmächtigte) für Andere Handelsgeschäfte betreiben können, scheint nicht bezweifelt werden zu können, und es geht von dieser Ansicht auch namentlich das Leipziger Handelsgericht aus.

Die Ausnahmebestimmungen beweisen, daß man nach und nach zu der Ansicht gelangt, Frauen seien einer größeren Selbstständigkeit wohl gewachsen, als man ihnen im Ganzen bis jetzt zugestanden hat. Die Geschichte lehrt, wieviele, namentlich deutsche Frauen der selbstständigen Größe herrlich Rechnung trugen. Nach und nach wird wohl allenthalben in Deutschland die Ansicht zur Geltung kommen, daß die Ehe kein Vormundschaftsverhältniß des Mannes über Person und Vermögen der Frau, sondern nur ein Band der innigsten Freundschaft und Lebensgemeinschaft sei, worin beider Theile Güter durch die Liebe und den rechten Geist so gemeinschaftlich sind, wie beider Gesinnungen.

Ein Recht aber und eine Pflicht habe das männliche Geschlecht immer vor dem zarteren weiblichen voraus: das Recht, es zu schützen gegen die rauhen Stürme von außen, die Pflicht der Zuvorkommenheit und Aufmerksamkeit, die jeder Mann dem Geschlechte schuldet, das ihm eine treue Mutter, eine edle Schwester und eine liebende Gattin gab.

L. Erdmann. 




Bilder aus dem Leben deutscher Schauspieler.
Nr. 6. Das Pflegekind eines Vielgenannten.

Bei dem bekannten Theaterdirector Ringelhardt in Leipzig erschien eines Tages ein dortiger mit Glücksgütern gerade nicht besonders gesegneter Bürger, mit der Bitte, sein achtjähriges Töchterchen, das er an der Hand führte, in Kinderrollen zu beschäftigen. Das liebliche Gesicht und die zierliche Figur der Kleinen fanden trotz ihrer Schüchternheit Wohlgefallen in den Augen des erfahrenen Directors, der sie ihrem Alter angemessen zu verwenden suchte und vorzugsweise in kleinen Ballets auftreten ließ, da sie ein entschiedenes Talent für den Tanz zeigte. Damit war aber der angehenden Künstlerin keineswegs gedient, indem sie sich schon damals merkwürdiger Weise mehr zu der ernsten Muse des recitirenden Dramas, als zu der blendenden Göttin des Tanzes hingezogen fühlte. Auf ihre wiederholten Bitten wurde ihr endlich gestattet, als Landmädchen in dem jener Zeit beliebten Schauspiel „Ritter Bayard“ aufzutreten und zwar mit so gutem Erfolge, daß sie trotz ihrer Jugend schon mit vierzehn Jahren als zweite oder dritte Liebhaberin Beschäftigung fand. Leider war ihre Gage so gering, daß sie sich genöthigt sah, nebenbei ihr Brod durch Nähen, Sticken und ähnliche weibliche Handarbeiten zu verdienen. Während sie fleißig die Nadel führte, machte sie eben so fleißig ihre theatralischen Studien und lernte ihre Rollen mit musterhaftem Eifer, so daß sie in dieser Beziehung als nachahmungswürdiges Beispiel und Muster ihren übrigen Collegen aufgestellt zu werden verdiente. Ihre Bescheidenheit, Tüchtigkeit und Sittlichkeit erwarben ihr viele Freunde, darunter den damaligen Cassirer

Agnes Wallner als Frau v. Schönberg
in dem Moeser’schen Lustspiel: „Eine Frau, die in Paris war“.

des Leipziger Stadttheaters, den allbekannten und vielgeliebten Abgeordneten des deutschen Parlaments Robert Blum, der sich der armen Schauspielerin väterlich annahm, sie in sein Haus führte und förmlich als seine Pflegetochter behandelte. Der edle Menschenfreund sorgte vor Allem für den vernachlässigten Unterricht seines Schützlings, indem er sich bemühte die Lücken ihrer Bildung durch eigene Belehrung auszufüllen und ihren geistigen Horizont nach allen Seiten zu erweitern. Ein Gedicht, welches Blum zur Einsegnung seiner Pflegetochter in ein ihr geschenktes und von ihr treu bewahrtes Buch geschrieben, giebt ein schönes Zeugniß für das gegenseitige Verhältniß Beider. Dasselbe lautet:

Wie Dich auch mit Reiz und Jugend
Freundlich die Natur geschmückt,
Ohne Weisheit, Sitte, Tugend
Wirst Du nimmermehr beglückt.

Selbst Talent, das Dir gegeben,
Gnügt zur Kunst, zur wahren, nicht.
Lernen mußt Du, soll Dein Streben
Aufwärts führen Dich zum Licht.

Welken einst der Jugend Kränze,
Flieht der Schönheit Rosenschein,
Blühen Dir im ew’gen Lenze
Blumen, die im Geist gedeih’n.

Achte drum des Freundes Lehren
In der Jugend heitrem Spiel!
Mögen sie sich oft bewähren
Auf der Bahn zum schönen Ziel!

Diese väterlichen Mahnungen hatte sich die junge Künstlerin tief in das Herz geschrieben und für ihr ganzes ferneres Leben zur Richtschnur genommen. Da sie in Leipzig nicht den ihrem Talent und ihren Wünschen angemessenen Wirkungskreis fand, verließ sie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 492. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_492.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)