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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Blätter und Blüthen.

Deutsche Waaren unter ausländischen Titeln. In den letzten dreißiger Jahren lebte zu München der Hof-Uhrmacher M. Allgemein geachtet, tüchtig in seinem Berufe, stand er auch bei dem Könige in hoher Gunst, da dieser ein Liebhaber schöner und künstlicher Uhren war. In der Werkstätte des Herrn M. mußte Alles auf das Sorgfältigste ausgeführt werden; darum fand er selten einen Gehülfen, der nach seinem Sinne arbeitete, und klagte oft, daß Fleiß und Geschicklichkeit seit seiner Jugend viel seltener geworden seien. Er hatte einen Jugendfreund in Würzburg, der, ebenfalls sehr tüchtig in seinem Fache, eine Uhrenfabrik betrieb. An diesen wandte er sich einst mit der Bitte, ihm womöglich einen geschickten Gehülfen zu senden. Eine günstige Antwort kam. Ein junger Mann, Ignaz F., hatte in des Freundes Geschäft gelernt und dann noch eine Zeit lang gearbeitet, wollte sich aber nun auch einmal in anderen Städten umsehen und war bereit, bei Herrn M. einzutreten, der sich indeß nicht an das etwas kurzangebundene Wesen des Empfohlenen stoßen sollte, da dieser ein „origineller Kauz“ sei. Nach einiger Zeit kam der neue Gehülfe.

Der Meister zeigte F. die Werkstätte, wo er arbeiten sollte. Von den hingelegten Werkzeugen schob der junge Mann viele bei Seite.

„Was machen Sie da?“ fragte M. erstaunt.

„Hab’s besser,“ war die Antwort, und damit zog er ein feines Etui hervor, welches alle nöthigen Instrumente trefflich gearbeitet enthielt. Das gefiel dem Meister wohl, und er reichte dem Ankömmling eine goldene Repetiruhr hin, an welcher er selbst sich vergebens bemüht hatte, den Schaden zu entdecken. Der neue Gehülfe betrachtete sie aufmerksam und mit dem Ausruf: „Ah, weiß schon!“ machte er sich an die Arbeit. Nach einer halben Stunde trat er zu Herrn M. mit der Frage: „Was weiter?“

„Was macht die Uhr?“ erwiderte dieser.

„Ist fertig,“ lautete die Erstaunen erregende Antwort.

„Was fehlte ihr denn eigentlich?“

„War nur ein Loch verbohrt.“

Zu des Meisters Freude hatte er endlich einen Arbeiter gefunden, der seine Sache auf’s Pünktlichste verstand; er konnte vollständig zufrieden sein, nur ärgerte ihn des Gehülfen kurzes „Weiß schon“, wenn er diesem etwas erklärte, was derselbe verstand, und es gab eigentlich nichts Anderes.

Nach einem halben Jahre nöthigten Familienverhältnisse Herrn M. zu einer Reise in seine alte Heimath, das südliche Tirol. Er übergab Ignaz F. sein ganzes Geschäft und führte ihn insbesondere den Tag vor der Abreise nach dem königlichen Schlosse, wo allwöchentlich die Uhren aufzuziehen waren. Nachdem er ihm die verschiedenen Uhren gezeigt, sagte er, in des Königs Schreibzimmer tretend: „Diese astronomische Uhr muß ich Ihrer besonderen Sorgfalt empfehlen, da das Werk sehr complicirt ist.“

„Weiß schon.“

„Die Königin ließ sie zu des Königs Geburtstag kürzlich von England kommen,“ fuhr der Meister fort.

„Weiß schon,“ wiederholte ruhig der Angeredete.

Mit einem ärgerlichen Blick sprach Herr M. weiter: „Sie müssen dieses Thürchen öffnen, um an das Uhrwerk zu kommen.“

Ignaz F. stand noch in der Mitte des Zimmers, und ohne näher zu treten, erwiderte er nur: „Weiß schon.“

Nun konnte der Meister seinen Zorn nicht länger bezwingen. „Was wissen Sie? Gar nichts! Glauben Sie, ich ließe mich foppen? Ich, der Hof-Uhrmacher Sr. Majestät, foppen von einem jungen Manne?“

Da trat dieser näher und sagte: „Wollen Sie gütigst einmal hinten auf das Knöpfchen drücken?“

„Da ist kein Knöpfchen!“ polterte Herr M.

„Doch! Sehen Sie?“ und damit drückte F. auf ein unscheinbares Knöpfchen und hielt dem Meister ein Messingplättchen hin, worauf stand:, „Ignaz F. Würzburg 18**.“

„Was hat das zu bedeuten?“ fragte erstaunt der Hof-Uhrmacher.

„Daß ich diese Uhr gemacht.“

„Sie?“ und sprachlos maß er seinen Begleiter von oben bis unten, schüttelte ungläubig seinen Kopf und sagte: „Wir ließen sie ja von England kommen!“

„Ganz recht; diese Uhr war mein Gesellenstück, und mein Meister verkaufte sie für siebenhundert Gulden an das Geschäft William L. in London. Sie haben vielleicht tausend Gulden dafür bezahlt!“

„Eintausend fünfhundert Gulden,“ erwiderte Herr M.

Für die Wahrheit dieser Geschichte verbürgt sich der Einsender. Und die Moral? Schon seit mehreren Jahrzehnten, aber in der letzten Zeit immer mehr, liefert der deutsche Gewerbfleiß Ausgezeichnetes, das den besten Leistungen des Auslandes gleichkommt, oft sie übertrifft. Eine Menge deutscher Industrieerzeugnisse, namentlich solche, welche musterhafte Arbeit und vollkommene Kenntniß der neuesten wissenschaftlich-technischen Errungenschaften verlangen, wandern höchst zahlreich in’s Ausland, wo sie vielleicht kaum so gut, jedenfalls nur zu höheren Preisen hergestellt werden können, und werden entweder dort als „Pariser“ oder „Londoner“ Arbeit verkauft oder kehren gar unter dem Titel von solchen und mit bedeutend erhöhten Preisen nach Deutschland zurück. Andere deutsche Waaren werden wenigstens französisch oder englisch getauft. Daß solche Fälschungen alltäglich geschehen, weiß nachgerade fast Jedermann. Wer soll also heutigen Tages noch durch jene Fälschungen getäuscht werden? Wäre es nicht endlich an der Zeit, daß jeder deutsche Gewerbsmann, wie es auch viele bereits thun, solche Selbsterniedrigung verschmähte, die nicht blos unwürdig, sondern auch nutzlos ist? Denn alle jene Waaren würden, mit deutscher Inschrift versehen und ohne den fremden Zwischenträger, dem deutschen Arbeiter mindestens eben so gut, oft sogar ansehnlich besser, bezahlt werden.


Aufruf. Durch den Consul für Preußen, Baiern, Sachsen und viele deutsche Staaten zu Cincinnati in Ohio, Nordamerika, Herrn C. F. Andree, ging uns das nachstehende Schreiben mit angelegentlicher Befürwortung zur Aufnahme in die Gartenlaube zu. Wir glauben dem guten Zweck des Einsenders nicht besser entsprechen zu können, als wenn wir die erwähnte Zuschrift auszugsweise abdrucken lassen, und bitten unserseits auf das Wärmste um recht liberale Berücksichtigung unserer armen verwundeten und kranken Landsleute jenseit des Oceans, die für Freiheit und Menschlichkeit ihr Leben in die Schanze schlugen, indem wir uns mit Vergnügen bereit erklären, uns der Weiterbeförderung eingehender Bücher und Geldunterstützungen zu unterziehen.

Leipzig, Januar 1865. Die Redaction.     

Washington, D. C., 21. October 1864.     
Die in Ihrem vielverbreiteten und einflußreichen Blatte sich ausprägende Tendenz, jedem echt deutschen gemeinnützigen Streben, in welchem Theile Europas oder der Welt es sich auch kund geben möge, alle mögliche Theilnahme und Förderung angedeihen zu lassen, – die besondere Aufmerksamkeit ferner, die Sie transatlantischen Zuständen durch Schilderungen in verschiedenartigster Form gewidmet haben, um das Band zwischen dem Mutterlande und den in die neue Welt hinausgewanderten oder hinausgewiesenen Söhnen und Töchtern mehr und mehr zu befestigen und zu unterhalten, – das läßt uns Unterzeichnete hoffen, daß Sie auch unserem Streben: der großen Zahl deutscher Landeskinder hülfreich beizustehen, welche, in dem gegenwärtigen blutigen Kampfe thätig Antheil nehmend, verwundet oder Hülfe bedürftig geworden sind, Ihre Billigung und Ihre Mithülfe nicht versagen werden. Die, wie gesagt, sehr große Zahl solcher verwundeten Deutschen, welche hierher, in Baltimore, New-York, Philadelphia und anderen nördlich vom Kriegsschauplatze gelegenen Städten eingebracht wurden und noch täglich eingebracht werden, von denen viele der englischen Sprache nicht nur nicht mächtig, sondern auch mit den hiesigen Einrichtungen wenig oder gar nicht vertraut und dadurch bei allen ihren Bedürfnissen ausschließlich auf den Beistand und die Vermittlung von Männern deutscher Abkunft angewiesen waren, haben die Errichtung deutscher Hülfs-Comités in verschiedenen Landestheilen und Staaten, in Ost, West und Nord, als unerläßlich erscheinen lassen, von denen wir hier, in der dem Kriegsschauplatze zunächst liegenden Gouvernement-Stadt, das Central-Organ bilden.

Bei den riesigen Dimensionen, die hier zu Lande Alles annimmt, stellen sich unserer Wirksamkeit, auch in der Angelegenheit, für welche wir Ihre Aufmerksamkeit zunächst in Anspruch nehmen wollen, selbst bei allseitiger Theilnahme, indeß überaus große Schwierigkeiten entgegen. Sobald der verwundete Mann mit den nothwendigsten Erfrischungen, Lebensbedürfnissen, Kleidungsstücken, Erleichterungen etc. versehen worden ist und zur Ruhe zu kommen beginnt, tritt bei ihm das Bedürfniß ein, die einsamen Stunden seines Krankenlagers, seines Kummers oder seiner Schmerzen durch zweckmäßige Lectüre bannen zu helfen.

Allerdings waren wir zu dem Ende bestrebt, durch Anwendung von Summen, die den anderweitigen Bedürfnissen entzogen werden mußten, eine nicht ganz unbedeutende Deutsche Bibliothek aufzustellen, die jedoch (alle unsere Ressourcen bestehen aus freiwilligen Beisteuern) weder quantitativ, noch qualitativ ausreicht, den Anforderungen zu genügen. Das Eine nicht, weil die hiesigen deutschen Bücherlager gerade in diesem Bereiche, der Unterhaltungslectüre, mit Nichts weniger als reichlicher Auswahl versehen sind, das Andere nicht, weil die dermalen bestehenden Cours-Differenzen die Preise der deutschen Bücher, trotz deren Billigkeit in Deutschland, hier zu einer beinahe unerschwinglichen Höhe hinauftreiben, so daß man auf deren Erwerb geradezu verzichten müßte. Z. B. Ihre viel und allgemein beliebte Gartenlaube, die bei ihrer vortrefflichen Tendenz und Ausstattung und bei ihrer ungewöhnlichen Billigkeit eine bisher unerhörte Verbreitung über die ganze Welt gefunden, kostet hier gegenwärtig zwei Doll. zwanzig Cents Gold oder vier Doll. vierundachtzig Cents per Jahr.

Unter diesen Verhältnissen nun sind wir auf den Gedanken verfallen, an Sie die ergebene Bitte zu richten: in einem engeren oder weiteren Kreise, privatim oder öffentlich, nach Ihrem besten Ermessen und wie Sie das für praktisch ausführbar erachten, Ihren Einfluß zu unseren Gunsten geltend zu machen und dahin zu wirken, daß uns von einzelnen oder mehreren Verlegern guter und passender Unterhaltungslectüre der nöthige Lesestoff in einzelnen Exemplaren zu dem angegebenen Zwecke wenigstens so lange gratis als Beitrag zukomme, bis sich die erwähnten Verhältnisse günstiger gestaltet haben. Wir sollten meinen, es bedingte dies Gesuch keine zu großen Opfer für Einzelne, während die Wirkung hier im Ganzen eine wirklich sehr wohlthuende werden könnte.

Wir wagen es diese Bitte an Sie zu Gunsten der vom Lande ihrer Väter so weit entfernten, verwundeten deutschen Söhne zu richten und bemerken: daß wir für den Fall einer günstigen Aufnahme unseres Anliegens unsern Präsidenten, den Schweizer General-Consul John Hitz, ersucht haben, den dortigen amerikanischen Consul zu veranlassen, derartige Beiträge von Ihnen für uns in Empfang zu nehmen und darüber zu quittiren. Die Sachen würden uns auf diesem Wege frei von Zoll und Spesen von Staatswegen zukommen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer besonderen Hochachtung.

Das Comité der deutschen Hülfsgesellschaft zur Unterstützung kranker und
verwundeter deutscher Soldaten.

John Hitz. Präsident.     



Kleiner Briefkasten.

V. in F … g. Die von uns im vorigen Jahre gesammelten Spenden für die deutschen Veteranen zusammen im Betrage von 146 Thalern 16 Neugr. sind, laut in unseren Händen befindlicher Quittung, bereits im October d. J. an das königl. preuß. Kriegsministerium abgesandt und von diesem, an bedürftige alte Soldaten zweckentsprechend vertheilt worden. In Sachsen hätte das Geld ja doch keine Verwendung finden können. Die Redaction.     



Verantw. Redact. F. Stolle u. A. Diezmann – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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