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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Winter keine leichte Aufgabe war, so wurden doch die Bemühungen des Inspectors Schöpff mit Erfolg gekrönt und endlich ein Affenpinscher mit Jungen gefunden. Diese nahm man ihm sämmtlich weg, und nach einiger Mühe gelang es wirklich, den jungen Löwen zum Saugen an der neuen Pflegmutter zu bringen.

Der Inspector hatte die mühevolle Aufgabe übernommen, den jungen Löwen mit seiner Amme zunächst in seiner eignen Wohnung aufzuziehen, und noch heute muß ich die Gefälligkeit bewundern, mit welcher dabei die unablässigen Besuche des Publicums aufgenommen wurden, da ohnedies das junge Thier seinen Pflegern Mühe genug verursachte. Auch ich war (im April) unter diesen Besuchern, und der junge Löwe, ein Weibchen, lief damals munter im Zimmer herum, fraß bereits Fleisch, sprang auf Sopha, Tisch und Stühle und schlief wohl auch manchmal mit im Bett des Inspectors. Als ich später im Juni den jungen Löwen wieder sah, war er nebst seiner Amme in einen Käfig des Raubthierhauses gebracht worden, litt aber bereits sehr an der Knochenerweichung, welcher er später erlag. Das Bewegen der vordern Glieder wurde ihm schwer und er zog es vor meist zu ruhen. Man hatte immer gehofft, daß mit Eintritt der schönen Jahreszeit die Bewegung im freien, welche man ihm gewähren wollte, seine Glieder kräftigen würde; bekanntlich stand aber im vorigen Jahre der Sommer Deutschlands nur im Kalender verzeichnet, und so war das kleine Thier fast immer zum Aufenthalt im Käfig verurtheilt. Da fand ich es denn mit seiner treuen Amme, welche ihm jetzt nur noch Gesellschafterin war.

Mein sehnlicher Wunsch, die kleine Betty, so hieß die junge Löwin, einmal im Freien zu sehen, sollte endlich in Erfüllung gehen, als die Sonne die Güte hatte, sich auf einige Stunden zu zeigen, und der Wind sich genöthigt sah, einmal Athem zu schöpfen. Man ließ die beiden Thiere heraus. Ich lagerte mich mit dem Inspector in’s Gras, um das Schauspiel zu genießen, das in der That reizend war. Als gäben die frische Luft und der Sonnenschein dem kranken Thiere neue Kräfte, so freudig tummelte es sich im Grase herum. Zwar konnte es dem Hunde nicht so schnell folgen, wenn dieser den Mäusen nachjagte, die auf der Wiese massenhaft wohnten; kehrte aber dann „Bussel“ zeitweilig zurück, so war die Freude seines Pflegekindes um so größer; es kollerte sich auf dem Rücken herum und streckte spielend die Pfoten nach dem Hunde aus. Dann suchte es sich wohl auch im Gebüsch zu verkriechen, und es war ein eigenthümlicher Anblick, den Kopf der kleinen Löwin plötzlich aus den grünen Zweigen Hervorschauen zu sehen. Nachdem es sich so im Freien vergnügt hatte und wenn ihm bei der ungewohnten Bewegung die Kräfte vielleicht versagten, wandte das Thier seine Schritte nach – der Inspectorwohnung, wo es in den ersten Monaten gepflegt worden war, die es also nicht vergessen hatte.

Leider waren, wie gesagt, die schönen Tage des vorigen Sommers so selten, daß das arme kranke Thier nur ausnahmsweise diesen Genuß der freien Luft und des warmen Sonnenscheins haben konnte. Es siechte immer mehr und starb endlich im achten Monat. Bei der Sektion fand sich, daß die Knochen biegsam waren wie starkes Leder.

Noch jetzt hält sich Bussel, welcher im Garten verblieben ist, am liebsten unter dem Käfig auf, in dem er mit seinem Pflegekind gewohnt hat.

L.




Das Geheimniß des Indianers.
Nach Mitttheilungen eines deutsch-amerikanischen Arztes.
(Fortsetzung.)

Nichts konnte Werner bei seiner Unschlüssigkeit willkommener sein, als der Besuch Jones’, desjenigen Amerikaners, dem er vor Allen das meiste Vertrauen schenkte. Die Anwesenheit dieses Mannes, der sich früher, wie er glaubte, so uneigennützig gegen ihn betragen hatte, schien ihm ein Fingerzeig zu sein, um alle Bedenklichkeiten zu lösen. Rasch entschlossen, zeigte er Jones die reichen Silbererze, das Resultat jener geheimnißvollen Expedition nach der wüsten Insel, und stellte die Frage an ihn, ob er Mittel genug besitze, das zur Ausbeutung der Mine nothwendige Capital einzuschießen, und ob er in diesem Falle Willens sei, sein Compagnon zu werden.

Diese Frage hatte der Yankee, der mit gierigen Augen die schimmernden Metallproben verschlungen und mit einer wahren Wollust die werthvollsten Stücke in seinen Händen gewogen hatte, erwartet; denn er schlug sofort ein. Offenbar hatte er schon in Ontonagon oder auf dem Wege nach den Toltec-diggings von dem Gerüchte gehört, daß Werner auf einer mysteriösen Excursion nach dem westlichen Ende des Sees große Mineralschätze entdeckt hätte, denn so geheim auch letzterer die Sache gehalten, so war es doch den neugierigen Beamten der Compagnie nicht entgangen, daß der Deutsche nach seiner Rückkehr einen schweren Koffer durch die Indianer nach seiner Wohnung hatte bringen lassen und diesen stets unter Schloß und Riegel hielt, ein Umstand, der nothwendiger Weise in einer so kleinen Gemeinde die Veranlassung zu allerhand Gerede gab. Der listige Jones verstand es nur zu gut, sich in das unbedingte Vertrauen Werner’s einzuschmeicheln, der ihm nun seine Erlebnisse auf dem See und der unbewohnten Insel bis auf die kleinsten Details erzählte.

Beide gingen dann daran, eine Calculation über die Unkosten und den muthmaßlichen Gewinn der Unternehmung zu machen, und der geschäftskundige Yankee rechnete einen solchen colossalen Reinertrag heraus und wußte die Ziffern der Art zu gruppiren, daß dem Deutschen die Zukunft im rosigsten Lichte erschien und er seine Bedenken wegen Tawanka’s leicht beschwichtigen ließ. Es wurde ausgemacht, daß man ungesäumt zum Werke schreiten solle; zuvor aber wollte sich Jones nur in Begleitung Werner’s nach der Insel begeben, um sich dort an Ort und Stelle von dem Vorhandensein der Mine zu überzeugen und den Plan zu der künftigen Bergwerkscolonie zu entwerfen.

Acht Tage später fuhren beide Männer nach Superior City, einem aufblühenden Städtchen am äußersten Westende des Sees. Dort verließen sie den Dampfer und mietheten von einem der vielen Pelzhändler, welche sich dort aufzuhalten pflegen, ein kleines Segelboot, mit dem sie an der nördlichen Küste hin ostwärts heraufkreuzten, bis sie die Gruppe felsiger Inseln erblickten, unter denen sich nach Werner’s Berechnung das metallreiche Eiland befinden mußte. Das Wetter war dieses Mal schön und klar, und so gelang es dem Deutschen, der ein scharfes Orientirungsorgan besaß und sich ohnedem die verschiedenen Landmarken und Vorgebirge des kleinen Archipels genau eingeprägt hatte, nach einigem Hin- und Herlaviren die scharfmarkirte Form der Klippe auszumachen, an deren Fuß die Silbermine lag. Sie begrüßten den Anblick des zerklüfteten Höhenzuges, der die gesuchte Insel kennzeichnete, mit einem lauten Hurrah, braßten ihr Segel bei dem günstigen Winde stärker an und erreichten trotz der entgegen stehenden Strömung das Ufer ziemlich an derselben Stelle, wo einst Werner mit den Indianern Schiffbruch gelitten hatte. Nachdem sie das Boot in einer kleinen felsumgürteten Bucht versteckt und in Sicherheit gebracht hatten, schritten sie, mit einigen Lebensmitteln und bergmännischen Werkzeugen beladen, längs des Strandes hin, bis sie nach wenigen Minuten zu der höhlenartigen Vertiefung des Ufers kamen, wo die noch vorhandenen Kohlenreste die alte Lagerstelle der Odschibbewas bezeichneten.

Es war indessen Abend geworden. Heute konnte nichts Weiteres vorgenommen werden. Man entzündete also zum Schutz gegen die Landplage, die Moskitos, ein tüchtiges Feuer und bald streckten sich Beide, in ihre Decken gehüllt, zur Ruhe nieder.

Als die regelmäßigen Athemzüge des Deutschen Jones überzeugt hatten, daß des Ersteren Schlummer ein tiefer und fester sei, erhob er sich leise und schlich mit dem geräuschlosen Tritt einer Pantherkatze, wenn diese auf Raub ausgeht, aus dem hellen Umkreis des Feuers in die Finsterniß hinaus. Erst, als er am hohen Ufer angelangt war, trat er fester auf und richtete dann seine Schritte nach dem kleinen Seeeinschnitt, wo das Boot befestigt war. Gewandt sprang er in das von der Uferbrandung geschaukelte Fahrzeug und holte seinen festen, ledernen Koffer aus dem unter dem Steuer angebrachten Verschluß hervor. Er öffnete ihn und nahm einen zierlichen Revolver und ein wuchtiges Bowiemesser

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_189.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)