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Nöthigung, auf die gegen sie seit zwei Jahren veröffentlichten Unwahrheiten und Verleumdungen zu antworten, gab ihr die Idee ein, ihre Memoiren zu schreiben. Sie that dies unter dem Eindruck des Augenblicks und es war ihr gewissermaßen ein moralisches Bedürfniß, so mancherlei verleumderische Anschuldigungen, denen der verbannte Kaiser ausgesetzt war, siegreich zu widerlegen. Diese Denkwürdigkeiten, welche im Jahre 1816 angefangen wurden, erschienen erst nach ihrem Tode und sind für den Geschichtsschreiber von großem Werthe.

Der Bruder der Königin, Eugen Beauharnais, jetzt Herzog von Leuchtenberg, der sie mehrere Male in Constanz besucht und sich bald überzeugt hatte, daß hier des Bleibens für seine Schwester nicht sei, bot Alles auf, sie nach Baiern zu ziehen. Dieser Vorschlag war für Beide angenehm; allein Hortense wollte ihrem Bruder nirgends ein Hinderniß werden für sein Glück und entschloß sich erst, seinem Antrage Folge zu geben, als der König Maximilian den Plan Eugen’s theilte und sie nach Baiern einlud.

Da sie nicht in München bleiben wollte, so schlug ihr Eugen die alte Stadt Augsburg vor, die nicht allzuweit von der Residenzstadt entfernt sei und leicht ein Zusammenkommen gestatte. Außerdem war dort eine gute Lehranstalt, was derselben in den Augen der Königin einen großen Vorzug verschaffte. Am 6. Mai 1817 verließ denn Hortense Constanz, unter großem Bedauern der Einwohner, deren allgemeine Liebe sie sich durch ihre Leutseligkeit und großartige Wohlthätigkeit erworben hatte. Bevor sie sich entfernte, fuhr sie noch nach ihrer neuen Besitzung Arenenberg, um ihrem Hausverwalter Rousseau anzuzeigen, daß er daselbst zu bleiben und inzwischen einige nothwendige Bauten und Einrichtungen machen zu lassen habe. In Augsburg lebte die Königin vier Jahre. Der Prinz besuchte die dortigen Schulen und erwarb sich für seinen Fleiß Prämien, von welchen Herr Keller, der ehemalige Besitzer des Arenenbergs, noch eine besitzt. In den Ferien besuchte der Sohn mit seiner Mutter entweder die neue Besitzung im Thurgau, oder reiste nach Italien.

Auf dem Arenenberg war nach dem Ankauf von Seite der Königin ein reges Treiben entstanden, welches denselben völlig umgestaltete. Nach noch vorhandenen Zeichnungen hatte das Schloß, wie es ehemals war, viel von einer mittelalterlichen Burg. Das Hauptgebäude war gezinnt, mit einem kleinen Thürmchen und einer Glocke versehen; eine Mauer mit vier Rundthürmen zog sich um das ganze Gut herum, das mehrere Oekonomiegebäude und Wohnungen enthielt. Als es nach dem Plane des Werkmeisters Wehrle von Constanz an’s Bauen ging, wurden die Einfassungsmauern abgerissen, ebenso die Oekonomiegebäude mit Ausnahme eines einzigen, und das Hauptgebäude verlor seine Zinnen und sein Thürmchen. Auf dem geebneten Platze erhob sich ein weitläufiges einstöckiges Gebäude mit einem Erdgeschosse, mit Stallungen, Räumen für ökonomische Zwecke, einem kleinen Theater und Glashaus. Ueberdies wurde noch eine Capelle zum Privat-Gottesdienst errichtet.

Nachdem die Königin um das Jahr 1822 ihren neuen Besitz bezogen hatte, bestimmte sie das Hauptgebäude allein für sich und die Damen ihres kleinen Hofes, sowie für weibliche Gäste. In dem Nebengebäude war unten Raum für die männliche Dienerschaft und eine Treppe höher bewohnte der Prinz zwei kleine Zimmer. Die übrigen sechs waren für die höhern Bediensteten und die Gäste vorbehalten. Im Hauptgebäude, das durch einen Anbau gegen Mittag vergrößert wurde, befindet sich zu ebener Erde ein Vorraum, aus welchem eine hölzerne Wendelstiege in den ersten Stock führt. Von jenem aus gelangt man in Salon, Empfangssalon, Sommersalon, Billard- und zugleich Bibliothek-Zimmer und in einen Speisesaal. Im ersten Stock treten wir in das Schlafzimmer der Königin, das nur ein Fenster gegen Norden und eines gegen Osten hat, an welches sich ein sehr kleines Cabinet mit einem einzigen Fenster in gleicher Richtung anschließt. Das Bett der Königin stand in einer Nische oder in einem Alkoven. Ueberdies sind noch ein kleiner Salon mit Bibliothek, zwei Schlafzimmer und ein Zimmer für eine Kammerfrau auf dem gleichen Boden vorhanden. Der zweite Stock enthält fünf Schlafzimmer.

In diesen beschränkten Räumlichkeiten lebte die Königin bis zu ihrem Tode. Wie in Constanz lag sie in ihrem neuen Asyle ihren Lieblingsneigungen, Zeichnen, Musiciren und Lesen, ob. Der Prinz setzte seine Studien unter Leitung seiner Hofmeister fort. Neben den Studien versäumte er auch nicht seinen Körper zu üben, der früher zart und schwach gewesen war. Durch anhaltende Abhärtung und Anstrengung gewann er große Stärke und Gewandtheit. Beim Herzog von Leuchtenberg in München hatte er die beste Gelegenheit, die Reitkunst zu lernen, in der er große Fortschritte machte. Nach Tische bestand seine Erholung häufig in Reiterkünsten, durch welche er auch seiner Mutter ein großes Vergnügen bereitete. Mit Leichtigkeit und Zierlichkeit sprang er links und rechts über das Pferd hinweg, wenn es in vollem Lauf dahinsauste. Ohne Anstrengung sprang er über das Kreuz des Pferdes in den Sattel. Ueberdies war er auch ein geschickter Lanzenreiter. Ohne seinen Hals auf’s Spiel zu setzen, war er als Reiter kühn und sicher. Die Strecke von sieben Viertelstunden von Arenenberg nach Constanz legte er mit dem andalusischen Rappen, welchen er von seinem verstorbenen Bruder erhalten hatte, regelmäßig in einer Viertelstunde zurück. Als der Wächter am Thore zu Constanz einmal fand, daß er allzu scharf reite, und ihm die festgesetzte Buße abverlangte, warf ihm der Prinz das Doppelte hin, indem er lachend sagte: „Da habt’s Ihr gleich für den Rückritt.“ Beim Exerciren der thurgauischen Milizen im Feuer bestieg er ein wildes Pferd, das Niemand als ihn aufsitzen ließ. So sehr sich dasselbe auch immer bäumte und schäumte, er wurde desselben doch Meister und machte es ganz ruhig und fromm.

Die Leibesübungen waren ihm so lieb geworden, daß er die Dorfjungen von dem nahen Salenstein zu sich kommen ließ und sie im Laufen und Springen übte. Preise belohnten die Tüchtigsten. Im Winter zeigte er sich als tüchtiger Schlittschuhläufer auf dem fast jährlich gefrorenen Untersee. Oft sah man ihn seine Mutter oder ihre Freundinnen auf einem Schlitten über die glatte Eisfläche dahin schieben. Im Sommer war Schwimmen ein großer Genuß für ihn. Von dem Schiffmann Fehr aus Mannenbach in einem Kahne begleitet, schwamm er öfters, ohne auszuruhen, nach der bekannten Insel Reichenau hinüber und versagte sich dieses Vergnügen selbst manchmal in der rauhern Jahreszeit nicht, wenn er z. B. von der Jagd zurückkam.

Einmal versetzte er seine Basen, die Töchter der Großherzogin Stephanie von Baden, als sie zusammen über die Neckarbrücke in Mannheim gingen, in einen nicht geringen Schrecken. Unglücklicherweise war es einer derselben eingefallen, ihn zu fragen, ob er wohl den Muth hätte, hier in den Fluß zu springen. Der Vetter antwortete schnell durch die That, indem er sich über das Geländer hinweg schwang und sich mitten in den Fluß stürzte. Lachend kam er, obgleich es noch im kalten März war, mit triefenden Kleidern in’s Schloß zurück.

Eben so gut, wie er schwamm, lenkte er den Kahn. Wenn kein Lüftchen die spiegelglatte Fläche des Sees kräuselte, an den schönen, lauen Sommerabenden, ergriff er das Steuer des Schiffes und ruderte seine Mutter mit den fast nie fehlenden Gästen auf der glatten Bahn. Oft nahm die Königin ihre Guitarre und sang so fröhlich, als hätte nie ein Hauch den Spiegel ihrer Seele getrübt. Aber auch dann, wenn der See brausend seine Wellen trieb, bewährte der Prinz seine Kraft und Geschicklichkeit. So war er einst mit einem Freunde von Zürich nach Seefelden gefahren und auf der Rückkehr der Kahn von einem heftigen Winde in den tobenden See hinausgetrieben worden. Mit aller Macht kämpfte er in der inzwischen angebrochenen Nacht zwei lange Stunden mit den Wellen und ruhte nicht eher, bis er wieder an die Stelle gelangte, von wo er abgefahren war.

Im Fechten auf Stoß und Hieb hatte er große Fertigkeit erworben. Wahrscheinlich erhielt er den ersten Unterricht darin von einem gewissen Maler Burkart in Rom, der gegenwärtig bei Agassiz in Boston verweilt. Weil der Prinz die Kriegskunst zu seinem vorzüglichsten Studium machte, so mußte er auch die Waffen führen lernen. Durch fleißige Uebung erhielt er eine gewisse Meisterschaft im Pistolen- und Stutzenschießen. Dieses übte er auf der Schießstätte zu Ermatingen im Thurgau als Mitglied der thurgauischen Cantonal-Schützengesellschaft, welcher er eine hübsche Schützenfahne schenkte, die er einmal an einem eidgenössischen Schützenfeste selbst an der Spitze der thurgauischen Schützen als Redner beim Aufzug überreichte.

Man würde sich irren, wenn man des Glaubens wäre, es sei auf Arenenberg ein üppiges und schwelgerisches Leben geführt worden. Die Königin verwendete auf Putz und Tafel nur sehr kurze Zeit. Deshalb waren die Mahlzeiten so bescheiden, daß nur sie allein fremden Wein trank, während sich der Prinz und die Uebrigen mit gewöhnlichem Landwein begnügten. Dafür hatte sie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_198.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)