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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Er will Deutschland zeigen, daß es ein Reichsoberhaupt habe mit eisernem Willen, das Gesetz in seiner ganzen Strenge aufrecht zu halten. Nach langer Zeit zum ersten Male soll durch ihn, den vor Kurzem erst zum Kaiser Gekrönten, ohne Unterschied, ohne alle Rücksicht auf Rang und Würde des Uebertreters, der Gerechtigkeit ihr freier Lauf werden. Den Landfriedensbruch der Verwüster der schönen Rheingelände nachhaltig zu strafen und diese Art von Heimsuchung des Volkes den Herren zu verleiden, fängt er mit den Großen an und endet bei den Kleinen.

Zu Worms versammelt er um Weihnachten die Fürsten des Reichs um sich. Er hat sie mit Augen geschaut, die Verwüstung dieser Gebiete, und die Fürsten sollen sie auch vor Augen haben. In den Mittelpunkt der Brandstätten und der Verödung der Felder stellt der Kaiser seinen Stuhl und setzt sich zu Gericht.

Die vornehmen Missethäter wider die Ordnung des Reiches werden vorgeladen und müssen erscheinen, wie die kleinen; sie werden öffentlich verhört, die Sache der Unterdrücker und der Unterdrückten wird öffentlich untersucht, damit alle Welt, damit Hoch und Niedrig sehe, daß ein Kaiser im Reich ist, ein Schirmer und Rächer des Volks und der Rechtsordnung, der weder das eine noch das andere ungestraft verletzen läßt und der gerade eine um so augenfälligere Strafe wählt, je vornehmer die sind, welche beide mit Füßen treten. Es soll Jedem für immer der Wahn vergehen, daß ihn seine hohe Stellung vor aller Strafe sichere; es soll keiner mehr sich schmeicheln, man werde aus Rücksicht auf seinen Fürstenrang es ihm nachsehen, wenn er über die Gesetze des Reiches sich hinwegsetze; alle Welt soll erfahren, daß Keiner zu hoch und zu mächtig sei, um vom Arm der Gerechtigkeit erreicht zu werden.

Der Erzbischof von Mainz wie der Pfalzgraf bei Rhein werden schuldig erfunden, also zwei der vornehmsten und mächtigsten Fürsten des Reiches, und an Beiden läßt der Kaiser, um ein abschreckendes Beispiel zu geben, nicht nur die Strafe vollziehen, sondern zudem noch eine ganz ausgesuchte Art der Strafe. Der Kaiser selbst sucht nach Strafen, welche geeignet wären, Eindruck zu machen auf die verwilderten Verstörer der Reichsverfassung. Da findet sich unter den Bräuchen und Gesetzen der alten Franken und Schwaben ein Gesetz, nach welchem für Landfriedensbruch, wenn nicht das Leben verwirkt ist, der Freie einen Hund, der Dienstmann einen Stuhl, der Bauer ein Pflugrad zum Schimpf bis in die nächste Grafschaft tragen soll. Diese Strafe war seit langen Zeiten außer Gebrauch. Gerade aber diese Strafe ist es, welche der Rothbart jetzt auf die Frevler an der Reichsordnung anwendet.

Da sitzt, wie es unsere Abbildung darstellt, der Kaiser auf seinem Throne, ihm zur Seite sein Oheim Welf, dahinter die Reichsversammlung als Fürstengericht; weithin reihet und dehnt sich das zuschauende Volk aller Stände, und der Pfalzgraf Hermann bei Rhein muß laufen, und zehn seiner Waffengenossen müssen laufen, darunter Graf Emich von Leiningen, Graf Gottfried von Sponheim, Graf Heinrich von Katzenellenbogen, Graf Konrad von Kyrberg. Sie Alle tragen Hunde; sie tragen sie eine deutsche Meile weit; sie Alle müssen in voller Wirklichkeit die Strafe des Hundetragens abbüßen, zu der sie verurtheilt sind.

Auch der Erzbischof, welcher seitwärts auf das Portal einer Säule gelehnt steht, der Greis mit dem weißen Barte, ist zum Hundetragen verurtheilt worden; nur er allein für seine Person, aus Rücksicht auf sein hohes Alter, und mehr noch aus Rücksicht auf seine erzpriesterliche Stellung, auf die Kirche, auf den Papst, wird mit dem wirklichen Hundetragen verschont, nicht aber seine Waffengenossen. Vor den Augen des Erzbischofs müssen seine Freunde, die Grafen seiner Partei, laufen und Hunde tragen.[1]

Bald nach diesem Strafgericht verbarg sich der Pfalzgraf Hermann bei Rhein in das Kloster Ebrach; sein gebrochenes Herz überlebte nicht ein Jahr seine Schmach. Der Kaiser aber ließ diese Verurtheilungen und Bestrafungen von Staatswegen bekannt machen durch das ganze Reich. Der Vollzug einer so ausgesuchten Strafe an einem so großen Fürsten des Reichs brachte einen solchen Schrecken über alle Reichsstände, daß die fehdelustigsten gerne ruhig innerhalb ihrer Schlösser saßen. Hartwig, der neue Bischof von Regensburg, hatte, ehe ihm der Kaiser die Regalien des Bisthums verlieben hatte, den Lehensleuten seines bischöflichen Stuhles ihre Lehen ertheilt. Das war gegen das Reichsgesetz. Auch diesen Uebertreter strafte der Kaiser um hundert Pfund Silbers, und alle Vasallen desselben je nach Verhältniß. Dann zog er mit Kriegsvolk von einem Gau zum andern, um nach der Bestrafung der großen auch die kleinen Landfriedensbrecher, die Raufer und Räuber in den Burgen, zu richten. Er hörte die Klagen, die über die Raubgrafen und über die Raubritter vor ihn gebracht wurden; er untersuchte sie. Dann zerstörte er die Schlupfwinkel dieser schädlichen Leute, eine Reihe Burgen und Festen. Die Schuldigsten dieser Rauf- und Raubjunker strafte er am Leben; die einen ließ er enthaupten, die andern hängen. Geistliche und weltliche Herren hatten den Handelsverkehr durch willkürliche Zölle bedrückt; auch denen legte er das böse Handwerk und strafte, die darin gefrevelt hatten.

Mit Schrecken empfanden die Bösen, mit Freuden die Guten im Reich, daß es nur eine Macht auf deutschem Boden gab, nur eine höchste Gewalt. Alle Gutgesinnten in Schlössern und Klöstern, in Städten und Dörfern verehrten und feierten den Kaiser, der alle Glieder des Reichs, hohe und niedere, dem Gesetz unterwarf. Es war damals auf deutschem Boden zur Wirklichkeit geworden der Gesang des späteren Dichters:

Ein Richter war wieder auf Erden.
Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer,
Nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mehr,
Des Mächtigen Beute zu werden.

So oft seitdem deutsche Völker sich vergewaltigt fühlten von deutschen Fürsten, gedachte das deutsche Herz mit Schmerz des alten Kaisers Rothbart, und jemehr ein Volk die Abwesenheit eines solchen höchsten Richters und starken Schirmes in der Gegenwart spürte, desto heißer wandte sich die Sehnsucht rückwärts und wünschte seine Wiederkehr; und jedesmal in denjenigen Theilen Deutschlands am stärksten, in welchen das Recht von der Gewalt mit Füßen getreten war. Und auch heute, in der Erinnerung an jene Tage und im Gefühle der Gegenwart, wie sie da und dort sich zeigt, wo wäre ein deutsches Herz, das nicht, im schmerzlichen Vermissen der einen und starken höchsten Reichsgewalt, sich Luft machen möchte in dem Schrei: „Wach auf, Kaiser Rothbart, und tritt hervor, dem niedergetretenen Recht, den bedrängten Völkern zu helfen wider die Mächtigen, die ihr Spiel damit treiben!“




Du bist mein Volk und ich Dein Sohn.

Wie lieb’ ich Dich, mein Volk, und bin Dein eigen,
Von ganzem Herzen Dein getreuer Sohn,
Auf Deiner Kämpfe dornenvollen Steigen,
Auf Deiner Idale stolzem Thron!

Ein Kaiser bist Du aller Nationen
Und in den Himmel reicht Dein Sinn hinein,
Du greifst entzückt nach allen höchsten Kronen
Und stößest Deinen Fuß an einen Stein;

Hast blutend Deine Siege preisgegeben
Dem Feinde, der Dein Bestes nicht versteht,
Um immer neuen Siegen nachzustreben,
Wo des Gedankens letzter Aether weht.

Dem Unerreichten treibt Dich’s nachzujagen
Mit allumfassend nie gestilltem Geist,
So wie sie von der Liebe Sehnsucht sagen,
Der das Erfüllte nie das Höchste heißt.

Und doch wie lieb’ ich Dich und bin Dein eigen,
Von ganzem Herzen Dein getreuer Sohn,
Auf Deiner Kämpfe dornenvollen Steigen,
Auf Deiner Idale stolzem Thron!

Denn einst, mein Volk, wir müssen’s noch erringen,
Daß wir besitzen, wo wir obgesiegt,
Und einmal endlich muß es noch gelingen,
Daß ruhig uns die Welt zu Füßen liegt.

J. G. Fischer.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_215.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)
  1. Unsere Illustration ist nach einem Bilde des genialen Malers H. Plüdemann entworfen, das derselbe für die Stände der preußischen Rheinprovinz in Oel und in etwas veränderter Gestalt später auch für das Album des Königs von Preußen als Aquarell ausgeführt hat. Die Gartenlaube verdankt dem trefflichen Künstler bereits mehrere vorzügliche Illustrationen, so den Tod Andreas Hofer’s, Kauser Heinich IV. in Conossa, Otto von Wittelsbach und die päpstlichen Legaten.
    D. Red.