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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

No. 21.   1865.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.




Der Erbstreit.
Von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)

„Ist Fräulein Elisabeth gegangen?“ fragte Max, als er nach einer Pause wieder in den Salon trat … „aber was ist Dir, lieber Onkel, bist Du nicht wohl?“

Er sah Markholm wie eine Bildsäule dastehen, die rechte Hand auf die Lehne des Sessels gestützt, in welchem er Elisabeth gegenübergesessen, die Linke schlaff herabhängend, todtenbleich und leise die Lippen bewegend.

Markholm sah auf. Er fuhr mit dem Tuch über seine feuchte Stirn und sagte dann:

„Nicht wohl? O doch, mir ist ganz wohl.“

„Aber Du siehst so bleich und verstört …“

„Es ist nichts. Ich hatte nur einen meiner Anfälle von Herzklopfen. Hole mir Wasser!“

Max eilte davon.

„Fassung und Ruhe!“ sagte sich Markholm. „Geben wir diesem jungen Manne kein fatales Beispiel. Er darf nicht ahnen, daß ein Sieg, den ein Mann über sich selber erringt, nicht sofort mit der schönsten und angenehmsten Empfindung des Selbstbewußtseins belohnt ward; daß man recht gründlich elend werden könne durch solch einen Sieg!“

Max kam mit Wasser zurück, Markholm trank und stellte sich an die Glasthür, so daß er Max halb den Rücken zuwandte, als er in’s Freie blickend sagte:

„Ich habe Dich wohl ein wenig erschreckt, armer Junge, als ich gestern Abend meine Unzufriedenheit über Dein Verhältniß zu Elisabeth aussprach …“

„In der That, Onkel, ich begreife Dich nicht, da Du doch vorher …“

„Du hast Recht und es war auch mein Ernst nicht; Du kannst Dich beruhigen, ich habe soeben selbst bei Elisabeth um ihre Hand für Dich geworben.“

„Was?!“ rief Max aus, „Du hast …“

„Ich selbst –“

„Aber um Gotteswillen …“

„Zürnst Du mir, daß ich Dich nicht selbst das thun ließ? Ich meine, meine väterlichen Rechte über Dich …“

„Aber um Gotteswillen, Onkel, Du hast doch nicht bei Elisabeth, der Elisabeth, die eben hier war, für mich geworben?“

„Bei Elisabeth von Morgenfeld,“ versetzte Markholm, sich mit einem schmerzlichen Lächeln zu Max wendend, „glaubst Du, ich hätte Eure kleine Komödie nicht durchschaut? Ich vergebe sie Euch, denn ich mag mich sehr leidenschaftlich und heftig über die Morgenfelds geäußert haben …“

„Onkel, Onkel, was hast Du gethan!“ rief Max entsetzt aus.

„Aber was hast Du denn, was erschreckt Dich dabei? … Elisabeth hat meine Werbung aufgenommen, wie ein Mädchen das zu thun pflegt, die Erschrockene gespielt, sich Bedenkzeit, um über ihre Gefühle klar zu werden, erbeten … sie wird Dir das Jawort geben, ich zweifle nicht daran!“

„Bei allen Göttern der Unter- und der Oberwelt, das fehlte noch!“ rief Max verzweifelnd aus … „Elisabeth von Morgenfeld mir das Jawort geben … O mein Gott, wenn sich doch ein Poet nicht in solche Sachen mischen wollte … Ihr mögt Liebesintriguen, Tragödien und Komödien in die Wolken bauen, so viel wie Ihr wollt, doch in die, welche sich hier auf der festen Erde wirklich begeben, solltet Ihr Euch nicht mischen!“

„Aber Max, Du wirst grob … was zum Henker sagst Du, was verdrießt Dich an dem Schritt, den ich Deinetwillen that?“

„Und wenn sie nun Ja sagt, dann soll ich sie auch wohl heirathen, muß sie heirathen, damit wir die Güter, an denen Du hängst, erhalten …“

„Nun, gewiß wirst Du sie heirathen, ganz sicherlich!“

„Und ich sage Dir, ich werde mich eher begraben lassen.“

„Aber so sag doch …“

„Mein Gott, Du bist in dem beklagenswerthesten Irrthum, wenn Du glaubst, ich hätte mir jemals eine Täuschung gegen Dich erlaubt, ich hätte mich jemals einen Pfifferling um diese Deine Elisabeth gekümmert; ich habe mich längst mit Elisabeth Kramer verlobt, und nun siehst Du, was Du angefangen hast!“

„Ist das in der That wahr … Deine Pfarrerstochter ist wirklich keine Mythe?“ sagte Markholm tief erschrocken.

„Mythe! So sag’ mir um Gotteswillen, wie konnte Deine kranke Poetenphantasie Dir eingeben, sie sei eine Mythe?“

„Eine kranke Poetenphantasie!“ wiederholte Markholm mit blasser Lippe … aber dann plötzlich kehrte eine helle Röthe in seine Züge zurück. „Großer Gott, dann wäre ja Alles, Alles gut …“ rief er aus.

„Was wäre gut?“ fiel Max ein, „ich meine, es kann gar nicht schlimmer sein! Sag’ mir nur, wie kamst Du auf die unglückliche Idee?“

„Wie ich darauf kam? Ich konnte ja gar keine andere fassen! Wenn ich von Elisabeth sprach, sagtest Du mir jemals, daß dies nicht Deine Elisabeth sei?“

„Anfangs glaubte ich auch, Du seiest der meinigen begegnet,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_321.jpg&oldid=- (Version vom 4.12.2022)