Seite:Die Gartenlaube (1865) 532.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Lächeln, den hellen, fröhlichen Ton der Stimme kann man ja nicht zu Papiere bringen. Meinen herzlichsten Glückwunsch, Konrad! Ach, lieber Freund, mir bist Du durch Dein Examen nicht um ein Haar lieber geworden, ich ehrte und schätzte Dich schon vorher eben so hoch. Aber um der Welt willen freut es mich doch unendlich. Ich glaube, man kann ein braver und tüchtiger Mann sein, selbst wenn man kein drittes Examen zu bestehen vermag, aber es ist doch schön, daß Du es so glänzend bestanden hast. Ach, ich besinne mich noch recht wohl, daß mein guter Vater davon sprach, wie schwer jetzt den jungen Leuten das Examen gemacht würde. Warum ist denn das nur, Konrad? Ist denn eine so fürchterliche Menge von Kenntnissen nothwendig, daß man ein guter Staatsbeamter oder Richter sein kann? Ich sollte doch denken, daß Redlichkeit, Unparteilichkeit, Menschenkenntniß und Scharfblick die nothwendigsten Eigenschaften für einen Beamten seien. Diese werden aber nicht gelehrt und in diesen werdet ihr auch nicht examinirt. Mein Gott, was schreibe ich da! Ich weiß auch wirklich nicht, sind das meine Gedanken, oder ist mir das so aus den Gesprächen meines Vaters sitzen geblieben? Ich komme auch nur darauf, weil Du mich dauerst, daß Du so fürchterlich hast studiren müssen, selbst die Nächte hindurch. Daher kommt es, daß so viele junge Leute mit Brillen gehen, weil sie sich die Augen verdorben, und daß sie engbrüstig werden, weil sie zu viel sitzen müssen. Du darfst jetzt nicht mehr so viel studiren und künftig – – – das wird sich finden. Ich glaube, ich schreibe in meiner Freude lauter dummes Zeug, darum ist es wohl besser, ich höre auf. Ich hoffe, Du hast Dir bei Deinem Schmause ein kleines Räuschchen getrunken, weil Du in Gedanken oft auf mein Wohl angestoßen hast. Dein Räuschchen hat auch bis hierher auf mich gewirkt, denn ich bin auch ein wenig trunken vor Freude! So lebe wohl, mein liebster Freund, – ich hoffe, Du wirst nun, wenn Du Dich nicht mehr mit Justinian und den andern alten Knasterbärten abzugeben hast, wieder Zeit bekommen, recht viel zu denken an

Dein Dich liebendes Mädchen   Amalie.




Konrad an Amalie.
Mein theures, geliebtes Mädchen!

Hast Du nach dem Poststempel gesehen, als Du diesen Brief eröffnetest? Schwerlich, denn als Du meine Handschrift erkanntest, genügte es Dir, zu wissen, der Brief sei von mir. Nun, sieh jetzt nach, woher der Brief kommt. Aus Heinrichshausen! Schwerlich werden Deine geographischen Kenntnisse so weit gehen, daß Du weißt, wo Heinrichshausen liegt. Und doch wird dieser Ort Dir von Wichtigkeit, denn er wird Dein künftiger Wohnort sein. Du lässest hier den Brief sinken – Du erschrickst – freudig – Du rufst: „Mutter, höre!“ Ich sehe das Alles vor mir. Nur rasch, Amalie, gieb Dich an das Einpacken, Du mußt kommen, bald kommen, sobald als möglich. „Aber wenn er nur ordentlich erzählte,“ denkst Du bei Dir, „daß ich ihn begriffe.“ Gut, mein Herz, ich will mir Mühe geben, ordentlich, der Reihe nach zu erzählen. Wo fange ich aber an? Richtig! Nach meinem glänzenden Examen hoffte ich auf eine baldige Anstellung – und doch verging Monat auf Monat, ehe davon die Rede war. Du wirst aus meinen Briefen in der Zeit hier und da eine Bitterkeit herausgelesen haben, die ich eben nicht unterdrücken konnte. Bei alledem wurden mir viele und just die schwierigsten Arbeiten zugetheilt. Da stieg in mir der Verdacht auf, daß man in mir den guten Arbeiter schätze und mich so lange als möglich in meiner jetzigen Stellung lassen wolle, die mir nichts oder wenig einbringt. Ich entschloß mich kurz, ging zum Präsidenten und sagte ihnm geradezu meine Meinung. Der Präsident sah mich an und lachte, indem er erwiderte: „Sie haben Recht, daß ich Sie gern hier behielte, und wer weiß, wie bald ich Sie wieder an uns fesseln werde. Aber mit dem Verdacht, daß ich Ihre Beförderung aus eigensüchtigen Gründen hindere, thun Sie mir Unrecht. Hier der Beweis. Dieses eben eingelaufene Schreiben vom Ministerium ernennt Sie zum Kreisrichter in Heinrichshausen.“ Ich war wie aus den Wolken gefallen und sah den Präsidenten etwas verdutzt an. Dieser reichte mir die Hand und sagte: „Meinen besten Glückwunsch! Ihre neue Stellung ist ehrenvoll, weil sie wichtig ist. Der letzte Kreisrichter, der vor kurzem in Ruhestand versetzt wurde, war ein alter Mann, der ohne eigentliche Thatkraft in dem Gerichtswesen des ganzen Kreises einen gewissen Schlendrian hat einreißen lassen. Das Ministerium glaubt in Ihnen den Mann gefunden zu haben, der mit sicherm Blick alle Mängel erkennen und beseitigen wird. Aber ich kann Ihnen keinen Augenblick Zeit gönnen. Sie müssen auf der Stelle, das heißt, mit dem nächsten Eisenbahnzuge, abreisen. Gleichzeitig mit dem Ministerialschreiben erhalte ich die Anzeige, daß in Heinrichshausen ein schweres Verbrechen begangen worden ist, dessen Untersuchung die untergeordneten Beamten nicht zu führen verstehen. Eben, als Sie mir gemeldet wurden, wollte ich zu Ihnen schicken, Sie müssen augenblicklich fort.“ Ich war wie im Traume, ich wußte nicht, was ich sagen sollte, ja, ich glaube, der Präsident hat mich förmlich hinausgeworfen, damit ich fort kam. Ich hatte eben auch nur so viel Zeit, das Nöthigste in den Koffer zu werfen und meinem Wirth meine übrigen Sachen zu übergeben, daß er sie mir nachschicke. So saß ich plötzlich im Eisenbahnwagen und kam da erst recht zur Besinnung. Eine Stunde früher noch voll Unmuth und Bitterkeit, und jetzt am Ziele meiner Wünsche. Nach langem, oft schwerem Harren kann ich Dir sagen: „Komm, Amalie, jetzt habe ich ein Haus für Dich.“ Und was für ein Haus, mein Liebchen! Laß mich nur weiter erzählen! Ich kam in Heinrichshausen an und die Untersuchung des Verbrechens nahm mich sogleich dermaßen in Anspruch, daß ich zwei Tage lang keinen ruhigen Augenblick gewinnen konnte, Dir zu schreiben. Denn ich wollte Dir ja Alles ausführlich berichten, mir konnten einige flüchtig hingeworfene Worte nicht genügen. Höre weiter. Meine Stelle ist gut und wird uns für die ersten Jahre ein anständiges Auskommen verschaffen, und daß ich später weiter kommen werde, verbürgt mir das Versprechen des Präsidenten. So komm denn, Du treues Lieb, die Du so lange fest an mir gehalten, komm, sei mein Weib, mache mich glücklich und sei selbst glücklich, indem Du der Segensengel meines Lebens bist. Ich denke, es soll Dir hier gefallen. Heinrichshausen liegt in einer reizenden Gegend. Die Stadt ist nicht übergroß, aber so viel ich bemerken konnte, sind die Bewohner gute, gebildete Menschen, mit denen sich schon wird leben lassen. Ich habe eine Amtswohnung, viel zu groß für uns im Anfange, mit schönen, großen Räumen, mit hübschem Garten und herrlicher Aussicht auf den Fluß und das Gebirge. Nun komm und verleihe dieser Wohnung ihren eigentlichen Schmuck. Für Deine gute Mutter ist ein Zimmer da, wie sie es liebt, still, sonnig, die Fenster mit Weinlaub bewachsen. Nur zögere nicht, Gieb Dich an das Packen Deines Hausraths, den Du mitbringen willst; was fehlt, ergänzen wir hier. Dann schreibe mir, wenn Du fertig bist, und ich komme und hole Dich ab. Unterwegs soll uns mein alter Universitätsfreund in Friedrichsdorf trauen, das mache ich Alles ab. Aber beeile Dich, denn jetzt, wo die Erfüllung meiner Wünsche so nahe, steigt meine Ungeduld zum Fieberhaften. Welch ein Wiedersehen! Oft, oft habe ich daran gedacht, nun es mir aber so nahe gerückt ist, strahlt mir der Augenblick in hellster Herrlichkeit entgegen, daß ich es kaum erwarten kann. Ich mag auch nicht mehr schreiben, denn mir kommt es vor, als verzögere ich durch jede Minute des Schreibens den Augenblick des Wiedersehens. Lebe wohl. mein süßes, süßes, süßes Mädchen, bald mein herziges, liebliches Weib!

Dein überglücklicher Konrad.




Vier Elemente, innig gesellt!

In den Bildern, welche die Kunst nach lyrischen Ergüssen aus dem Seelen- und Familienleben unserer Dichter malt, sähen wir so oft als möglich am liebsten diese Dichter selbst mit zur Darstellung gebracht: wir fühlen uns geehrt, in unserer geliebtesten Männer vertraute Gesellschaft, wenn auch nur als stumme Gäste, mit eingeführt zu sein. In solcher Gesellschaft sind wir sofort daheim, der Dichter selbst ist uns ja kein fremder, und die Lieblinge seines Herzens hat er uns mit aller Lebenswahrheit in seinen Werken vorgestellt.

Wie passen diese Gedanken zu den Gestalten, die unser Künstler

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_532.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2022)