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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

sind die Flöße blos mit Holz beladen, nebenbei dienen sie auch als Transportmittel für alle Gebirgsproducte, oder arme Wanderburschen und zur Stadt ziehende Arbeiter aus den Bergen benutzen sie als wohlfeiles Verkehrsmittel. Sie bieten eine dem Wind und Regen so ziemlich bloßgegebene und auch von unten nicht immer trockene Fahrt. Aber ihre Sicherheit ist bei den meisten Flüssen nur in den Augen übertreibender Romantiker gefährdet und sie eilen dabei meistens mit einer Geschwindigkeit dahin, die zwischen Schritt und Trab die Mitte hält.

Solchen Flößen begegnet der Tourist an gar vielen der breiteren Alpenflüsse und er sieht sie auch hier immer aufwärts der Isar bis in’s Hochthal hinauf, so weit das Wasser des Flusses für dieses Naturfahrzeug schiffbar ist. Ja der Reisende hört auch wohl, wenn er auf stillen Thalwegen geht, zuweilen von droben her durch das tiefe Schweigen hindurch die Schläge der Holzaxt, die ihm der Windhauch in einzeln verhallenden Klängen zuführt. Doch er schreitet vorüber und erfährt es selten, mit welchen Mühen ein Bergwald niedergelegt, das Material eines Flosses zusammengebracht wird; er hat meist keine Ahnung davon, wie oft nicht blos unsägliche Strapazen, sondern auch der Ruin der Gesundheit, ja des Lebens so vieler Menschen an den Holzscheiten kleben, mit welchen sich der nahe Städter in sorgloser Behaglichkeit sein Zimmer wärmt.

Um diese Handtirung in Augenschein zu nehmen, müssen wir wieder empor, zu den schon früher erwähnten Neben- und Hochthälern. Dort klettert, auf den Humussätteln, die sich an schroffen Lehnen und über kahlen Steinzinken gebildet haben, die Föhre, die Lärche, die Rothtanne, eine über der andern wipfelnd, hinan. Hier ist die gefährlichste Position der Holzfäller. Mit ihren Steigeisen versehen, klimmen sie rasch die Bäume hinauf, oft mit deren schlanker Krone schwankend über dem Abgrunde. Mit raschen Hieben werden die Aeste vom Stamm geschlagen, und nun kommt die Arbeit, den Stamm selbst zu fällen. Nachdem ihn die Axt an seiner Abendseite vom wuchernden Moos entblößt hat, wird er durch mächtige Schläge dieses scharfen, vorn an seiner Schneide sehr schmalen Holzfällerinstrumentes nahe über dem Erdboden tief eingekerbt. Wenn der Spalt für die Axt zu tief und unbequem geworden ist, muß die Säge das Zerstörungswerk fortsetzen. Ein eiserner Keil erweitert den Schnitt, damit sich das Sägeblatt nicht einklemmt im saftig strotzenden Holze, zumal wenn der Wind den Baum zur Schnittseite hinüber biegt. Endlich haben die Werkzeuge gesiegt; mit einem knatternden Ruck zerreißen die letzten Holzfasern und die Fäller geben dem Stamm einen letzten Geleitsstoß, daß er sausend hinabschießt, über Felsengrate hinweg in den Abhang der Schlucht. Selten, aber doch zuweilen geschieht es, daß ein Holzfäller von einem schräg abgleitenden Stamm mit in die jähe Tiefe hinabgerissen wird; viel häufiger jedoch lähmt ein Fehlhieb der Axt in das Knie oder Schienbein den Holzfäller entweder auf Lebenszeit, oder setzt ihn einer schmerzlichen Cur aus, die gewöhnlich durch die Noth, bald wieder arbeiten zu müssen, vernachlässigt wird und ein unheibares Siechthum des verletzten Gliedes nach sich zieht.

Auch an dem steilabhängenden, wenn auch breiten Waldlehnen ist das Tagewerk der Hauer nicht ohne ähnliche Gefahr; zuweilen werden die Leute tödtlich verletzt durch einen von ihren Nebenmännern gefällten Stamm, dessen Sturz nicht richtig berechnet war. Ebenso wie eine unglaubliche Gewandtheit, ist kaltblütigste Wagehalsigkeit eine Eigenschaft dieser Arbeiter und häuft oft durch ihr rasches Handeln die sie bedrohenden Mißgeschicke. Ich sah eine Tanne niederwerfen, die vierzig Klaftern Holz gab; der Boden bebte in Wahrheit und da sie unentastet war, sprangen wohl fünfzig Pfund schwere gesplitterte Knorren des Astwerkes zwanzig bis dreißig Schritt zur Seite. Nachdem die Bäume gefällt sind, folgt das Zerschneiden der Schafte in gleiche Längenstücke.

Man schichtet das Holz nur da in Klaftern, wo es von der Waldblöße auf der Achse hinweggeschafft werden kann. Wie wäre dies aber möglich, inmitten des unzugänglichen, steil aufsteigenden Bergterrains! Blos durch sinnreiche Benutzung dieses Terrains selbst und der Naturkräfte ist es möglich, den gefällten Wald den Verkehrswegen zuzuführen.

Wo die Schluchten von einem Bergbach durchtost oder zu gewissen Jahreszeiten durch Sturzwasser gefüllt werden, da übergiebt man die Stämme diesem Rinnsal. Das Holz gewöhnlich zur Winterzeit hinabgeworfen, bleibt in der Regel bis zum Frühjahr dort liegen, wo die Schneeschmelzen eine Wassermasse häufen, die bald den aufgespeicherten Vorrath treibend, schäumend und stoßend in Bewegung setzt. Hierbei ist es die gefährliche Aufgabe der Holzfäller und Waldarbeiter, von Zeit zu Zeit mit Stangen und Haken denjenigen Stämmen eine Nachhülfe zu geben, die sich an Felsblöcken und Bachengen verhangen und gesperrt haben und oft die ganze Holzmasse zu stauen drohen. Solche Wasserstauungen gefährden nicht selten den aufpassenden, weiter abwärts postirten Nebenmann, indem ihr plötzlicher Durchbruch das knappe Ufer in der tiefen Schlucht mannshoch überschwemmt und jeden menschlichen Widerstand zermalmend mit sich fortreißt. So treibt das kurzgeschnittene Brennholz endlich in die Isar hinein und auch hier noch oftmals von den vorspringenden Ufern durch die Arbeiter abgestoßen, schwimmt es den weiten Weg zu den Holzwehren nach Länggries, nach Tölz, ja bis nach München, wo es gefangen und zu luftigen Klaftern aufgespeichert wird. Es hat den größten Theil seiner Borke und durch die Auslauguug im Wasser etwa achtzehn Procent an Güte verloren, das Buchenholz wegen seiner leichtlöslichen Salze noch mehr, als das harzige Nadelholz. Die Billigkeit des Transportes gleicht jedoch diesen Schaden vollkommen wieder aus.

Wo der gefällte Wald nur von Berglehnen der Gebirgsthäler herunter zu schaffen ist, da bedient man sich der sogenannten Holzschurren, die einem ununterbrochen steil aufsteigenden Fahrwege gleichen. Ein hartgefrorener, dünnbeschneiter Winterboden macht sie zur Schlittenfahrt für einzelne Scheite, ja für ganze Stämme wohl geeignet. An jenen schlagbaren Waldstrecken aber, wo hoch im Gebirge die Bäche und Wasserrinnen als natürliche Communicationsadern fehlen, stellt man wohl hier und da in den Alpen künstliche Verkehrswege her. Freilich geschieht es zumeist an Punkten, (besonders in den südlichen Gebieten Tirols und der Schweiz) die sich weniger durch gute Forstverwaltung auszeichnen, als sich durch eine räuberische Plünderung, ja Vernichtung des Waldes brandmarken. Hin und wieder ist indeß diese Methode auch durch das Terrain inmitten der besten Waldpflege geboten, wenn es sich um die nothwendige Fortschaffung schlagreifen Holzes handelt, das einer passender gewählten Waldcultur Platz machen soll. Man baut dann hoch von droben herab in den Bergeinsenkungen entlang und oft kleine Querschluchten überbrückend, bis herab in das wirkliche Flußthal oder in ein wasserführendes Nebenthal sogenannte Holzgleiten, die man auch Laaße, Holzrinnen, Thalfahrten nennt. Diese künstlichen Spuren werden durch dicht neben und aneinander gefügte Holzstämme gebildet, welche sich als eine offene, beinahe halbe Cylinderröhre darstellen. In ihnen gleitet, vorzüglich bei Glatteis, das Holz; mit furchtbarer Schnelligkeit herab. Indeß bedarf es auch hierbei menschlicher Nachhülfe, bei der es an Unglücksfällen nicht fehlt; doch mehr, als die rollenden Blöcke untergraben die strengen Wintertage mit ihren eisigen Stürmen, Schloßen und Regenschauern die Gesundheit der Arbeiter und es ist zu verwundern, wie sich immer wieder frische, todesmuthige Bursche finden, die sich nicht abschrecken lassen durch die verstümmelten oder erfrornen Glieder der Alten.

In manchen Gegenden der Alpen bedient man sich auch an nicht steilen Stellen der Holzschlitten, mit welchen man auf der Gleite die immerhin jähe Thalfahrt unternimmt.

Das ist der mühselige, gefahrvolle Gewinn des Brennholzes. Drunten im weitbuchtigen Thale aber, wo das Wasser des Alpenflusses hinreichende Tiefe hat, wo die schlanken Hochwaldstämme leichter von dem Rücken der Berge herabgeschafft werden können, da ist der Platz, auf welchem man die Flösse zimmert und schnürt, die hauptsächlich das Nutzholz zu den Betriebsstätten führen. Der Köhler schafft wohl seine Kohlen, der Kienrußbrenner seine Tonnen herbei und noch mancherlei Waaren finden sich ein, wenn der einfache Bau vollendet ist und mit einem lauten Jodelruf, dessen heller Kehlton langgezogen in den Bergen wiederhallt, wird das Fahrzeug vom Ufer gestoßen, hineinsteuernd in die Strömung der grünlichen Fluth.



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