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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

erkennen sie endlich das Fruchtlose ihres Sturmlaufens und ziehen sich schließlich in die Mitte des Geheges zurück. Alsbald begeben sich erfahrene Leute auf wohlabgerichteten Elephanten in dasselbe, nähern sich mit Vorsicht den Gefangenen und suchen ein einzelnes Thier von dem Trupp zu trennen. Die Unruhe desselben bemühen sich die zahmen Elephanten durch Liebkosen und Schmeicheln mit dem Rüssel zu beschwichtigen, gleichzeitig aber suchen sie Schlingen um die Hinterfüße des wilden zu legen, welche alsbald von den Elephantenfängern um einen Baum geschlungen werden, worauf dann das Thier vollständig gefesselt werden kann. Nachdem dieses mit furchtbarem Toben und Wüthen sich bemüht, seine Bande zu sprengen, erkennt es auch die Fruchtlosigkeit dieser Anstrengungen und wird nach Verlauf einiger Tage ruhiger. Hunger und Durst thun das Ihrige, um den eingetretenen Zustand der Ermattung nachhaltiger zu machen und eine gewisse Resignation herbeizuführen. Allmählich beginnt der Gefangene die ihm mit schmeichelnden Worten gereichte Nahrung zu nehmen; schlägt, er aber mit dem Rüssel nach seinem Ernährer, so werden ihm zugespitzte eiserne Stangen so entgegengehalten, daß er sich bei jedem Schlage eine Verwundung des Rüssels und in deren Folge Schmerzen bereiten muß. Er sieht bald ein, daß seine Wuthausbrüche ihm nur üble Folgen zufügen, steht daher bald davon ab, findet sich in sein Schicksal und lernt seinen Versorger kennen und ihm allmählich Folge leisten. Zu Arbeiten wird er zunächst nur unter dem Beistande abgerichteter Elephanten verwendet, doch schon nach einigen Monaten kann man derselben entbehren; das kluge Thier scheint zu dem Verständniß gekommen zu sein, daß es sich nützlich machen kann und muß. Es verrichtet nunmehr ohne Widersetzlichkeit die schwersten Arbeiten, trägt Lasten, zieht Fuhrwerke und ist in dieser Beziehung in den heißen, unwegsamen Ländern Ostindiens so unentbehrlich, daß selbst europäische Truppen sich seiner zur Fortschaffung von Bagagen, Geschützen etc. zu bedienen gezwungen sind.

Mit Unrecht hat man den in der Wildniß lebenden Elephanten für ein gefährliches und wüthendes Thier verschrieen; er ist, wenn nicht gereizt oder verwundet, durchaus scheu und furchtsam. Gleiches beobachtet man auch bei dem in Gefangenschaft gehaltenen. Mit Ausnahme der Brunstzeit, in welcher die Männchen bösartig werden, zeigt er oft eine überraschende Furchtsamkeit, wird leicht erregt und scheut vor unbekannten Dingen; er prüft, das enorme Gewicht seines Körpers (bei erwachsenen Thieren durchschnittlich achttausend Pfund) kennend, vorsichtig die von ihm zu betretenden Wege und wird durchaus ängstlich, soll er über eine Brücke, in ein Schiff oder einen Eisenbahnwaggon gehen. Im höchsten Grade folgsam, scheint er sich vollständig untreu zu werden, sobald er Angst oder Furcht empfindet, und die größten Schmeicheleien und Lockungen seiner Führer sind nicht immer im Stande, solche zu bewältigen. Daß Gewalt bei solchem Kolosse nicht anwendbar, ist leicht begreiflich; das Thier ist im Stande mit seinem Rüssel ziemlich starke Ketten zu zerreißen und drückt durch die Wucht seines Körpers Thüren und Mauern ein, wenn solche nicht von entsprechender Stärke sind. Es ist darum ein Glück, daß der Elephant für Schmeicheleien und gute Behandlung so außerordentlich empfänglich ist; er steht darin dem Hunde nicht nach, ja entwickelt mitunter eine noch größere Liebe und Anhänglichkeit nicht allein an ihm bekannte Menschen, sondern auch an Thiere.

Der Elephant unsers zoologischen Gartens in Köln theilt seine Liebe zwischen seinem Wärter und einem schwarzen Zwergpferde. Er versteht durchaus, was jener ihm sagt, antwortet sogar auf an ihn gerichtete Fragen durch einen tief aus der Brust kommenden Ton, kreischt vor Vergnügen, wenn der Wärter ihn an die kolossalen säulenartigen Vorderschenkel klopft, hebt bald den einen bald den andern, damit jeder seine Anzahl Liebesschläge empfange, macht auf Befehl natürlich alle möglichen Kunststücke und hat sich noch niemals widerspänstig oder bösartig gezeigt.

Nicht allein der Bewegung halber, sondern auch zur Unterhaltung des Publicums wird er bei guter Jahreszeit täglich im Garten geritten; eigenthümlich ist dabei, daß der Führer (Kornak) nicht auf dem Rücken des Thieres, wie bei Pferd und Esel, sondern auf dem kurzen Halse des Thieres dicht hinter den Ohren seinen Sitz einnimmt und mittelst eines eisernen Hakens die Bewegung desselben leitet. Niemals würde jedoch der Koloß seine Behausung verlassen, ginge ihm nicht sein unentbehrlicher Freund und Gefährte, das schon erwähnte Pferdchen, vorauf. Da der Weg an dem Restaurationslocal vorüberführt und auf der Terrasse vor demselben in der Regel eine große Anzahl von Besuchern verweilt, von welchen sich Mancher das Vergnügen macht, dem Elephanten eine Flasche Bier zu reichen, so bleibt das kluge Thier gern stehen, um einen derartigen Tribut in Empfang zu nehmen. So lockend und erquickend dem Elephanten nun auch ein derartiger Genuß ist, so unverkennbar ist aber doch seine Besorgniß, ob das Pferdchen auch nicht weiter geführt wird, während er solche Herzstärkung vertilgt. Die Versuchung ist jedoch groß, er geht zur Treppe, das Publicum mit seinen verhältnißmäßig kleinen Augen so freundlich anblickend, wie ein Elephant nur blicken kann, und streckt verlangend den Rüssel nach allen Seiten. Nicht fruchtlos ist sein Streben; es finden sich immer bereitwillige Geber. Die dargereichte Flasche entkorkend, faßt er sie beim Halse so, daß die Oeffnung in die Höhle des Rüssels hineinragt, kehrt sie um, damit der Inhalt in diesen laufen muß, zieht nach völliger Entleerung die Flasche zurück, schlingt den Rüssel um dieselbe, führt dessen Spitze in das Maul und spritzt in dieses den erquicklichen Trank. Behutsam entrollt sich alsdann wieder der Rüssel und reicht das entleerte Gefäß zurück.

Sind inzwischen kleine Münzen auf den Boden geworfen, so weiß das kluge Thier sehr wohl, wem diese bestimmt sind. Mit großer Geschicklichkeit versteht es auch die kleinsten aufzunehmen und reicht sie seinem Führer. Ist inzwischen das Pferdchen fortgeführt, so macht sich der Koloß mit kreischendem Geschrei davon, setzt sich in einen rasch fördernden Paß und untersucht, nachdem jenes wieder mit ihm beisammen, dasselbe liebkosend mit dem Rüssel auf das Sorgsamste, um sich zu vergewissern, daß es auch wirklich sein unentbehrlicher Gefährte ist und mit demselben keine Veränderungen vorgegangen sind.

Das zur Tränkung des Thieres nöthige Wasser wird durch ein Zweigrohr der im Garten vorhandenen Wasserleitung in das Elephantenhaus gefördert, durch Umdrehen eines Krahnes in einen Eimer gelassen und dann verabreicht. Eines Tages findet der von einem Gange zurückkehrende Wärter das Haus mit Wasser überfluthet, sein Blick fällt sofort auf den erwähnten Krahn, die Ursache der Ueberschwemmung ist leicht zu erkennen. Der Elephant hat, des längeren vergeblichen Wartens müde, sich nicht unnöthiger Entbehrung unterziehen wollen, den Krahn umgedreht und den kürzesten Weg gewählt, sich mit Wasser zu versorgen: er läßt dasselbe ganz einfach in seinen Rüssel laufen und spritzt es in das Maul während welches Actes der Quell sich ungehindert in die Räume des Gebäudes ergießen konnte. Ein solcher Grad von selbstständiger Emancipation war natürlich nicht zu gestatten, und das Thier mußte daher zur Vermeidung fernerer Ueberschwemmungen in solcher Entfernung vom Krahne angefesselt werden, daß es demselben nicht ferner beizukommen vermochte. Zur Löschung seines Durstes ist täglich nur zweimal das kleine Quantum von sechs bis acht Eimern nöthig; diese werden im Umsehen geleert und alsdann höchst zierlich am Gehänge gefaßt und zu neuer Füllung dargereicht. Bei der Reinigung und Pflege der Haut kommt das edle Thier seinem Wärter nach Kräften zu Hülfe; gern bespritzt es sich mit Wasser, bestreut sich mit Erde, verjagt mit einem Büschel Stroh oder Heu lästige Fliegen, hebt seinen Pfleger mit dem Rüssel so hoch, daß jener ohne Leiter den Rücken des Elephanten besteigen kann, ergreift sodann wohl selbst den Besen, mit welchem der Wärter das Thier abzukehren pflegt, und fegt sich zu allgemeiner Erheiterung der Zuschauer die Seiten selber ab.

Seine Stimmung scheint eine ganz vorzügliche zu sein, wenn er ein recht zahlreiches Publicum vor sich versammelt findet. Unglaubliche Quantitäten von Weißbrod werden ihm alsdann gereicht, auch das kleinste Stückchen wird nicht verschmäht; kaum ist es durch den Rüssel dem Maule zugeführt, so wird derselbe zur Einholung fernerer Bissen wieder ausgestreckt, so daß ein betriebsames altes Mütterchen ein ganz einträgliches Handelsgeschäftchen in Brod bei dem unermüdlichen Consumenten etablirt hat. Man müßte meinen, daß das Vergnügen des Publicums am Füttern des Riesenthieres für den Futter-Etat eine wesentliche Erleichterung sein müßte, indeß vertilgt der Elephant nach wie vor im Verlaufe des Tages seine achtzig Pfund Heu, der sonstigen Beigaben an Schwarzbrod, Rüben, Kartoffeln etc. nicht zu gedenken. Ein derartiger Consum in der Gefangenschaft läßt uns ahnen, wie rege der Appetit bei schwerer Arbeit und freier Bewegung in der Wildniß sein muß, welche Verwüstungen durch Heerden wilder Elephanten in der Pflanzenwelt angerichtet werden. Das Thier lebt jedoch nur da, wo der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_022.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)