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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

werden, auf ihre Töchter ein recht wachsames Auge zu haben, um sofort Alles abzustellen, was die Wirbelsäule verkrümmen oder was eine schon beginnende Verkrümmung verschlimmern könnte. Sie mögen sich doch einmal fragen, warum bei Knaben das Schiefsein so selten ist. Weil diese gehörig im Freien herumspringen, baden, Schlittschuh laufen, turnen etc. dürfen und von ihren Müttern nicht eingeschnürt, sowie zum Hübsch-, Ruhig- und Geradesitzen bei angreifenden Handarbeiten gezwungen werden. Ein Mädchen sollte in der Jugend in körperlicher Beziehung nicht viel anders als ein Knabe erzogen werden. Vor allen Dingen dürfen niemals Kleidungsstücke von einem kleinen Mädchen getragen werden, welche das Athmen (die gehörige Ausdehnung des Brustkastens) irgendwie stören könnten und welche die Wirbelsäule künstlich gerade zu halten bestimmt sind (wie Schnürleibchen mit Fischbein). Längeres und noch dazu gerades Ruhigsitzen (ohne Anlehnen des Rückens), häufig wiederholte und andauernde schiefe Haltung und Gewöhnung des Körpers bei den Schul- und weiblichen Arbeiten, überhaupt sehr ermüdende Körperanstrengungen (auch Spaziergänge) sind zu vermeiden, dagegen ist auf kräftige Nahrung, gehörig langen Schlaf, weite, nicht zu kühle Kleidung, Bäder, frische Luft, passende Bewegungen in freier Luft (besonders beim Turnen, was vom sechsten bis zwölften Lebensjahre getrieben werde) und Ausruhen in horizontaler Lage zu halten. Wenn Mädchen, die in der Schule (welche sich zur Zeit am meisten an den Kinderkörpern versündigt) oder auch im Hause stundenlang, ohne sich anlehnen zu dürfen, gerade gesessen und gelernt haben, in den Zwischenstunden auch noch durch Turnübungen angestrengt werden, so ist dies eine unsinnige Behandlung, ja ein Verbrechen an der Gesundheit der Schüler. Der Länge lang hinlegen (am liebsten in’s Freie) sollten sich solche Kinder, um den Rückenmuskeln Ruhe und Kräftigung zu gestatten. – Jede sorgsame Mutter muß den Rücken ihrer Tochter öfters von einem Sachverständigen controliren lassen.

Die ersten Spuren des Schiefwerdens zeigen sich in der Regel am untern Winkel des rechten Schulterblattes, welcher etwas anders und mehr als der auf der linken Seite hervorsteht. Auch findet sich das ganze rechte Schulterblatt etwas anders als das linke gestellt, was dadurch merklich wird, wenn man den hintern, gegen die Wirbelsäule gerichteten Rand desselben in seiner Stellung zu den in der Mitte des Rückens hervorragenden Stachelfortsätzen der Wirbel beachtet und dann mit dem der andern Seite vergleicht. Das von allen Kleidern entblößte Kind stehe bei dieser Untersuchung ganz gerade, mit geschlossenen Füßen und herabhängenden Armen. Merkt eine Mutter an ihrer Tochter diese ersten Spuren des Schiefseins, dann ist nicht mehr zu zaudern, dann muß das beginnende Uebel mit Ernst und Consequenz und so behandelt werden, als hätte es sich schon vollkommen entwickelt, denn es macht sehr oft ganz plötzlich rasche und bedeutende Fortschritte. Am gefährlichsten für die Ausbildung der seitlichen Rückgratsverkrümmung sind die Jahre, in welchen ein Mädchen ungewöhnlich rasch wächst, nämlich zwischen dem zwölften und sechzehnten Jahre.

Außer auf das Rückgrat ihrer Tochter (im Kindes- und Schulalter) hat eine sorgsame Mutter nun aber auch noch auf manche andere Theile derselben zu achten, damit der spätern Jungfrauen-Schönheit kein Eintrag geschehe. Fangen wir am Kopfe an. Das Gesicht ist im Sommer durch einen breitrandigen Hut oder Sonnenschirm vor der Einwirkung der Sonnenstrahlen gehörig zu schützen; auch ist es der Gesichtshaut (welche beim Waschen nicht unnützer Weise stark oder mit scharfer Seife abzureiben ist) dienlich, wenn der Schweiß von derselben öfters mit einem weichen leinenen Tuche abgewischt wird, rauhe (trockene, spröde, schuppige) Stellen auf derselben aber mit Fettigem (frischem ausgelassenen Rindstalge, Glycerin, Cold cream) bestrichen werden. Die sogenannten Mitesser, welche die Veranlassung zu den Blüthchen und Finnen geben, sind auszudrücken oder durch Bepinseln mit lauem Seifenwasser (wobei die Borsten des weichen Dachshaarpinsels in die Talgdrüsen eindringen und dieselben entleeren) zu entfernen. Man kann den übermäßig angehäuften schmutzigen Hauttalg, der den Mitessern die schwarze Färbung giebt, auch dadurch aus den Höhlen der Drüschen herausbefördern, daß man Collodium einige Male darüberstreicht und, wenn dieses durch Eintrocknen ein Häutchen gebildet hat, dieses sammt den daran klebenbleibenden Talgpfröpfchen abzieht. – Die Augen sind, zumal bei staubiger Luft, mehrere Male des Tages mit lauem, weichem (Regen-, Fluß- oder destillirtem) Wasser und weicher Leinwand zu reinigen; rothe, entzündete Augenlidränder übergebe man bei Zeiten der ärztlichen Behandlung. – Am und im Munde habe man besonders auf Lippen und Zähne acht; erstere und besonders auch die Mundwinkel sind recht rein zu halten; das Aufspringen sehr trockener Lippen verhüte man durch Bestreichen mit feinem Oel oder Glycerin. Von den Zähnen, die natürlich ordentlich zu putzen sind (mit Zahnspiritus und Pulver), muß jeder (schwärzliche oder grünliche) Ansatz (auch auf den Zahnkronen) sobald als möglich entfernt werden (durch vorsichtiges Abschaben), um das Hohlwerden derselben zu verhüten. – Die Haare sind den Sonnenstrahlen nicht auszusetzen, zumal wenn sie naß sind; beim Schwitzen müssen sie ordentlich abgetrocknet und dann gehörig eingeölt werden; eine einfache, ungekünstelte Behandlung ist einer zu großen Sorgfalt vorzuziehen; sie dürfen nicht zu fest gebunden werden, sind früh und Abends gut durchzukämmen und, um ihr Trocken-, Spröde- und Glanzloswerden zu verhüten, stets gehörig einzufetten. Die Kopfhaut, auf welcher die Haare wachsen, muß durch öfteres Waschen mit lauem Seifenwasser mit etwas Spiritus stets rein erhalten und von ihren Oberhautschüppchen befreit werden. – Da sich Schulmädchen nicht selten schon ein garstiges Mienenspiel und beim Essen eine häßliche Art zu kauen angewöhnen, auch manchmal mit den Fingern die Pforten der Sinnesorgane in unangenehmer Weise bearbeiten, so lasse die Mutter diese Unarten ja nicht zu Angewohnheiten (Grimassen) werden, welche später die Jungfrau sehr verunzieren.

Um der spätern Entwickelung der Büste keinen Eintrag zu thun, darf das Schulmädchen keine den Brustkasten einengende Kleidungsstücke tragen; um die Schultern herum sehr enge Kleider sind ebenso wie Schnürleibchen nachtheilig. Dagegen ist durch tiefes Athmen und passende Turnübungen (mit den Armen) der Brustkorb, besonders in der Gegend der Schlüsselbeine, hübsch auszurunden. – Da ein breites Becken durchaus zur weiblichen Schönheit gehört, so kann auch schon beim Schulmädchen durch passende Bewegungen mit den Beinen (Springen, Laufen, Turnen, Tanzen, Schlittschuhlaufen, Schwimmen) auf diesen Körpertheil verschönernd eingewirkt werden.

Hand und Fuß, Finger und Zehen setzen, wenn sie häßlich sind, auch die sonst schönste Schönheit herab, und deshalb muß eine Mutter schon beim Schulmädchen, ohne selbige aber dadurch zum eiteln Zieraffen zu machen, auf gute Conservirung dieser Gliedmaßen Bedacht nehmen. Zuvörderst sind dieselben vor dem Erfrieren (Erkälten) zu bewahren, ferner durch ordentliches Reinigen (mit gehörigem Abtrocknen) stets sehr sauber zu halten und mit zweckmäßiger Bekleidung zu versehen. – An der Hand müssen vorzugsweise die Fingernägel beaufsichtigt werden, denn nicht selten kauen und beißen Schulmädchen daran so herum, daß die ganze Hand dadurch schimpfirt wird. Es sind heim Abschneiden der Nägel besonders die Ecken abzurunden, auch muß das die Nagelwurzel überdeckende Häutchen öfters behutsam abgeschabt und zurückgeschoben werden. – Der Fuß ist von Jugend auf mit gut passenden (weder zu weiten noch zu engen) einbälligen Stiefelchen ohne hohe Absätze zu bekleiden, so daß weder durch Druck Hühneraugen entstehen, noch auch die Zehen sich übereinander legen und dicke Knöchel einen schiefen Plattfuß verunzieren. – Das Strumpfband darf nicht zu fest und zu tief unten, es muß über dem Knie gebunden werden.

Für eine angenehme Haltung und Bewegung, die aber nicht etwa in ein zieriges, kokettes Schwänzeln und Tänzeln ausarten darf, haben auch schon bei den Schulmädchen ebenso die Turn- und Tanzlehrer, wie die Mütter Sorge zu tragen. Desgleichen ist ein Mädchen von Jugend auf daran zu gewöhnen, aufmerksam auf ihre Kleidung zu sein, ohne aber ein Putznarr zu werden; nur Liebe zur Reinlichkeit und Nettigkeit neben Einfachheit in der Kleidung ist demselben anzuerziehen. Das Tragen von Ohrgehängen ist als höchst abgeschmackte, das Ohr verunstaltende Gewohnheit zu vermeiden. – Uebrigens paßt das bis jetzt Gesagte nicht blos auf die kleinen, sondern auch noch auf diejenigen Mädchen, welche auf dem Uebergange von den Schuljahren in das Jungfrauenalter stehen und die man „Backfische“ nennt. – In zwei spätern Aufsätzen sprechen wir dann von der eigentlichen Jungfrauen- und Frauenschönheit und ihrer Pflege. Auch werden die Mütter dort noch genauere Anleitung zur Behandlung der einzelnen Körpertheile ihrer kleinen Töchter finden.

Bock.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_215.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)